LILAC

001. a lot of weirdos

„Und deswegen werde ich sie mit jemandem verkuppeln", beendete Xia ihre Erzählung über meine beste Freundin. Sie hatte sich lang und breit darüber ausgelassen, dass es Nila nicht gut täte, nie eine richtige Beziehung zu führen. Sie hätte dadurch keine Perspektive und sowieso viel zu viele Geschlechtskrankheiten, welche sie sich während ihrer zig One-Night-Stands einfing. Insgeheim wusste ich aber, dass sie sich nur selbst in ihr verwirklichen wollte. Denn Nila war heiß. Sie hatte dieses gewisse Etwas an sich, dass Kerle als Sexappeal bezeichnen würden, während Xia als die süße kleine Asiatin mit dem noch süßeren schwulen Zwillingsbruder abgestempelt wurde. Xia war nicht eifersüchtig, nein, dafür war sie viel zu gutherzig. Sie gönnte Nila ihre Ausstrahlung, konnte aber absolut nicht verstehen, wieso sie ihr „Potenzial" nicht nutzte und sich einen tollen Freund angelte. Stattdessen vögelte sie nur durch die Gegend und baute Scheiße.

„Ich glaub nicht, dass das funktioniert", bemerkte ich.

„Anouk hat Recht. Eher verträgt sie sich mit ihrer Mutter", meldete sich Dan, Xia's 17 Minuten jüngerer Zwillingsbruder.

„Wer verträgt sich mit seiner Mutter?", hörte ich es von unten. Wir befanden uns gerade in unserem Baumhaus. Die Eltern der Zwillinge hatten es ihnen zu ihrem zwölften Geburtstag geschenkt. Es war in einem unbesuchten Teil (Niemand wollte sich durch meterhohe Büsche und Gestrüpp zwängen) des Slertrow-Parks erbaut worden und war einer der Gründe, wieso Xia und Dan die mit Abstand coolsten Eltern der Welt hatten. Früher hatten wir hier immer gespielt und jetzt, vier Jahre später, war das Baumhaus immer noch ein geliebter Ort und Treffpunkt.

„Niemand.", antwortete Xia mit aufgerissenen Augen.

„Wenn du irgendetwas ausheckst, solltest du mir das sofort sagen. Ich hasse Überraschungen.", meinte Nila, die im selben Moment ihren Kopf durch die Bodenluke steckte. „Ich... ähh..." Nila schaffte ihren ganzen Körper in den für ein Baumhaus ziemlich großen Raum und sah Xia erwartungsvoll an. „Sie will dich verkuppeln", sagte ich nüchtern. „Pah! Vergiss es. Such dir ein anderes Projekt." „Vielleicht eins mit einer höheren Erfolgschance", kam es wieder von Dan, der daraufhin einen giftigen Blick zugeworfen bekam. Er zuckte bloß mit den Schultern und widmete sich wieder seinem Modemagazin. „Genau. Wieso machst du das nicht mit Anouk?", stimmte sie zu.

„Vielleicht, weil sie nicht mit der halben Stadt geschlafen hat?", giftete Xia aufgebracht. „Dir würde ein fester Freund gut tun." „Ich bin doch auf der Suche. Aber ich finde, dass der Sex gut sein muss. So such ich mir die Typen eben aus. Und nur nebenbei, dir ist schon klar, dass Dermouth knapp 200.000 Einwohner hat?" Nila lachte. Damit war die Diskussion beendet, aber ich konnte an dem Funkeln in Xia's dunklen Augen erkennen, dass sie noch lange nicht aufgegeben hatte. Wenn sie etwas besaß, dann waren es Sturheit und Durchsetzungsvermögen.

„Wieso bist du eigentlich so früh da?", fragte ich meine beste Freundin. „Wir hatten dich später erwartet." Während die Zwillinge und ich direkte Nachbarn waren, wohnte Nila zwei Dörfer weiter in Worren (der Spießerhölle schlechthin).

„Ach, ich war schon auf dem Weg, als du mich angerufen hast.", meinte sie gespielt unbekümmert.

Ich wusste sofort, dass es um Nila's Mutter ging. Aus der liebenswürdigen Frau, bei der ich als kleines Kind viel Zeit verbracht hatte (Nila und ich kannten uns gefühlte Ewigkeiten), war eine oberflächliche Schnepfe geworden. Sie hatte den schlimmsten Fehler ihres (oder Nila's) Lebens gemacht, indem sie einen reichen Geschäftssack geheiratet hatte. Seit sie aus Slertrow in eine übergroße Villa gezogen war, war sie nur noch auf ihre perfekte Fassade bedacht. Sie hatte ein oberflächliches Idealbild vor Augen; ihre Töchter sollten einfach nur funktionieren, um den ‚Anstand' der Familie zu wahren. Bei Nona - Nila's 13-jähriger Schwester - hatte das bestens funktioniert. Aus ihr war eine verwöhnte Zicke geworden, die zwar süß aussah, aber hinterhältig und gemein war. Nila hingegen hatte es in eine komplett andere Richtung verschlagen. Sie verhielt sich wie das komplette Gegenteil. Während Nona teure Designerkleidchen trug, wurden ihr Stil und MakeUp immer dunkler und abgefuckter, ihre Röcke immer kürzer und sie trug zerrissene Hemden im 90's Stil. Hinzu kamen Partys, Sex, Alkohol und noch mehr Sex. Würden die Zwillinge, Nila und ich uns noch nicht so lange kennen, hätte Xia Nila schon lange Ade gesagt. Aber obwohl es oftmals nicht so schien, liebten sie sich wie Schwestern. Anstatt ihr die Freundschaft zu kündigen (was ein dämlicher Begriff. Als hätte man einen Vertrag abgeschlossen, den man jederzeit fristlos beenden konnte), versuchte Xia, Nila zum Besseren zu besinnen. Leider verstand sie nicht wirklich, dass ihr Verhalten eine Rebellion gegen ihre eigene Familie war. Was auch nicht verwunderlich war, denn die Zwillinge hatten - wie bereits erwähnt - echt tolle Eltern. Mutter und Vater arbeiteten als irgendwelche Agents (ihre genaue Aufgabe war strengstens geheim) für die Regierung. Oftmals machten sie ihren Kindern supercoole Geschenke oder überließen ihnen Zugriff auf ihre noch viel coolere Ausrüstung. Auch in ihrer Erziehung hatten sie einiges richtig gemacht: Xia war eine ausgebildete Kämpferin und Schlösseknackerin, während Dan als Hacker und kleines Superhirn eher den Kopf ihres Duos mimte. Alles in allem war ich froh, dass wir vier eine Clique darstellten. Jetzt fragt ihr euch sicher: Und ich?

Nun ja, in Punkto Sippschaft war ich noch die Normalste in unserem Clan. Abgesehen von meinem Vater, der die Mutter meiner Erzfeindin geheiratet hatte (eine mit Silikon vollgepumpte Schreckschraube, die ihrer Tochter in Sachen Arroganz Konkurrenz machte), hatte ich eine wirklich nette, sehr beschäftigte Maklerin zur Mutter und statt Geschwistern einen griesgrämigen Kater namens Wilson. Okay, so normal war das auch nicht.

Denn, ja, wir waren schon ein außergewöhnliches Grüppchen.

915 Wörter.

Okay, das ist also das erste Kapitel. Es ist eher informativ als spannend, aber das ist in Ordnung. Die Spannung kommt noch, denke ich.

Und nein, das kann man wohl nicht mehr als Ferien-Experiment betrachten.

Ich hatte Schwierigkeiten mit dem Anfang. Das ist immer so. Aber sobald man sich mal zusammengerissen und einen vernünftigen Satz zustande gebracht hat, geht alles wie von selbst.

P.S.: Ich freue mich über (konstruktive) Kritik und Verbesserung von Rechtschreibe- und Grammatikfehlern (Falls ihr welche findet, hehe)

Frage: Welche Charaktere findet ihr bis jetzt interessant/sympathisch? (Fühlt euch frei, diese Frage jedes kommende Kapitel zu beantworten.)