1. Pearl

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Schwarz. Pearl schlägt die Augen auf. Der schale Geschmack von letzter Nacht liegt noch auf ihrer Zunge. Ein ekelhafter Pelz aus Nikotin, Alkohol und Kotze. 

Sie schwingt die langen, nackten Beine über den Rand des schäbigen Sofas, dass sie vor ein paar Stunden noch schwitzend und keuchend mit einem Fremden geteilt hat. Der Kerl liegt nun schnarchend am Boden zu ihren Füßen, zwischen all dem Dreck und den hastig vom Körper gerissenen, unachtsam zur Seite geworfenen Klamotten. Sie kramt in seiner Hosentasche nach einer Schachtel Kippen und dem Feuerzeug, findet beides und tritt dann nackt hinaus auf den Balkon.
Die Stadt ergießt sich vor ihr mit ihrem frühmorgendlichen Lärm, den schmutzigen Straßen und dem allgegenwärtigen Gestank nach Lügen und Armseligkeit.
Pearl zündet sich eine Zigarette an und beobachtet den Verkehr, der sich zwischen den grauen Fassaden hindurch über den Asphalt windet.

Ein alter Mann mit Hut geht unter ihr den Bürgersteig entlang, einen Schäferhund an der Leine. Er bemerkt sie, wie sie da über ihm steht, die langen schwarzen Haare achtlos aus dem Gesicht gestrichen, die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt, unbekleidet. Er reckt den Kopf um einen besseren Blick zwischen den Balustrade-Stäben hindurch auf ihren weißen Körper zu haben, grinst, fährt sich mit seiner dicken, grauen Zunge in einer schnellen, unbewussten Bewegung über die faltigen Lippen.
Pearl zieht an der Zigarette, tritt an das Geländer, presst ihre Hüfte gegen das kalte Metall und reckt dem Alten provozierend ihre kleinen, festen Brüste entgegen. Er stiert sie an mit seinem widerlichen Blick, die Gier pulsiert in seinen Augen. Sie raucht gelassen zu Ende, ihre schwarzen, stark geschminkten Augen unverwandt auf ihn gerichtet, drückt den Zigarettenstummel am Geländer aus und schnippst ihn schließlich ungerührt über die Brüstung, dem Alten vor die Füße. Dann dreht sie sich um und geht zurück in die Wohnung. 


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