Angst

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Der Raum war voll. Jeder Stuhl war besetzt, einige Mitglieder mussten stehen. Der Rat hatte sich am Tischende platziert, mit irgendwelchen Akten, Mappen, Unterlagen. Ich umklammerte Claires Hand. Immer fester und fester. Irgendwann lockerte sie meinen Griff und flüsterte: „Ely, es wird alles gut. Es fängt jetzt an. Sshhh"

Eines der ältesten Ratsmitglieder, B. Mendel, räusperte sich und blickte in die Menge, um die volle Aufmerksamkeit zu bekommen. „Beauftrage B. Klarsson, Sie wurden des Verrats bezichtigt und vor das Gericht gestellt." Er machte eine wirkungsvolle Pause. Meine Hände zitterten. Oh mein Gott. Bitte nicht. Bitte.. nicht... Claire drückte meine Hand. Ich bemerkte die Angst in ihren Augen, doch sie zwang sich, ihre Tränen zurückzuhalten und stark für mich zu sein. Am anderen Ende des Tisches saß sie. Die Angeklagte. „Sie brachen den Vertrag und somit die Regeln unseres Verbands", sprach B. Mendel weiter. „Der Rat hat sich lange besprochen. Die Beweise liegen hier in den Unterlagen vor. Der Rat hat einstimmig entschieden. Sie werden jetzt den Raum mit B. Narss und B. Schendt verlassen und...." „Halt!", schrie ich, „lassen Sie sie los! Mum nein!" Ich stürzte vor , doch zwei Mitglieder mit weißen Masken hielten mich fest. „Mum!", brüllte ich und schlug um mich. „Nein das dürfen Sie nicht machen! Sie hat nichts getan! Sie.." Weiter kam ich nicht. Eine Frau deren Namen ich nicht wusste drehte mir die Arme nach hinten und drängte mich mit voller Kraft zurück. Ihr linkes Auge war zugenäht, doch im Moment konnte mich nichts mehr erschrecken als der Gedanke, meine Mutter zu verlieren und nie wiederzusehen. „Mum!", schrie ich aus voller Kehle. Meine Stimme brach. Ich sah, wie meine Mutter, B. Klarsson von den beiden Männern gepackt und rausgeführt wurde. Kurz bevor sie endgültig aus meinem Blickfeld verschwand, drehte sie sich  um. Mit tränenüberströmtem Gesicht schaute sie mich an. Ihre Lippen bewegten sich, doch die Menschen um mich herum waren zu laut, als dass ich sie hören konnte. Meine Mutter wurde nach vorne gerissen, sie stolperte, Panik stand in ihren Augen,  und die Tür schloss sich mit einem lauten Knall.

Ich vernahm ein Klopfen und schlug die Augen auf. Mein Herz bebte unkontrolliert. Schon wieder der Traum. Der schreckliche Traum, der immer wieder die Szene, die ich am wenigsten sehen wollte, vor meinen Augen abspielte. Ein Jahr war es nun her, dass sie Mum mitgenommen hatten. Seitdem hatte ich immer wieder diesen Albtraum und konnte ihn nicht loswerden. Ich vermisste sie sehr. Den schrecklichen Gedanken, dass ich sie  nie wieder sehen würde, verdrängte ich jedes Mal, doch loswerden konnte ich ihn nicht. Erneut ein Klopfen. Das Geräusch kam von der Fensterscheibe. 

Die Tauben! Ich eilte zum Dachfenster und lies sie herein. Eine nach der anderen schlüpfte durch die Öffnung auf die Fensterbank. Friedlich blickten sie mich an und warteten. Ich strich jeder der vier Tauben über die Federn und massierte mit meinen Fingerspitzen leicht ihren Kopf. Gedankenverloren streute ich einige Körner auf das Holz. Wann war ich eigentlich eingeschlafen? Es musste passiert sein nachdem ich mich hier oben eingeschlossen hatte. Ich war sehr müde gewesen, weshalb wusste ich auch nicht. Dorie, die die Lieblingstaube meiner Mum gewesen war, pickte einige Körner von meiner Hand auf. Ihre Federn waren schneeweiß und man konnte sie auf den Arm nehmen, denn sie war ganz ruhig. „Wenn ich eines Tages nicht mehr da bin, dann pass auf die Tauben auf, Ely" , hatte meine Mum  einige Monate vor dem schlimmen Vorfall zu mir gesagt. Es war ein sonniger Tag gewesen und wir hatten den Tauben zusammen zu Essen gegeben und Ennies Fuß verarztet.  „Du darfst sie niemals gehen lassen, du musst dich um sie kümmern." Sie hatte mir über mein blondes Haar gestrichen und zum offenen Fenster herausgeschaut. 

Ich setzte Dorie wieder auf den Vorsprung und schloss das Fenster. Es wurde bald Herbst und der kalte Wind lies mich frösteln.


Mich würde es sehr freuen wenn ihr Feedback in den Kommentaren dalasst :)

Lg Becci

FederflüsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt