Kapitel 1

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Gleich nach der Explosion auf der Bohrinsel begannen die Halluzinationen. Es war der Tag, an dem Richard Castle eigentlich hätte sterben sollen.
Seit 14 Jahren arbeitete er auf verschiedenen Ölplattformen, und eigentlich glaubte er, alles, was passieren konnte, schon erlebt zu haben. 1997 hatte er zum Beispiel gesehen, wie ein Hubschrauber bei der Landung die Kontrolle verlor, auf die Plattform krachte und sich in einen glühenden Feuerball verwandelte. Richard erlitt Verbrennungen zweiten Grades auf dem Rücken, weil er versuchte, ein paar Kollegen zu retten. 13 Personen starben bei dem Unglück - die meisten in im Helikopter. 4 Jahre später stürzte ein Kran um, und ein Stück Metall, so groß wie ein Basketball, saust durch die Luft und hätte beinahe Richards Kopf zertrümmert. 2004 war er einer der wenigen Arbeiter, die auf der Bohrinsel blieben, als sich Hurricane Ivan näherte, mit fast 200 Stundenkilometern. Die Wellen waren so gigantisch, dass Richard überlegte, ob er sich vorsichtshalber schon mal einen Fallschirm schnappen sollte, falls die gesamte Bohrinsel zusammenbrach. Und auch in der Alltagsroutine lauert sind überall Gefahren. Man konnte ausrutschen, das Gleichgewicht verlieren, von Bauteilen getroffen werden - ohne Schnittwunden und Prellungen kam kaum einer davon. Richard war Zeuge von so vielen Knochenbrüchen gewesen, dass er sie nicht mehr zählen konnte. Zweimal war die gesamte Besatzung von einer schlimmen Lebensmittelvergiftung betroffen gewesen, und vor zwei Jahren, also 2007, muss das Richard zu schauen, wie ein Versorgungsschiff unterging, als sich von der Plattform entfernte. Glücklicherweise wurde die Besatzung in letzter Minute von einem Kutter der Küstenwache gerettet.
Aber die Explosion war schlimmer als alles Bisherige. Weil kein Öl Auftrag - die Sicherheitsventile und andere Schutzmechanismen verhinderten eine größere Umweltkatastrophe -, wurde der Zwischenfalls war in den Nachrichten nur beiläufig erwähnt und geriet nach ein paar Tagen schon wieder in Vergessenheit. Aber für diejenigen, die dabei waren, und zu ihnen gehörte Richard, war es ein einziger Albtraum. Das Unglück geschah an einem ganz normalen Vormittag. Alles lief nach Plan. Richard wirste wie immer die Pumpen überwachen. Aus heiterem Himmel explodierte plötzlich einer der Speichertanks. Richard Begriff, was los war, wurde er von der Wucht der Detonation in einem Schuppen in der Nähe geschleudert. Und sofort begann es überall zu brennen. Weil die gesamte Bohrinsel mit verkrusteten Ölrückstände bedeckt war, verwandelte sie sich rasend schnell in eine Flammenhölle. Dadurch gab es zwei weitere Explosionen, welche die Boten wird noch heftiger erschütterten. Richard erinnerte sich, wie er mehrere Verletzte aus den Flammen zerrte, doch dann kam die vierte explosions, noch gewaltiger als die ersten drei, und er flog erneut durch die Luft. Was danach geschah, wusste er nicht mehr genau, es waren nur noch undeutliche Bilder, bruchstückhaft - irgendwie landete er im Wasser, und nach menschlichem Ermessen hätte ihn dieser Sturz das Leben kosten müssen. Als er wieder zu sich kam, trieb er im Golf von Mexiko, etwa 150 km südlich von Vermillion Bay, Louisiana.
Wie fast alle anderen hatte er nicht genügend Zeit gehabt, seinem rettungsanzug überzuziehen oder sich auch nur eine Schwimmweste zugreifen. Zwischen den Wellen erblickte er in der Ferne immer wieder einen dunkelhaarigen Mann, der ihn zu winkte und in signalisierte, er solle nicht aufgeben, sondern in seine Richtung weiterschwimmen. Richard folgte der Aufforderung. Zu Tode erschöpft kämpfte er gegen den Sog der Tiefe an. Seine Kleidung und die Stiefel zogen ihn nach unten, seine Arme und Beine wurden immer schwächer. er hatte kaum noch Überlebenschancen. Zwar kam es ihm so vor, als würde er sich dem winkenden man lernen, aber weil das Wasser sehr unruhig war, konnte er die Entfernung nicht richtig einschätzen. Dafür sein Blick auf einen Rettungsring, der nicht weit von ihm zwischen den Trümmern trieb. mit letzter Kraft klammerte er sich daran. Viel später erst erfuhr er, dass ihn nach vier Stunden ein Versorgungsschiff aufgegriffen hatte, dass zur Unfallstelle geeilt war. Zu diesem Zeitpunkt war er schon mehr als anderthalb Kilometer von der Bohrinsel entfernt. er wurde an Bord gehievt und unter Deck getragen, wo sich noch andere Überlebende aufhielten. Von der Unterkühlung war er wie er starb, konnte nur verschwommen sehen und auch nicht klar denken - der Arzt stellte bei ihm eine ziemlich schwere Gehirnerschütterung fest -, aber eines war ihm durchaus bewusst: dass er großes Glück gehabt hatte. Er sah Männer mit grauenvollen Verbrennungen an Armen und Schultern, andere blutete aus den Ohren oder hielten sich die gebrochenen Gliedmaßen. Die meisten von ihnen kannte er mit Namen. Auf einer Bohrinsel gab es nur eine begrenzte Anzahl von Orten, wo man sich aufhalten konnte - letztlich war so eine Insel eine Art kleines Dorf mitten im Ozean -, und die jeder kam irgendwann in die Cafeteria, in den Aufenthaltsraum oder ins Fitnesscenter. Ein Mann allerdings erschien ihm nur vage bekannt. Und ausgerechnet dieser Stadt ihn unverwandt an, obwohl er am anderen Ende des Raumes sein. Er hatte dunkle Haare, war etwa 40 Jahre alt und trug eine blaue Windjacke, die Informatik jemand vom Schiff geliehen hatte. Und irgendwie wirkte er deplatziert - er sah aus wie ein Büromensch, nicht wie ein Bohrturmarbeiter. Dieser Fremde wird winkte Richard zu, was ihm an den Typ erinnerte, den er vorhin im Wasser erspäht hatte - ja, genau, das war er, der Mann aus den Wellen, ganz bestimmt! Und auf einmal spürte Richard, wie sich ihm die Nackenhaare sträuben. Doch bevor er genauer darüber nachdenken konnte, warum er so seltsam reagierte, legte ihm jemand eine Wolldecke um die Schultern und führte ihn zu dem Tisch, wo ihn ein Sanitätsoffizier erwartete, um ihn zu untersuchen

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