Kapitel 2

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Fünf Tage, an denen alles normal ist, langweilig, aber normal, vergehen. Wie üblich gibt es darunter fast keinen Tag ohne Angriff, aber keiner mehr so spektakulär, wie der von Jason.

Meinen Dad bekomme ich nur am Sonntag länger zu Gesicht, wo wir dafür als Familie einen Ausflug machen. Akeno ist dabei hingefallen und hat sich das Knie aufgeschürft, mehr ist aber nicht passiert.

Am Mittwoch gehe ich wie ausgemacht zusammen mit Yuki mit zu Akemi nach Hause, damit wir zusammen lernen können.

Akemis Eltern sind noch nicht zu Hause, sie arbeiten mindestens so viel wie mein Dad, deswegen habe ich sie in all den Jahren, in denen ich Akemi bereits kenne, nur selten gesehen.

„Guckt mal, das ist das Kleid, von dem ich euch letzte Woche erzählt habe. Ist das nicht süß?", plappert sie in ihrem Zimmer drauf los und zieht ein fliederfarbenes Kleid aus ihrem Schrank. Sie muss es sich nach dem Angriff von Jason gekauft haben. Das ist so eine Angewohnheit von ihr, einkaufen gehen um sich zu beruhigen. Dabei hat sie noch wenig Grund zur Sorge, in ihrer Gegend gab es bis jetzt nur sehr wenige Angriffe und auch nur von unbekannten, weniger gefährlichen Ghulen.

„Das ist echt total süß", bestätige ich ihr. „Ich bin sicher, die Farbe steht dir ausgezeichnet", sagt Yuki und streicht sich ihr langes blondes Haar aus dem Gesicht.

Gedanklich stimme ich ihr zu, das zarte lila passt hervorragen zu Akemis heller Haut und den schwarzen Haaren.

Lächelnd legt Akemi das Kleid wieder weg. „Ich hol noch schnell was zu trinken, holt ihr schon mal die Bücher raus, damit wir dann anfangen können." Rasch verlässt sie das Zimmer in Richtung Küche.

„Geschafft!", jubelt Yuki und schlägt schwungvoll das Buch zu. „Ja, endlich", stimme ich zu und strecke mich genüsslich. „Diese Arbeit kann kommen."

Zufrieden lässt Akemi auf ihr Bett fallen und ich werfe einen Blick auf meine Uhr. „Es ist bereits 22:07 Uhr. Wir sollten wirklich gehen, Yuki", stelle ich fest.

Während Akemi uns dabei zusieht, wie wir einpacken unterhalten wir uns über ein paar belanglose Themen.

Mit einer Umarmung verabschieden Yuki und ich uns von Akemi und machen uns dann auf den Weg.

Nach 5 Minuten fällt mir ein, dass ich mein Buch hab liegen lassen habe. „Oh, verdammt!", fluche ich und bleibe stehen. „Was ist?", fragt Yuki überrascht und hält ebenfalls an. „Ich muss nochmal zurück, hab mein Mathebuch vergessen."

„Sicher, dass du deswegen zurück musst? Du kannst Akemi doch einfach schreiben, dass sie es dir Morgen mitbringen soll."

Abwehrend schüttle ich den Kopf. „ Nein, es ist doch nicht weit. Außerdem hab ich das Buch lieber bei mir, dann kann ich es nachlesen, wenn ich etwas doch nicht verstanden hab. Du kannst aber schon weiter gehen."

Mit sorgenvollen Augen sieht sie mich. „Es wäre wirklich kein Problem für mich mitzukommen", versichert sie mir.

Ich weiß, dass sie lügt. Yuki hat Angst davor sich bei Nacht draußen aufzuhalten.

„Ist schon in Ordnung, ich schaffe das allein", beruhige ich sie und bin schon im Begriff mich umzudrehen. „Dann sei aber vorsichtig", bittet sie mich. „Natürlich bin ich das", lache ich und gehe wieder in die Richtung, aus der wir gekommen sind.

Nach 100 Metern biege ich in eine Seitenstraße ab, welche eine Abkürzung ist, welche Yuki aber nicht entlang gehen wollte, weil sie die großen Hauptstraßen sicherer findet.

Es sind keine Menschen zu sehen, nur eine Katze rennt über die Straße und ein paar einzelne Laternen brennen.

Im Augenwinkel sehe ich einen Schatten langhuschen, als ich mich umdrehe ist dort aber nichts zu sehen. Mein Gehirn muss mir einen Streich gespielt haben. Kein Wunder, ich bin müde und hier ist es gruseliger als ich gedacht habe. Meine Schritte beschleunige ich trotzdem.

Ich bin gerade mal 50 Meter weiter, als ich meine Schritte hinter mir zu hören. Wieder bleibe ich stehen und gucke mich um.

Mein Atem geht schnell und ich bekomme es ein wenig mit der Angst zu tun, obwohl ich erneut niemanden entdecken kann.

Dort ist niemand, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Wie ein Mantra wiederhole ich diesen Satz immer wieder in Gedanken, aber es bringt nicht viel. Vor allem, weil mir jetzt wieder die letzten Ghulangriffe einfallen. Definitiv nicht hilfreich.

Schnell gehe ich weiter.

Es dauert nur wenige Sekunden, bis ich wieder Schritte höre. Jetzt bin ich mir sicher, dass sie echt sind.

Ohne mich umzugucken fange ich so schnell ich kann an zu rennen. Die Schritte beschleunigen sich ebenfalls. Mein Atem geht keuchend.

Mir ist klar, wovon ich gerade verfolgt werde und auch, dass ich keine Chance habe. Aber was soll ich anderes machen als weglaufen? Ich kann nicht einfach stehenbleiben und warten, ich muss es zumindest versuchen.

Es ist ein Instinkt.

Die Schritte kommen näher und ich schaffe es meine zu beschleunigen. Schnell sind meine Verfolger aber wieder dran, jetzt sogar näher als zuvor. Ich kann warmen Atem im Nacken spüren, dann scheint mein Rücken vor Schmerz zu explodieren, was mich zu Fall bringt.

Reflexartig strecke ich die Hände nach vorne, um mein Gesicht zu schützen und den Sturz abzufangen. Beim Aufprall schürfe ich mir die Handflächen auf.

Schwer atmend liege ich am Boden, etwas Warmes läuft meinen Rücken hinunter. Blut. Er hat mich mit seiner Kralle zu Fall gebracht.

Verzweifelt strampele ich mit Armen und Beinen, in der Hoffnung, meinen Angreifer irgendwie zu treffen, auch wenn es den Schmerz in meinem Rücken noch schlimmer macht. Dann werden meine Beine gewaltsam auf den Boden gedrückt, eine große Hand umschließt meinen Hals, es scheinen zwei zu sein, und meine Armen werden soweit auf meinen Rücken gedreht, dass es laut knackt und ich aufschreie. Sofort drückt die Hand an meinem Hals meine Luftröhre ab und mein Schrei verstummt.

„Schrei noch mal, dann...", zischt eine Stimme.

In meinem Arm pulsiert ein dumpfer Schmerz, mein Rücken scheint in Flammen zu stehen.

Ich hab Angst wie noch nie zuvor in meinem Leben. Mir ist klar, dass ich sterben werde, mein einziger Wunsch ist, dass sie es schnell machen.

Meine Augen sind fest zusammengepresst, damit ich sie nicht sehen muss.

Ghule sehen uns Menschen zu ähnlich, nur ihre Augen während eines Angriffs unterscheiden sie optisch von uns.

„Keine Angst, Kleine. Wir tun dir nichts", sagt eine zweite Stimme höhnisch.

„Sie riecht lecker", kann ich die erste Stimme sagen hören. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie er aussieht, kann ich mir vorstellen, wie er sich bei dem Gedanken genüsslich die Lippen leckt. „Mich interessiert, ob sie auch wirklich so lecker schmeckt."

Ich spüre, wie mein gesunder Arm hochgehoben wird und auch dort ein feuriger Schmerz aufflammt, als der eine Ghul seine Zähne hineinschlägt.

Am liebsten würde ich wieder schreien vor Schmerz. Vereinzelt laufen mir Tränen die Wangen hinunter.

„Sei vorsichtig, Menschen sind zerbrechlich und der Boss hat gesagt wir sollen sie lebendig bringen", sagt der andere mahnend.

Boss... lebendig bringen... Das Blut rauscht in meinen Ohren, ich kann die Worte hören, aber mein Gehirn scheint ausgesetzt zu haben und die Bedeutung nicht zu verstehen.

„Das bedeutet nicht, dass wir keinen Spaß mit ihr haben dürfen", kommt die Antwort.

Danach schlagen sich Zähne in meine Schulter und meinen Oberschenkel. Es tut wieder höllisch weh, aber dieses Mal scheint mich dabei etwas zu rufen. Eine angenehme Schwärze ruft nach mir, verspricht Erlösung.

Ohne noch groß nachzudenken lasse ich mich fallen. Kurz frage ich mich, ob das der Tot ist oder ich einfach ohnmächtig werde, dann legt sich die Schwärze wie ein Tuch über meine Augen.     

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