Er hat Lola nur ein einziges Mal gesehen. In einem schmutzigen, kleinen Bordell in Hamburg hat er von seinem letzten Geld eine Schachtel Zigaretten und eine halbe Stunde mit ihr gekauft.
Sie war weder besonders schön, noch anmutig. Das Haar war fettig und unregelmäßig geschnitten, sicher ist sie es selbst gewesen, und er hatte irgendwie das Gefühl, dass ihre Proportionen nicht ganz stimmten.
Trotzdem faszinierte sie ihn irgendwie.
Nachdem sie fertig waren zog sie sich wortlos an und lehnte sich an die Wand ihm gegenüber. Er ist liegen geblieben, obwohl er wusste, dass seine Zeit längst rum war. Er hat sich eine Zigarette angezündet und auch ihr eine angeboten. Sie hat sich nicht bewegt und ihn nur angesehen. Er rauchte sehr langsam und aschte dabei auf das Betttuch und Lola hat die ganze Zeit geschwiegen.
Es waren ihre Augen, diese gebrochenen Augen, in denen er sein Spiegelbild erkannte. Die er heute noch sieht.
Er hat gezahlt und ist gegangen. Das war's.Unter all den Menschen denen er in seinem Leben begegnet ist, ist ihm Lola am eindrücklichsten im Gedächtnis geblieben. Er versucht immer wieder sie zu malen, aber es gelingt ihm nicht.
Jetzt sitzt er in einem Café und blickt auf die Straßenbahn, die draußen vorbei zieht. Zwei Jungen springen, sich schubsend und schreiend, gerade noch rechtzeitig auf den Bürgersteig gegenüber, völlig blind für die Gefahr. Ob sie wohl Brüder sind? Kurz gibt er sich seinem Gedankenspiel hin, dann reißt er den Blick von ihren Tornistern los.
Er winkt der Kellnerin, will gehen. Vor der Tür zündet er sich ein Zigarette an. Der Tag ist grau, aber schon heiß. Er muss später noch ist Atelier. Ein Kunde kommt nachher vorbei.
Er beginnt den Fußweg entlang zu wandern. So viele Gesichter. Aber er kann sie nicht alle malen.

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Streifzüge
Ficción GeneralIrgendeine graue Stadt. Ein farbloser Morgen, ein heißer Sommertag, ein einsamer Abend. Ausschnitte aus den Leben Fremder. Eine kleine Sammlung von Momenten...