003. betrayal

143 12 12
                                    

Stetiges Summen und Piepen ertönte zeitgleich zu Dans sanfter Stimme. Ich stand am Kopierer und verlagerte mein Gewicht ungeduldig vom einen Bein aufs andere, während die einzelnen Blätter der Schülerakten gescannt und gedruckt wurden. Dan hatte nichts gefunden, das mich interessierte. Für Nila war auch nichts Passendes dabei gewesen, obwohl Xia sie förmlich hatte zwingen wollen, sie sich genauer anzusehen. Das hatte jedoch bis auf sarkastische Bemerkungen Nila's nicht bewirkt. Bei drei Jungs hatte Dan an sich selbst gedacht (er hoffte inständig, dass sie schwul waren), bei zwei anderen an Xia. Beide waren - passend zu Xia - intelligent und sportlich. Ich wusste, dass sie eher auf heiße Kerle wie die One-Night-Stands von Nila abfuhr, aber da sie wusste, dass sie bei ihnen niemals landen würde, nahm sie dankend an.

Obgleich ich dezent genervt war, war ich froh, dass ich mich mit dem Ein- und Ausheften beschäftigen konnte. Nila hingegen war so gelangweilt, dass sie angefangen hatte, auf ihren Fingernägeln zu kauen. Doch plötzlich schien sie eine Idee zu haben, denn ein kleines Grinsen breitete sich in ihrem schmalen Gesicht aus. Sie warf einen kontrollierenden Blick zu den Zwillingen, doch Dan war so vertieft in seinen Vortrag und Xia hing so an Dans Lippen, dass sie gar nicht mitbekamen, wie Nila sich zum Aktenschrank der männlichen Schüler schlich. Mit einem leisen Knarren zog sie die Schublade auf und überflog die vielen Listen. Ungefähr zwei Minuten später kam sie wie beiläufig zu mir geschlurft.

Mit einem Kopfnicken gab Nila mir zu verstehen, dass ich zur Seite treten sollte. „Ich hab ein paar ältere Typen ausgesucht. Die anderen sind eh nur Kleinkinder", wisperte sie. Wir lachten leise, während Nila die neu erworbenen Informationen in das Gerät vor uns schob. Siegessicher lehnte sie sich gegen die Wand zu unserer Rechten.

„Das war's auch schon", verkündete Dan und schaute erwartungsvoll in die Runde, erntete jedoch bloß eine hochgezogene Augenbraue meinerseits. Er seufzte. „Ich würde sagen, du machst hier noch alles fertig, Anouk, und dann können wir fahren."

„Und was ist mit den Lehrern?" Xia sah ihn vorwurfsvoll an. „Von denen kannst du uns ja erzählen, wenn wir nach Hause fahren. So wie ich dich kenne, hast du dir sowieso alles gemerkt." „Da hast du Recht", erwiderte sie mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck.

„Dann ist das ja geklärt."

Auf der Autofahrt zerrissen wir uns das Maul über die Lehrer. Der Chemielehrer, der mal im Gefängnis gewesen war („Der hat bestimmt einen auf Heisenberg gemacht"), die Englischlehrerin mit dem Gesicht eines Models, der gruselige Sportlehrer („Gawd, wir müssen die Umkleide auf Gucklöcher untersuchen") und der schöne Jüngling von Mathelehrer („Was? Wann hab ich denn gesagt, dass ich Mathe nicht mag?") sind nur vier von einigen Menschen, über die wir redeten.

„Hey!", meldete ich mich, als ich zum ersten Mal nach einigen Minuten wieder aus dem Fenster sah. Dan sah mich durch den Rückspiegel an. „Ich dachte, du fährst uns nach Hause? Wir müssten doch zuerst zu Nila."

Xia mischte sich ein: „Wir gehen zum Baumhaus. Das machen wir doch immer, habt ihr es schon vergessen? Wir gehen alle Akten noch mal durch und ordnen sie."

„Soll ich nach Hause laufen, oder was?", krähte Nila neben mir.

„Es ist Samstag. Du gehst doch sowieso auf irgendeine Party und pennst dann stockbesoffen im Park, weil du die Leiter zum Baumhaus nicht mehr hochkommst. Oder bei irgendeinem One-Night-Stand.

Sie schnaubte. „Ach so läuft das also. Du hast meinen Abend ja besser geplant als ich. Zu deiner Info: Heute wollte ich eigentlich nirgendwo hingehen. Ich hatte vor, meine geliebten Eltern mit meiner Anwesenheit zu beehren." Sie rutschte grummelnd tiefer in ihren Sitz. „Bleib ich halt bei Anouk."

Ich lehnte mich nach links, um Nila ein bisschen näher zu kommen. „Du wolltest wegen Georgina nach Hause, oder?", fragte ich mit gedämpfter Stimme. Sie grinste. Nila tat immer auf kratzbürstig, dabei war sie innerlich total gelassen. Sie hatte einfach Spaß, sich mit Leuten anzulegen. Mit mir jedoch ging sie immer locker um und verstellte sich nicht, was ich als Beweis für unsere gute Freundschaft sah.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 10, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

LILACWo Geschichten leben. Entdecke jetzt