Kapitel 3

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Kilian stand einige Zeit im Garten, den Kopf in den Nacken gelegt. Als er bemerkte, dass er mal wieder in der prallen Sonne stand, ging er rein und fragte sich wie das alles sein konnte. Durch Kilians Kopf schossen tausende Fragen. Wieso gab es diese Grenzen? Wie entstanden sie? War das doch eine Folge der Erderwärmung? Wie war es überhaupt möglich, dass diese Grenzen bestehen blieben? Seine Eltern waren bereits drinnen und seine Schwester war mit einigen Freunden am schreiben.
„Hat irgendjemand einen Plan wie sowas entstehen könnte?“, fragte er in die Runde.
„Ich weiß es nicht, aber was ich weiß ist das du das Essen anbrennen gelassen hast.“, erwiderte seine Mutter. „Aber das lassen ich mal durchgehen“, fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.
„Oh, ja, das hatte ich voll vergessen. Tut mir leid.“
„Ist nicht so schlimm. Ich habe das Meiste retten können.“
„Die im Fernsehen meinen, dass das alles mit irgendwelchen Winden in großer Höhe zu tun hat“, schaltete sich nun auch sein Vater ein. Kilian setzte sich neben seinen Vater. Im Fernsehen lief eine Sondersendung über die merkwürdigen Wetterveränderungen weltweit. Weltweit! Das war nicht nur hier so! Auf der ganzen Welt gab es ähnliche Ereignisse!
„… neben den unsichtbaren Mauern, die das Wetter aufhalten, gab oder gibt es immer noch, andere merkwürdige Vorkommnisse. Es entstanden zum Beispiel im Himalaya, aber auch in den Alpen, riesige Tornados. Normalerweise entstehen Tornados auf großen Ebenen oder über dem Meer. Auch diese Stürme werden von Wissenschaftlern auf besonders starke Winde in den oberen Luftschichten zurückgeführt. Bisher ist jedoch unklar wie diese Winde zustande kommen. “ Der Reporter schien selbst von den Ereignissen fasziniert zu sein, was Kilian ein Kichern entlockte.
„Der ist ja wie ein kleines Kind, was Geschenke bekommt. Total aufgeregt.“, lästerte er.
„… wurde heute durch überschwemmte Felder abgelöst. So viel Wasser hat Afrika schon lange nicht mehr abbekommen. Selbst die Sahara ist nicht länger eine kahle, trockene Wüste. Der Sand ist tatsächlich teilweise feucht. Dieser Zustand wird aber vermutlich nicht lange anhalten. Verschiedene Wettermeteorlogen haben, bereits voraus gesagt, dass sich alles über Nacht wieder einpendeln wird und wir morgen mit ganz normalem  Wetter rechnen können.“
Kilians Mutter trat neben das Sofa. „Seht ihr. Nur ein natürliches Phänomen. Morgen ist alles wieder normal. Dann können wir jetzt auch essen.“
Kilian stand wiederstrebend auf und setzte sich an den Küchentisch. Sein Vater folgte ihm.
„Es ist zwar natürlich aber es wird nicht weniger interessant dadurch“, bemerkte Michael.
Lea saß bereits am Tisch und schrieb immer noch mit irgendwem.
„Tust du bitte das Handy weg, Lea!“
„Jaja. Bin ja schon dabei.“ Widerstrebend steckte Lea das Handy in ihre Hosentasche.
Kilian zog den Topf mit Nudeln zu sich heran und schaufelte sich einige Ladungen auf seinen Teller. Auch die Nudeln waren etwas zu lange auf dem Herd gewesen. Sie pappten zusammen und so landeten einige Nudeln mehr als geplant auf seinem Teller. Aber er hatte sowieso viel Hunger.
„Vielfraß!“, kam prompt von seiner Schwester.
„Ich bin im Wachstum.“
„Ja, im Wachstum in die Breite.“
Kilian lächelte seine Schwester an: „Ich will ja mal so werden wie du.“
„Okay das war nicht schlecht.“, gestand sie ein.
Inzwischen hatten sich auch die anderen Nudeln und etwas von dem Gehackten genommen.
„Guten Appetit. “, wünschte ihr Vater.
Sie begannen zu essen und Kilian schaute an seiner Schwester vorbei zum Fenster raus. In der Ferne sah er eine Gewitterfront, die sich langsam nach links schob.
„Das Wetter ist trotzdem merkwürdig. Irgendwie kommt mir das ganz und gar nicht natürlich vor.“
„Naja wir werden ja sehen. Wenn morgen alles normal ist, hatten sie wohl recht. Nur komisch, dass keiner damit gerechnet hat, die wissen doch sonst immer alles.“, bemerkte seine Mutter.
„Gut Leute. Schwafeln bringt aber auch nichts. Gucken wir heute Abend noch einen Film oder musst du jetzt die ganze Zeit Nachrichten gucken?“ Lea schaute ihren Vater fragend an.
„Meinetwegen können wir einen Film gucken aber ja nicht wieder so einen komischen Twilight-Film. Der war so vorhersehbar.“
„Ich wäre für Maze Runner. Ich habe mir heute den neuen zweiten Teil von Lukas ausgeliehen.“, schaltete sich nun auch Kilian ein.
„Okay aber nur wenn ich den Sesselplatz bekomme.“, willigte Lea ein. Ihr Vater nickte.
„Ich muss nochmal hoch an den Computer aber das dürfte nicht lange dauern. Ihr könnt ja schon mal aufräumen und ein paar Chips holen.“
„Jaja du lässt die Kinder arbeiten und drückst dich selbst vor der Arbeit.“
„Wofür bin ich denn der Chef hier?“
„Sicher nicht um dich vor deinen Aufgaben zu drücken.“
Kilian lud sich die letzten Nudeln von seinem Teller auf die Gabel und führte sie zu seinem Mund. Dabei hob er den Kopf und sah, dass es nun auch im Garten angefangen hatte zu schneien. Der Schnee hörte in einer geraden Linie auf wo die eine Front auf die andere traf. Er deutete zum Fenster.
„Das sieht schon witzig aus.“
„Stimmt.“, befand seine Schwester nach einem Blick über die Schulter.
Nach dem Essen räumten Lea und Kilian den Tisch ab und holten Chips und Cola aus dem Keller. Cola war eine Besonderheit für sie, weil ihre Mutter nie welche kauft, da sie die Zähne kaputt macht, wie sie immer zu sagen pflegte. Kilian holte den Film aus seiner Schultasche und legte ihn in den DVD-Player.
„Dad! Kommst du jetzt?“, rief Lea die Treppe hoch.
Ein genervtes „Fünf Minuten!“ kam zurück.
„Ich nehme dich beim Wort.“
Nach zehn Minuten kam er dann wirklich runter und Kilian startete den Film.

Kilian wachte schweißüberströmt auf. Ihm war warm. Sehr warm. Obwohl, Moment, doch nicht. Nur sein Kopf schien zu glühen aber der Rest seines Körpers zitterte vor Kälte. Er schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Der Wecker auf seinem Nachttisch zeigte in rotleuchtenden Zahlen 23:37. Um zehn war er ins Bett gegangen, direkt nachdem der Film zu Ende war. Das war erst eineinhalb Stunden her doch er fühlte sich so fit als ob er Stunden geschlafen hätte. Abgesehen von seinem Kopf natürlich. Der strahlte immer noch Wärme ab wie eine Heizung auf der höchsten Stufe. Zumindest hatte er aufgehört zu zittern. Kilian stemmte sich von seinem Bett hoch und ging zur Tür. Okay, er fühlte sich doch nicht so fit. Seine Beine schmerzten unglaublich. Als hätte er einen Marathon absolviert und nun Muskelkater. Leise öffnete er die Tür und schlich zum Badezimmer. Er wollte die anderen nicht stören, also schaltete er das Licht erst ein als er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Seine Schwester hatte sich schon mal beschwert, dass das Licht unter ihrer Tür durchfällt und sie weckt. Absolut nicht nachvollziehbar. Das bisschen Licht konnte einen doch nicht wecken. Aber so war seine kleine Schwester. Ein bisschen bekloppt in manchen Hinsichten aber trotzdem liebenswürdig. Die Lampe an der Decke besaß noch alte Leuchtstoffröhren und brauchte einige Sekunden bis sie einmal aufblitzte und dann schließlich ganz ansprang. Er ging zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Nach kurzem Zögern steckte Kilian seinen ganzen Kopf unter den Wasserstrahl. Langsam zählte er bis zehn und zog dann schnell seinen Kopf wieder aus dem eiskalten Wasser. Er schüttelte sich und griff nach dem Handtuch neben dem Waschbecken um sich den Kopf trocken zu rubbeln. Während er das tat, betrachtete er sein Spiegelbild. Sein Gesicht war gerötet vor Kälte oder war es immer noch vor Hitze? Die dunkelblonden Haare klebten ihm nass an seiner Stirn und Wasser tropfte auf seine Nase. Er trocknete mit dem Handtuch sein Gesicht und seinen Hals ab. Dann beugte er sich über das Waschbecken und strich sich das Wasser aus den Haaren als er sich wieder aufrichtete, sahen ihn zwei Augen aus dem Spiegel entgegen. Augen die er nicht kannte, die fremd waren. Jedoch saßen sie in seinem Gesicht. Er schaute kurz weg, blinzelte ein paar Mal und schaute erneut in den Spiegel. Immer noch blickten ihm fremde Augen entgegen. Ein rotes und ein eisblaues Auge. Eigentlich sollten sie braun sein, wie die Augen seiner Mutter. Stattdessen hatten sie auch noch zwei andere Farben. Kilian streckte seinen Kopf dichter an den Spiegel und sah sich das rote Auge genauer an. Er entdeckte einen weißen Fleck in der farbigen Iris. Genauso wie bei seinen normalen Augen. Das konnte doch nicht sein. Als hätten seine Augen innerhalb von Sekunden ihre Farbe geändert. Er schloss die Augen und stützte sich auf das Waschbecken. Das Nachdenken fiel ihm schwer und seine Beine schmerzten immer noch. Seinem Kopf ging es inzwischen besser. Er fühlte sich geradezu kühl an. Kilian strich sich die Haare aus der Stirn. Seine Haut war glühendheiß. Also ging es ihm doch nicht besser. Er hatte Fieber und anscheinend halluzinierte er. Noch einmal schaute er in den Spiegel und diesmal waren seine Augen wieder normal. Fieber. Er musste was gegen das Fieber unternehmen. In der Kommode hinter der Badezimmertür  war Paracetamol aber als er sich vom Waschbecken abstieß um sich eine Tablette zu hole, drehte sich alles um ihn und er stürzte zu Boden. Sein Kopf schlug hart auf die Fliesen und Kilian schrie auf. Zumindest versuchte er das, doch aus seinem Mund kam nur ein Stöhnen. Ihm wurde schlecht und er wollte aufzustehen um sich über die Toilette zu beugen, doch er war zu schwach. Keine Kraft war mehr in seinen Armen und Beinen. Kilian legte seinen Kopf auf die Seite und erbrach sich auf die Fliesen. Nie hatte er sich so schlecht gefühlt. Mit einer Drehung des Kopfes wollte er sein Gesicht aus dem Erbrochenen drehen, doch es gelang ihm nicht. Auf halben Weg fiel der Kopf wieder zurück. ´Das kann nicht nur Fieber sein. ´, dachte er sich, ´Ich hab mir irgendwas anderes eingefangen. ´ Er musste Lärm machen. Irgendwie seine Eltern aufmerksam machen. Kilian wollte sich zur Tür drehen doch sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Er versuchte es erneut aber er schaffte es einfach nicht seinen Körper zu bewegen. Plötzlich hörte er im Nebenzimmer einen dumpfen Knall, als wäre etwas Großes umgefallen. Anschließend hörte man ein Würgen und Keuchen. Seiner Schwester schien es genauso wie ihm zu ergehen. Das Würgen und schließlich das Geräusch als sich Lea übergab, nahm Kilian immer dumpfer wahr. Es schien sich von ihm zu entfernen. Langsam immer weiter weg. Ob seine Schwester es schaffte sich zu bewegen? Doch dann wurde ihm klar, dass einfach seine Sinne schwanden und er langsam ohnmächtig wurde. Jetzt legte sich auch langsam ein dunkler Schleier über sein Sichtfeld. Und schließlich driftete er ab, in die gedankenlose Tiefe der Bewusstlosigkeit.

KilianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt