„Shit!“, rief Harry lachend und sprang auf den Bürgersteig, doch ich riss die Augen auf. Wir wollten gerade die Straße zu unserem Haus überqueren und waren schon fast drüben als such meine volle Aufmerksamkeit zu zweier quietschenden Reifen richtete die auf uns zugerauscht kamen. Geschockt blieb ich stehen, konnte mich nicht bewegen, auch wenn alles in mir schrie ich solle verdammt nochmal Straße verlassen. Ich starrte nur in die großen Augen des erschrockenen Fahrers der schließlich wenige Zentimeter vor mir stehen blieb. Er fluchte und schimpfte, während meine Beine weich wurden und mein Herz verdächtig schnell zu schlagen begann. Mein Atem stockte, ich rang nach Luft als ich spürte wie ich auf meinen Knien landete. Tränen brannten in meinen Augen. Ich kniff sie zusammen. Alles schien sich in mir zu verkrampfen.
„ROSE!“, schrie Eric, ich hörte wie er auf mich zugerannt kam und wenig später spürte ich seine schützenden Arme um meinen bebenden Körper. Der Mann im Auto war einfach weiter gefahren. „Rose, es ist alles gut.“, versuchte er mich zu beruhigen. Ich lehnte mich zitternd an ihn an.
„Alles ist gut.“, flüsterte er wiederholt und wiegte mich hin und her, während er meinen Rücken streichelte bis das zittern aufhörte.
Einige wenige Augenblicke saßen wie so mitten auf der sonst so selten befahrenden Straße bis ich aufstand, meine Tüte nahm und ohne auf den schockierten Harry achtend ins Haus und direkt in mein Zimmer flüchtete.„Scheiße!“, schrie ich und griff nach irgendwas um es gleich darauf auf den Boden zu pfeffern. Es klirrte. Ich ging mir durch meine zerzausten langen Haare und seufzte während die Tränen wieder kamen. Wieso hatte ich verdammt noch mal so eine heiden Angst vor Autos? Beinahe wäre ich drauf gegangen, verdammt. Ich glitt an meiner weißen Zimmertür zu Boden und schluchzte lautlos mit einer Hand vor meinem Mund. Nicht mehr aus Schock oder Angst, sondern aus Hass und Wut auf mich selbst. Auch wenn es auf der Hand lag warum ich mich fürchtete, ich begriff einfach nicht warum ich es nach so langer Zeit immer noch nicht geschafft hatte meine Ängste zu bekämpfen. Mein Bruder und Harry mussten mich für gestört halten, und der Rest der Welt mit Sicherheit ebenfalls, wenn sie mich so sehen würden. Ich wollte das alles nicht mehr. Wollte nicht mehr vor meinen Problemen weglaufen, mich verstecken, wie ich es seid elf Jahren tat. Nicht mehr. Wütend schellte meine Faust auf den Boden und ein stechender Schmerz durchzuckte meine Hand. Ich ignorierte ihn und stand entschlossen auf. Es musste sich etwas ändern.
Noch leicht Zitternd ging ich auf meinen Spiegel zu und betrachtete mein Gesicht. Meine Haut war viel zu blass und tiefe Augenringe erkannte ich unter meinen Augen. Automatisch ging meine Hand an die stelle und strich die eine letzte Träne weg. Gekonnt band ich mir einen Zopf damit ich mich schminken konnte. Verleihen wir diesem trostlosem Gesicht doch mal mehr Farbe.
Mit glasigen Augen begann ich mein Gesicht einzucremen um es gleich darauf einzupudern. Ich wollte mich dezent und doch auffallend schminken, weshalb ich einen farblosen Lipgloss wählte, dafür aber meine Grauen Augen mit einem schwarzem Lied-Strich und Wimperntusche betonte. Meine wirren locken löste ich aus dem Zopf um sie durchzubürsten und zu glätten. So gingen sie mir knapp bis zu meinem Hintern, da sie so lang waren. Das Resultat begutachtend sah ich mir in meine eigenen Augen, die mich ohne jegliche Emotionen beobachteten. Ich schwor mir in diesem Moment alles daran zu setzen, mein Leben in den Griff zu bekommen. Koste es was es wolle. Schnell drehte ich mich von dem Spiegel weg um mich nicht länger ansehen zu müssen. Ich hatte das Gefühl ich belog mich selbst, trotz meiner Entschlossenheit. Mein Mut hatte sich in das hinterste Zimmer meines Kopfes versteckt und saß zitternd auf dem Boden. Die Beine angezogen und den Kopf auf den Knien liegend wippte es hin und her.
Mein Kleid nahm ich aus der Tüte raus, und zog es sofort an. Es war ein einfaches schwarzes High-low Kleid, was mit passenden ebenfalls schwarzen hohen Schuhen, die ich ein mal von meinem Bruder zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, als er mich aufmuntern wollte, was ihm allerdings nicht besonders gut gelang, einfach himmlisch aussah. Die High Heels hatten goldene Nieten an den Abstätzen, was ihnen etwas besonderes verlieh. Letztes Jahr hatte ich sie selbst drauf geklebt, weil mir die Schuhe allmählich zu langweilig geworden waren und da ich sie eh nie getragen hatte, konnte ich ja nichts falsch machen. Jetzt allerdings war ich dankbar, dass sie meinen eingriff überlebt hatten.
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