Kapitel 4

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Es verstreicht einige Zeit, in der ich einfach hier sitze und gefesselt bin. Die einzige Abwechslung ist eine Person, die mir in regelmäßigen Abständen Wasser bringt. Was mich wundert ist, dass ich nie Essen bekomme und was ich noch komischer finde ist, dass ich auch keinen Hunger empfinde, zumindest nicht so wie sonst.

Allerdings habe ich bis jetzt auf keine einzige meiner Fragen eine Antwort bekommen.

Inzwischen kommt es mir so vor, als würde ich hier bis zum Ende meines Lebens festsitzen. Bei genauerer Überlegung werde ich hier also gar nicht mehr so lange sein.

Es tut mir echt nicht gut komplett alleine zu sein mit meinen Gedanken. Das kann keinem Menschen gut tun. Ich würde nicht sagen, dass ich bereits anfange durchzudrehen, Stimmen höre, die nicht da sind, ich hab nur zu viel Zeit zum Nachdenken.

In Gedanken spiele ich den Abend immer wieder durch, mache mir selbst Vorwürfe, obwohl ich es eh nicht mehr ändern kann.

Geweint habe ich nicht mehr, obwohl ich gerne würde, aber es will keine Träne kommen. Ich fühle mich innerlich taub. Ein Teil von mir hofft vermutlich immer noch, dass ich gleich Aufwache und es alles nur ein böser Traum war.

Ich hab nicht mitbekommen, dass die Tür aufging, bis drei Männer in mein Blickfeld treten. Ich habe erst vor kurzem Wasser bekommen, deswegen können sie also nicht hier sein. Außerdem tragen sie keine roten Gewänder mit Kapuzen, was es mir ermöglicht ihre Gesichter zu sehen. Das wäre aber auch nicht nötig gewesen um zu wissen, dass sie alle Ghule sind.

Der eine von ihnen ist ungewöhnlich groß, hat weiße Haare und wirkt streng, furchteinflößend und mächtig. Neben ihm geht ein wesentlich älterer Mann mit grauem Haar, der auch weniger furchteinflößend wirkt.

Dann fällt mein Blick auf den Dritten. Er ist kleiner und deutlich jünger als die anderen beiden. Sein unordentliches, blau schwarzes Haar verleiht ihm ein eher wildes Aussehen. Er wirkt fast genauso gefährlich wie der erste, aber auf eine andere Art. Seine schlanke Statur gibt ihm zusätzlich etwas Raubkatzenartiges.

Die drei kommen ohne ein Wort zu sagen auf mich zu. Gerne hätte ich mich jetzt in einer Ecke zusammengekauert, aber diese Möglichkeit ist mir ja verwehrt, weswegen ich probiere mich auf dem Stuhl so klein wie nur irgendwie möglich zu machen.

Anderthalb Meter vor mir bleiben zwei von ihnen stehen während der Alte weiter auf mich zu kommt und dann mit einem halben Meter Abstand langsam um mich rum geht, wobei er mich genau zu mustern scheint, weswegen ich mich am liebsten noch kleiner machen würde.

„Wie sieht es aus, Kanou?", fragt dann der Große, als der andere, Kanou, fertig ist und zu den beiden zurückkehrt.

„Alles wie erwartet, noch drei Tage", antwortet Kanou.

„Sicher, dass sie geeignet ist? Sie wirkt nicht gerade so, als wäre sie anders, hätte weniger Angst", sagt der Dritte verächtlich.

Weniger Angst? War es nicht logisch, dass ich verdammt verängstigt war?

Ich war von Ghulen angegriffen worden, wurde aber aus was weiß ich welchem Grund am Leben gelassen und war irgendwie hierher gebracht worden. Jetzt hatte ich keine Ahnung wo, wieso und wie lange ich bereits hier war und auch nicht, was man eigentlich mit mir vorhatte.

Wären das nicht gerade drei Guhle vor mir wäre ich jetzt wütend geworden, so aber machte ich mich weiterhin klein auf meinem Stuhl und guckte den Boden vor mir an.

„Sie wurde durchaus sorgfältig ausgewählt, Ayato. Im Vergleich zu den meisten anderen zeigt sie weniger Angst vor uns, was sich bereits dadurch zeigt, dass sie den erwarteten Weg genommen hat", weist der Größte ihn zurecht. Er bleibt ruhig dabei, aber von Ayato kommt keine Widerrede, er scheint ihn zu respektieren.

„Da das jetzt erledigt ist wird es Zeit für uns zu gehen, immerhin haben wir noch anderes zu erledigen", sagt er dann und verlässt mit Ayato zusammen den Raum. Kanou bleibt.

„Eine Erleichterung, dass es endlich geklappt hat", murmelt er vor sich hin. „Du bist nicht die erste Person, die hier sitz, musst du wissen. Vor dir hat jedoch noch keiner überlebt", wendet er sich dann an mich.

Ein kaltes Schaudern läuft mir den Rücken hinunter. Wie viele Menschen hatten hier bereits vor mir gesessen und wieso?

„Ich bin sicher, du wüsstest gerne wo du hier bist." Oh ja, dass wüsste ich allerding gerne, jedoch sage ich ihm das nicht.

Ohne eine Antwort von mir fährt er fort: „Du bist hier beim Phönixbaum. Was die meisten Mitglieder hier sind werde ich dir wohl nicht sagen müssen." Nein, so intelligent das zu wissen war ich selbst.

„Ich bin übrigens ein Mensch", fährt er fort.

Überrascht schnappe ich nach Luft. Er soll ein Mensch sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Mensch freiwillig unter Ghulen aufhält. Entweder ist er auch ein Ghul und lügt oder er ist wirklich ein Mensch und wird gezwungen, für den Fall erschließt sich mir aber kein Sinn daraus.

„Für gewöhnlich arbeite ich als Arzt, deswegen verstehst du hoffentlich, dass wir dich nicht einfach gehen lassen können, auch wenn das Experiment doch noch schief läuft. Es würde meinem Ruf doch sehr schaden", redet er weiter.

Warum erzählt er mir das alles, hört er gerne seiner eigenen Stimme zu? Warum arbeitet er mit den Ghulen zusammen?

Schon wieder habe ich viel zu viele Fragen.

„Ich geh dann mal wieder. War schön meinen erfolgreichsten Versuch bei Bewusstsein und in gutem Zustand zu sehen."

Man sollte meinen, der Besuch der drei hat einige meiner Fragen beantwortet, allerdings hat er eher mehr neue aufgeworfen. Das ich von Ghulen gefangen gehalten werde war mir bereits vorher klar, das Warum erschließt sich aber immer noch nicht. Ich weiß jetzt nur, dass ich eine Art Experiment, ein Versuch bin, jedoch nicht der erste, wenn auch der erste, der überlebt hat.

Außerdem wird in drei Tagen etwas passieren. Ich weiß nicht was, ich kann nur hier sitzen und darauf warten, dass es passiert.


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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 27, 2017 ⏰

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