Kapitel 64

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Amélies Sicht:

"And you bless me with the best gift
That I've ever known
You give me purpose everyday.
You give me purpose in every way."

Justins Stimme hörte sich leise, zerbrechlich und weinerlich an, während er die kleine Hand unserer Tochter festhielt. Ich schaute ihn an, weil er für unsere Tochter sang - den Song, der ihm am meisten bedeutete. Aber ich konnte meine Augen nicht von ihm lösen, weil er Tränen in den Augen hatte. Unendlich viele, die nach und nach über seine Wangen liefen und sich irgendwann zu einem kleinen Wasserfall vereinten.

„You are me everything."

Er sang den letzten Satz seines Songs mit so viel Gefühl, dass auch mir noch mehr Tränen in die Augen schossen. Es zerstörte uns Beide jede Sekunde mehr, dass Joy von Maschinen am Leben gehalten wurde. In ihrem Mund steckte ein Schlauch, der seitlich befestigt war. Es brach mir das Herz, dass sie einen Schlauch in ihrer Luftröhre hatte, durch den sie beatmet wurde. Ihr Kopf war mit einem weißen Verband umwickelt. Mir wurde übel, Justin hatte begonnen zu schweigen. Stattdessen hörte ich ihn leise schluchzen.

„Bitte Prinzessin... du musst aufwachen", hauchte er kaum hörbar.

Er griff nach meiner Hand, hielt aber mit der rechten Hand immer noch die Hand unserer Tochter fest. In ihrem Handrücken steckte eine Nadel und von dieser Kanüle aus, konnte man einem dünnen Schlauch zum Tropf folgen. Außerdem war sie an einem Gerät angeschlossen, mit dem man ihren Herzschlag nachvollziehen konnte.

„Ich kann das nicht", schluchzte ich aufgebracht. Justin nahm mich in den Arm und löste das erste Mal, seit wir in diesem Raum waren, seine Hand von Joys.

„Du bist stark, Amélie. WIR sind stark", flüsterte Justin leise in mein Ohr. Er küsste meine Wange und schaute mir tief in die Augen. Seine Hand glitt über meine, von Tränen genässte, Haut. Ich konnte nicht sagen, wie lange wir hier saßen, doch inzwischen war es draußen dunkel und mir fielen die Augen zu. Ab und zu kippte mein Kopf auf die Schulter von Justin und er hielt mich auch einfach fest, aber ich erinnerte mich immer wieder daran, dass ich wegen Joy wach bleiben musste und richtete mich wieder auf.

Irgendwann verschwand Justin ohne ein Wort zu sagen. Ich bekam schon fast Panik, als er zehn Minuten später mit zwei Bechern zurückkam.

„Ich hoffe der Kaffee aus den Automaten tut seinen Zweck", murmelte er, bevor er mir den Kaffee in die Hand drückte.

„Danke."

„Amélie, ich möchte dich echt nicht alleine lassen, aber... ich muss mit meiner Mum reden und mit Scooter. Denise und Za müssen auch Bescheid wissen, ich... ich übernehme das. Bleib du hier und sei stark, ich werde alle informieren", flüsterte er mit sanfter Stimme. „Außer, du willst nicht alleine bleiben?"

„Ich will nicht, dass du gehst. Aber... unsere Familie und Freunde müssen es wissen und ... ich kann nicht darüber reden, ich..." Sofort fing ich wieder an zu heulen, während Justin versuchte stark zu sein. Innerlich war er zerbrochen, dass sah ich an seinen Augen. Doch äußerlich war er stets der Kämpfer.

„Ich mach das, Amélie. Wenn irgendwas ist, dann ruf mich an und ich bin in wenigen Minuten hier. Und ich lie... sei stark."

Ich wusste, welche drei Worte er eigentlich aussprechen wollte, doch er hatte es nicht getan und dafür war ich ihm dankbar. Gerade war nicht der richtige Moment dafür, um über unsere Gefühle zu sprechen.

„Pass auf dich auf, Justin."

Ich hatte es noch nicht einmal ausgesprochen, da legte er seine Lippen auf meine Stirn und berührte meine Haut nur ganz sanft. Ich schloss meine Augen und genoss dieses Gefühl der Vertrautheit, welches durch meinen Körper strömte. Er ruhte noch einen kleinen Moment kurz vor meiner Haut, die sich aufgrund seiner Nähe erhitzte. Dann wandte er sich ab, schaute noch einmal unsere Tochter an und verschwand aus dem Zimmer.

Life is like a book. (LILAD #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt