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Als ich wieder die Augen öffnete, strahlte er mir seine Helligkeit entgegen, aber nicht so wie die Sonne. Erträglich. Weiß und wunderschön. Die Schönheit der Natur. Warum haben die Leute Angst vor ihm? Warum verstecken sie sich vor ihm?
,,Du bist so wunderschön...", sprach ich zum Vollmond.
Du hältst mich jetzt ebenfalls für verrückt, oder? Ich spreche zu einem Mond, werde angezogen. Aber das ist nunmal so.
Ich schloss die Augen wieder, genoss das helle Licht im inneren Auge und fuhr mit der Hand über das trockene Gras. Ich liebte diese Nächte. Wenn es still ist, man entspannt auf der weiten Wiese liegen kann und man den Vollmond betrachten konnte. Mein Vater hatte sich zum Glück mal wieder schon um halb elf ins Bett gelegt, also bin ich um Mitternacht raus geschlichen. Wie immer. Meine Schwester hat mal wieder einen hysterischen Aufstand veranstaltet, wegen Vollmond.
,,Scheiße, heute darf ich meine Haare ja gar nicht waschen, jetzt muss ich es morgen tun und muss pünktlich ins Bett gehen und die Rollos runterziehen, sonst werde ich wieder die ganze Nacht nicht schlafen können!" Innerlich verdrehte ich die Augen. Seit irgendein Typ aus Michelles Klasse mal ausführlich von den ,,verbotenen" Dingen, die man nicht bei Vollmond machen sollte, ist sie so hibbelig, wenn er bevorsteht.
Aber das hat mich nur noch mehr neugierig gemacht, was es mit ihm auf sich hat, diesem Vollmond. Also hab ich mich mal eines Nachts rausgeschlichen und habe ihn betrachtet. Seitdem musste ich ihn in jeder Vollmondnacht betrachten.
Er machte mir Hoffnungen, Sachen zu schaffen, gab mir Kraft. An ihm zweifelte ich nie.
Einmal erwischte mein Vater mich, hat mir gedroht, Hausarrest zu bekommen. Aber das war mir egal. Ich war so fixiert...
Von Weitem hörte ich, wie die Autos auf der Autobahn vorbeirauschten. Eine sanfte Brise fuhr durch meine Haare und ich fing an, leicht zu frösteln.
,,Jana?"
Eine scharfe Stimme ließ mich aus meinen Gedanken hochfahren. Wer war das?
Dann hörte ich von hinten dumpfe Schritte im Gras. Ich zuckte zusammen, als eine kalte Hand mich an meiner Jacke packte und unsanft hochzog. Ich drehte meinen Kopf nach hinten und starrte in das wuterfüllte Gesicht meines Vaters.
,,Jetzt reichts, Jana!", brüllte er mir so laut ins Gesicht, dass ich dachte meine Ohren fallen gleich ab.
,,Hab ich dir nicht schon einmal gesagt, du sollst mit dieser Mondbeterei aufhören? Was soll das jetzt? Du bist doch krank im Kopf, ich..."
,,Ich liege doch nur hier draußen, drinnen war mir zu warm...", versuchte ich zu sagen, aber mein Vater ließ mich nicht ausreden.
,,Du brauchst mir keine Entschuldigung zu sagsn, ich weiß die Wahrheit. Mensch, was sollen die Leute von dir denken? Ich bin enttäuscht von dir, vor allrm habe ich dir schon einmal eine Warnung gegeben. Aber du bist irgendwie nicht ganz richtig im Kopf!", brüllte er weiter und ich versuchte, mich aus seinem eisernen Griff zu befreien, doch ohne Erfolg. Verzweifelt starrte ich zum Mond, doch als hätte der die Situation vorausgesehen, verzog er sich gerade hinter einer Wolke. Meine letzte Hoffnung...
,,Du bist psycho im Kopf, das ist es!", sagte mein Vater auf einmal ruhiger, aber mit schadenfroher Stimme und funkelte mich an.
,,Komm rein und leg dich ins Bett. Ich denke mir etwas Feines für dich aus..." Mit diesen Worten schubste er mich in Richtung Haus. Schluchzend hielt ich mir die pochende Schulter. Im Flur begegnete ich Michelle, die mit einem Bademantel dastand und mich anstarrte, als hätte ich gerade einen Mord begangen.
,,Du bist voll psycho..", murmelte sie, während ich an ihr vorbeiging.
,,Halt deine Fresse und hör auf zu spinnen!", zischte ich ihr zu und stapfte die Treppe hinauf in mein Zimmer.

Am nächsten Morgen schlurfte ich in die Küche und wollte mir einen Kakao machen, da fing mich schon mein Vater ab mit einem Strahlen im Gesicht. Bildete ich es mir ein oder war auch etwas Schadenfreude darin?
,,Schön, dass du um kurz vor zwölf auch einmal aufstehst, aber ich hab Neuigkeiten für dich!", rief er und setzte sich auf den Drehhocker. Michelle kam ebenfalls dazu und setzte sich zu ihm. Ich sah ihr an, dass sie Mühe hatte ein Grinsen zu verkneifen. Beide sahen ich an.
,,Was ist denn?", fragte ich genervt und verschränkte die Arme vor der Brust.
Erwartungsvoll sah ich die Beiden an.
,,Nun ja, ich hab etwas Schönes für dich gefunden, wo, naja, man dein Problen behandeln kann.", fing er an.
,,Och keine Therapie oder so ein Scheiß, oder? Aber ich habe kein Problem.", sagte ich bestimmt und wendete mich dem Kühlschrank zu.
,,Nein, aber etwas fiel Besseres! Ein Krankenhaus, so kann man es nennen, aber ein spezielles, wo man sich mit so etwas auskennt, genau!", meinte er und ich starrte ihn, mit der Butter in der Hand, ungläubig an.
,,Ihr wollt mich in die Klapsmühle stecken?" Als ich es aussprach bildeten sich Tränen in meinen Augen. Mein eigener Vater wollte mich in eine Psychiatrie geben? Hatte er sie noch alle?
,,Es wird dir gut tun", meldete sich Michelle sich zu Wort und grinste mich jetzt breit an. Ich schaute zu meinem Vater.
,,Das kannst du nicht machen!", rief ich und fuhr mir aufgewühlt durch die Haare.
,,Michelle hat recht und ja, ich kann so etwas machen, wie gesagt, die werden dort ganz nett zu dir sein, die machen das nicht zum ersten Mal und..."
,,Schieb dir deine Erklärung in den Arsch, ich gehe nicht in die Psychiatrie, ich bin gesund!", schrie ich und kämpfte mit den Tränen.
Er stand auf und packte mich heftig am Arm und drehte ihn leicht nach hinten. Ich schrie wie am Spieß und jetzt liefen mir wirklich Tränen über die Wangen.
,,Du wirst dich jetzt anziehen und deine restlichen Sachen mitnehmen, denn dein Koffer steht schon ferig gepackt im Flur. Ich bringe dich heute noch dahin.", sagte er mit gefährlich leiser Stimme.

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