Kapitel 4

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Mein komplettes Leben schon litt ich unter Selbstzweifeln. Mir wurde ständig gesagt, ich sei hässlich und fett. Von meinem Onkel, von meinem Cousin, von vielen. Selbst meine Mutter hatte schon manches mal so etwas in die Richtung fallen lassen. Und spätestens wenn deine Mutter sowas zu dir sagt, glaubst du es. Es verfolgt dich und bestimmt dein gesamtes Leben. Nach außen hin habe ich immer so getan als würde ich drüber stehen und mir würde das nix ausmachen, aber innerlich litt ich sehr darunter. Ich hatte öfter Albträume und weinte, einfach weil die Worte in meinem Kopf auf Dauerschleife liefen.  Mit der Zeit hatte ich mich aber daran gewöhnt und hatte auch gelernt mit mir selbst klar zu kommen. Klar ich fand mich immer noch nicht hübsch, davon war ich Meilen entfernt, aber ich ließ es nicht mehr an mich heran und lernte, damit zu leben, wie ich war.

Und dann kam dieser eine Tag und all das wurde zerstört. Der ganze Schmerz kam wieder hoch und ließ sich nicht mehr ignorieren. Aber eins nach dem anderen...

Es war an einem Samstag. 16.07. um genau zu sein. Meine Mutter kam zu mir, damit ich auf ihrem Handy das neue Update von WhatsApp installieren konnte. Sie gab mir ihr Handy und ließ mich damit im Wohnzimmer alleine. Ich installierte das Update und scrollte abwesend noch ein bisschen durch ihr WhatsApp. Plötzlich sprang mir jedoch ein Profilbild ins Auge. Moment, das kannte ich doch... natürlich! es war das Profilbild meines besten Freunds. Was schrieb meine Mutter denn mit Kai? Hatten die etwa was am laufen? Ha Spaß. Aber das interessierte mich doch nun wirklich sehr.  Also klickte ich auf den Chat und scrollte durch. Das hätte ich lieber lassen sollen, aber hey! schlauer ist man immer erst hinterher. Denn da las ich einiges, was ganz sicher nicht für meine Ohren/Augen bestimmt war.  

z.B. das:

Mama: Irgendwie müssten wir sie auch mal verkuppeln, hihi.

Kai:  Ja eigentlich schon..

Und dann kam die Nachricht, die mich verletzte und alles wieder veränderte:

Mama: Aber mit wem? Sie hat es natürlich auch nicht so leicht, machen wir uns mal nichts vor, mit ihrer Figur (Sag ihr bloß nicht, dass ich mit dir darüber rede!!! Sehr schwieriges Thema!)

Kai: Ne hatte ich nicht vor...

Und wie recht sie doch damit hatte. Es war ein schwieriges Thema und dass sie jetzt so mit ihm darüber redete, machte es nicht besser! Ganz im Gegenteil! Wie kam sie bloß auf die Idee das mit meinem besten Freund zu bereden?! Das geht niemanden etwas an. Ich meine, ich rede nicht ohne Grund nie darüber. Nicht mal mit Mila oder Lena. Und dass sie wirklich so über mich dachte, bestärkte mich nur mal wieder in meinem Selbstbild. Ich war das fette, hässliche, unwichtige Mädchen mit dem kein Junge was zu tun haben wollte. Ich war diejenige, mit der man zwar immer über Mädchenprobleme als Junge reden konnte, aber ich war nie das Mädchen, mit dem man je welche haben würde. Wie praktisch. Und das Kai so reagierte, verletzte mich auch! Als mein bester Freund hätte er doch wohl was sagen können oder? Also ich verlangte ja nicht gleich von ihm, dass er sagt, ich sei hübsch oder so etwas aber wenigstens so etwas wie "Aber sie hat einen tollen Charakter" oder "Ja aber eigentlich ist sie doch ganz süß" oder irgendwie sowas aber doch nicht einfach nichts. Es kam nichts!! Und hat er es mir erzählt? NEIN! HAT! ER! NICHT! Hätte ich es nicht gelesen, wüsste ich bis heute nicht, dass meine Mutter und anscheinend auch er so über mich dachten. Was sie damit anrichteten, war ihnen wahrscheinlich nicht mal im geringsten klar...

Nachdem ich das alles gelesen hatte, musste ich raus. Keine Ahnung wohin, Hauptsache raus. Und so schnappte ich mir meine Jacke, meine Kopfhörer und verließ mit einem "Ich bin mal weg" das Haus. Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren und ging einfach. Ich wusste nicht wohin mich meine Beine trugen aber das wir auch egal. Irgendwann setzte ich mich auf eine Bank und weinte. Ich wollte eigentlich nicht weinen. Nicht wegen so etwas. Aber die Tränen kamen einfach und so saß ich auf einer Bank am Wegesrand und weinte. Weinte, weil mir mal wieder klar gemacht wurde, dass ich vermutlich doch als einsame Jungfrau in einer 2-Zimmer-Wohnung mit 7 Katzen enden würde. Weil meine Figur nicht passte. Weil ich hässlich und fett war. Weil ich nicht so aussah, wie mich andere gerne hätten. Traurig. Ich wollte auch auf gar keinen Fall, dass irgendjemand davon erfuhr, vor allem nicht Kai und Mama aber irgendwem musste ich davon erzählen. Sonst wär ich noch wahnsinnig geworden. Und so rief ich die erste Person an, die mir in den Sinn kam. Mila.   

"Mila oh mein Gott du wirst es nicht glauben" schniefte ich ins Telefon. "HÄ was denn los?" "Mama hat mit Kai geschrieben. Und das nicht nur einmal. Und was für Themen die hatten, du wirst es nicht glauben. Ich bin komplett fertig..." fing ich an zu erzählen. "Ganz ruhig! Jetzt beruhig dich erstmal und dann erzählst du mir was Kai mit deiner Mutter zu tun hat. Also auch wenn ich noch nichts weiter weiß, klingt für mich trotzdem jetzt schon bisschen creepy. Heimliche Affäre oder was?!" Sofort musste ich ein klein wenig lachen wegen Mila. Sie wusste einfach wie sie mich zum lachen brachte, auch wenn sie es die meiste Zeit wohl unbeabsichtigt tat und einfach war wie sie war.... Damit sie aber wusste worum es ging, schickte ich ihr als erstes die Bilder vom Chat (die ich natürlich noch heimlich gemacht hatte, wofür keine Ahnung). Sie las sich den Chat durch und dann gings ab. "Alter ist das sein ernst?! Ich meine, von deiner Mutter war das auch mal überhaupt nicht okay aber so sind Mütter. Die kennen keine Grenzen. Aber was geht denn bitte bei Kai? Hat er sie noch alle?! Mensch Respekt also der Preis des dreistesten Freunds des Jahres geht definitiv an ihn. Was denkt er sich denn? Anstatt, dass er da mal was sagt oder es dir erzählt, nö ich mach mal ein auf Geheimnis. Alter ich komm voll nicht drauf klar..." So ging das eine ganze Weile und ich war froh, dass Mila mich nicht fragte, wie es mir damit ging. (Es ging mir beschissen) Denn da wollte ich gerade echt nicht mehr drüber nachdenken. "Aber Leah bitte tu mir einen Gefallen! Bitte schäm dich jetzt nicht für das was du bist und wie du aussiehst! Du bist so ein toller Mensch, egal wie du aussiehst. Wobei ich bemerken muss, dass du definitiv nicht so aussiehst, wie sie es hier gerade hinstellen. Aber du hast einen so tollen Charakter, mit dir kann man über alles reden und du bist so witzig. Du hast eine so tolle Einstellung und ich liebe dich so wie du bist, das weißt du oder?" Bei diesen Worten musste ich gleich wieder weinen, diesmal jedoch aus Freude. Genau das war es, was ich in diesem Moment gebraucht hatte. Auch wenn ich ihr nur die Hälfte glaubte, (was aber an mir lag und nicht daran, dass sie lügt, wenn ihr versteht was ich meine) machte es meine Laune doch um einiges besser. "Ja Mila ich weiß aber vielen Dank! das weiß ich wirklich sehr zu schätzen, auch wenn es mir gerade sehr schwer fällt, das zu glauben. Aber danke.." Damit verabschiedete ich mich von ihr, denn jetzt musste ich noch ein wenig alleine sein und nachdenken. Also lief ich weiter und weiter und weiter... meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um die Worte, die gefallen waren und wie ich mich jetzt gegenüber Kai verhalten sollte. Sollte ich weiter machen wie bisher oder doch lieber Abstand halten? Ich wusste es nicht... Und auch die Sache mit Julian schwirrte plötzlich wieder in meinem Kopf. Wenn ich doch so hässlich war, wieso hatte er dann mir dieses Angebot gemacht? Alle meine Freundinnen, die er auch kannte, waren um einiges schöner als ich. Also warum ich? Ich verstand es nicht...

Weil ich soviel nachdachte, merkte ich gar nicht, dass ich in der Zwischenzeit schon 7 km gelaufen war und ich mich wieder auf dem Nachhauseweg befand. Anscheinend wollte mein Unterbewusstsein mir mitteilen, dass es auch nichts brachte, weg zu laufen. Also lief ich weiter und kam wenig später zu hause an. Kaum war ich im Haus, fing meine Mutter an zu reden "Sag mal unsere Tochter kommt wohl gar nicht mehr nach hau-.." Sie stoppte, als sie bemerkte, dass ich es war und nicht mein Vater. Sie guckte mich fragend an, aber ich hatte immer noch keine Lust mit ihr zu reden. Also sagte ich nur "Ich war bisschen spazieren" "Spazieren? Seit wann gehst DU denn spazieren? Also ich meine, laufen ist ja sonst nicht so dein Ding?!" Autsch, der hatte gesessen. Aber ich ignorierte es einfach und ging die Treppe rauf in mein Zimmer. Dort setzte ich mich an meinen Schreibtisch und machte noch Sachen für die Schule. Ich brauchte einfach Beschäftigungen, um nicht wieder anzufangen mit nachdenken. Also machte ich den ganzen restlichen Tag irgendwelche Scheiße. Am Abend aß ich dann alleine in meinem Zimmer nur um meiner Mutter nicht zu begegnen. Und auch Kai schrieb ich den ganzen Tag nicht. Genaugenommen schrieb ich ihm das ganze Wochenende nicht. Und auch in der folgenden Woche hörte er kein einziges Wort von mir... Und das war erst der Anfang...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 30, 2016 ⏰

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