Wir lehnten gegen irgendeinen Shop. Wir saßen am Boden, ich hatte meine Beine ausgestreckt und überkreuzt, die anderen zwei hatten sie angewinkelt, sodass die Leute nicht über ihre Beine steigen musste, wie bei mir. Gregory saß neben Sarah, welche neben mir war. Ich sah mir die Menschen durch meine verdunkelte Sonnenbrille an.
Es war Advent, deshalb trugen alle dicke Mäntel und Hauben, deshalb fielen Gregory mit seinem Rollkragenpullover und Sarah mit ihrer bis zu den Augenbrauen gezogenen Mütze nicht auf. Meine Sonnenbrille ist da etwas auffälliger, aber ich musste sie tragen. Sarahs Körper bewegte sich neben mir und sie lehnte sich an Gregory. Ihr war immer kalt. Ich wickelte meine Lederjacke enger um mich, ich hatte keinen Freund an den ich mich lehnen konnte.
"Au!", stieß auf einmal das Mädchen neben mir aus: "Ich spüre das Glas durch den Pullover." "Ich weiß, ich brauche einen neuen", meinte er und strich über seine Schulter, wo sie noch vor Kurzem lag. Glas stach durch den dicken Stoff und ein bisschen Blut von ihr klebte daran. Ich nahm Sarahs Kopf und zog ihn in meine Richtung, um zu sehen, ob sie stark blutete:" Du blutest nicht stark, keine Sorge", erzählte ich ihr und wischte das Blut von ihrer Stirn weg. Ihre hellgrünen Augen inspizierten mein Gesicht und blieben bei meiner Sonnenbrille hängen, wo sie sich wahrscheinlich selber sah. Ohne ihr Gesicht zu verziehen sprach sie: "Ich blute wieder aus." "Ich weiß, Greg, hast du noch Bandagen?" "Leider nein, aber ich habe ein Taschentuch." Er reichte es mir und sah zu, wie ich ihre schwarze Mütze nach oben zog und die bunt gefärbte Flüssigkeit, die aus ihrem Haaransatz strömte abtupfte. Als ich fertig war, gab ich ihr ein Küsschen auf ihre durchgesogene Bandage am Kopf und zog die Mütze wieder drüber.
"Danke", sagte sie und lächelte. "Kein Problem", meinte ich und lächelte zurück. Auf Außenstehende müssen wie sehr eigenartig werden. Ein Junge mit braunen Haaren und blauen Augen hat Glassplitter aus der Schulter stecken, ein Mädchen mit wild gelockten Haaren hat ihre Haube bis zu ihren Augenbrauen nach unten gezogen, um eine Wunde aus der eine bunte Flüssigkeit austritt zu verstecken. Neben ich saß ich mit roten, langen Haaren und einer schwarzen Sonnenbrille im Dezember, denn darunter waren meine Augen schwarz. Und der Grund für all dies?
Vor nicht all zu langer Zeit waren wir alle ganz normal und waren gut befreundet. Ich hatte Depressionen und eines Tages nahm ich mir das Leben und als Sarah erfahren hatte, dass man meinen Körper in meinem Zimmer von der Decke hängend gefunden hatte, schlitzte sie sich die Pulsadern auf. Ihre Narben sieht man noch. Gregory, der nun seine zwei besten Freunde verloren hatte, trank zu viel und starb im Krankenhaus an einer Alkoholvergiftung. Da wirft sich aber eine Frage auf; warum sind wir noch da?
Das genau wissen wir selber nicht. Meine Theorie ist aber, dass wir unser alltagstaugliche Ich getötet haben, aber nicht unser "echtes" Ich. Sarah war nur froh, dass ich noch "lebte", während Gregory meine These verwarf und meinte "dass Gott ein Arsch ist und uns einfach hasst". Es ist ja egal, wie das passiert ist.
Als meine Familie mich nach meinen Selbstmord am nächsten Morgen in der Küche antrafen, nannten sie mich einen Dämon und sagten ich soll verschwinden, also ging ich einfach. Ich dachte, dass ich es einfach nochmal beenden könnte ich lag in meinen dünnen Klamotten im Schnee, sodass ich erfror, aber nach drei Tagen im Schnee, ohne mich zu bewegen und ohne nur einen Tropfen Wasser zu mir genommen zu haben, merkte ich, dass ich einfach nicht mehr sterben konnte (ja, ich weiß, dass das sehr ironisch ist, danke).
Bei Sarah war es aber noch schlimmer. Sie wachte wieder auf, als sie gerade im Krankenwagen war und die Ärzte versorgte die klaffende Wunde an ihrer Stirn. Doch sie tropfte weiter und weiter und irgendwann merkten sie, dass die herausfließende nicht Blut war, also wurde sie ins Labor gesteckt und untersucht, bis sie es nicht mehr aushielt und flüchtete.
Gregory erwachte im Keller des Krankenhaus, im Leichensaal. Er merkte, dass sein ganzer Oberkörper aus zersplitternden Glas bestand und noch im blauen, nach hinten geöffneten Mantel sprintete er nach draußen, wo er auf Sarah während ihrem Fluchtversuch traf. Greg ging nicht zu seiner Familie, da sie weit weg vom Krankenhaus wohnen. Ah ja, mich fanden die zwei im Schnee begraben (ich wohne nicht weit weg vom Krankenhaus) und nach der Realisation, dass wir eh nicht sterben können, lebten wir von nun an auf der Straße.
Ich schaute auf Greg und Sarah und küssten sich. "Wisst ihr was", sagte ich und die beiden schauten mich an: "Ich werde mir jetzt jemanden aufreißen." Ich stand auf. Gregory war dagegen:" Nein! Das tust du nicht!?" Er wäre fast aufgestanden: "Ich kann eh nicht sterben! Du konntest mir sowieso nie sagen, was ich zu tun und zu lassen habe." Ich zeigte ihm die Zunge und schaute Sarah an. Sie sprach nur:" Pass auf dich auf." "Du kennst mich", sagte ich und drehte mich um: " Werde ich nicht", und ging verloren in der Menschenmenge.
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Dead flowers can't bloom
Teen FictionSelbstmord, das habe ich gemacht sagten sie, aber erklären warum ich noch immer da bin, das konnten sie nicht. Warum ich alles wollte, war für sie unerklärlich.