Von zerrissenen Strumpfhosen und Weihrauch

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Last Christmas I gave you my heart But the very next day you gave it away. This year To save me from tears I'll give it to someone special!

Tannenbaumkugeln zerbrachen klirrend auf dem Boden, der Duft von angebrannten Plätzchen verbreitete sich in jedem Raum, Staub wirbelte herum, der Boden glitzerte und in all dem Chaos saß eine kleine Blondine mit einer Tasse heißen Schokolade in der Hand die mit vollem Inbrunst, aber leider schrecklich schief und falsch irgendwelche Weihnachtslieder sang. Sie ignorierte gewissenhaft das immer lauter an ihre Tür geklopfe und drehte als Gegenantwort ihr Musik nur weiter auf. Das kurz darauf klingelte Telefon verlor sein Leben in einer mit Wasser gefüllten Gießkanne.

I just want you for my own
More than you could ever know
Make my wish come true
All I want for Christmas is you

Die Blondine griff mit der linken Hand nach einem Besenstiel, Bereit für das große Finale. ,,All I want for Christmas is you, you Baby!" Während wegen dem schrecklich schiefen Ton die Fensterscheiben und Gläser das fürchten lernten tanzte das Blondi munter weiter durch seine Wohnung und missbrauchte den Besenstiel als Strippstange. Und dann tat es das, wofür es anschließend berühmt wurde: Es sang schrecklich schief
O Tannenbaum, drehte sich dreimal um sich selbst, nur um anschließend mit einem lauten krachen im Wohnzimmerschrank zu Landen. Während seine innere Stimme Gisela sich in ihrem Kopf totlachte, fischte sie ihr Handy aus ihrer Hosentasche um ihren Freund Christian anzurufen. Der kam wenig später und schaffte es, vor lachen fast aus dem Fenster zu fliegen. ,,Oh mein Gott Kathi, was hast du gemacht?!", hatte er fassungslos gerufen während ihm Lachtränen die Wange herunter liefen. ,,Ich bin unschuldig!", hatte seine Freundin geantwortet. Darauf hin hatte der junge Mann so laut zu lachen begonnen, dass es schon wieder an der Tür klingelte und klopfte. In diesem Moment bemerkte er auch die laute Weihnachtsmusik die im Hintergrund dudelte. Er warf einen Blick auf die Uhr, Sekunden später hatte er noch lauter gelacht. Es war drei Uhr nachts und seine Freundin lag in einem Wohnzimmerschrank. Daraufhin grölte er vor lachen und hiefte seine Freundin aus dem Schrank, die von oben bis unten voller Scherben war. Er hatte sie nur tadelnd angesehen und machte sich dann mit ihr auf den Weg ins Krankenhaus. So kam es, dass er mit einer kleinen Blondine, an einem Heiligabend morgen im Krankenhaus war...

Christian klappte seinen Laptop zu. ,,Das glaubt mir keiner!", kicherte er. Ich sah ihn böse an. ,,Mach dich nur lustig über mich!" ,,Das muss man für die Nachwelt aufheben!" Ich schenkte ihm den Killerblick und nahm mir ein Karamellbonbon aus der Schale die bei Christian auf dem Couchtisch stand. ,,Freut mich, dass mein tragisches Leben dir so viel Freude bereitet!" Der Sarkasmus in meiner Stimme war nicht zu übersehen. Mein Lehrer sagte immer, er hatte selten jemand gesehen der sich in Sachen Fremdsprache so dumm anstellte wie ich. Aber ich wusste gar nicht was er hatte. Ich sprach fließend ironisch und sarkastisch! Das waren doch auch Sprachen und da mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung keinen Sarkasmus und auch keine Ironie verstand, waren das durchaus Fremdsprachen!
,,Ach Kathi, ich würde liebend gerne in deiner ganzen Wohnung Kameras aufstellen. Ich bin mir sicher, dass das Hollywoodreif ist!"
Fassungslos sah ich ihn an. Er wollte mich Filmen und das dann nach Hollywood schicken! ,,Du wirst berühmt Kathi!", kicherte Chris begeistert. Auch das nervige Etwas namens Gisela lachte. ,,Ich bin mir sicher, dass Hollywood noch nie so jemanden wie dich gesehen hat!" ,,Wie meinst du das?", fragte ich misstrauisch. ,,Na, du bist so tollpatschig, fliegst dauernd auf die Fresse und vergisst alles. Sowas gibt's nur einmal!" ,,Fick dich!", zischte ich und natürlich nicht in Gedanken. ,,Nene, lieber dich!", antwortete Chris lachend und ich sah ihn böse an. ,,Ihr wollt mich doch echt alle verarschen!", antwortete ich beleidigt, musste aber selber lachen.
Wenig später machten wir uns fertig um in die Kirche zu gehen. Trotz lautstarkem Protest von ihrem Sohn schleiften seine Eltern ihn in die Kirche. ,,Ich hasse es!", brummte er während er eine einfache Jeans aus seinem Kleiderschrank zog. Ich summte gut gelaunt irgendwelche Weihnachtslieder vor mich her und quälte mich in eine Strumpfhose. ,,Ich auch!", jammerte ich und zog die Strumpfhose wieder aus, die mal wieder eine Laufmasche hatte. Stöhnend nahm ich mir die nächste, musste sie aber wieder ausziehen da auch sie eine Laufmasche hatte. ,,Was soll das denn?!", fragte ich genervt und nahm mir die nächste. Und, man sollte es kaum glauben, auch die hatte eine Laufmasche. ,,Das darf doch nicht wahr sein!" Genervt schleuderte ich die kaputten Strumpfhosen auf den Boden und packte die nächste aus. Natürlich, wie konnte es auch anders sein, sie riss auch. ,,Verdammt noch mal!" ,,Sag mal kann man dir helfen?", fragte Chris belustigt. ,,Mir kann man nicht mehr helfen!", brummte ich, drückte ihm aber die nächste Strumpfhose in die Hand. ,,Fuß hoch.", ordnete mein Freund an und ich tat wie mir genießen. ,,Nicht mal in der Lage sich anzuziehen!", kicherte Chris und zog die Strumpfhose nach oben. Es machte ratsch und auch sie war durch. ,,Was hast du gesagt?", fragte ich lachend und er streckte mir die Zunge raus. ,,Ich hab halt nur eine Hand!", gab ich zurück und drückte ihm schmunzelnd die nächste in die Hand. Ich glaubte ich musste nicht sagen was mal wieder passierte. ,,Was sind das Strumpfhosen?!", fragte Chris und schmiss die nächste weg. ,,Ich glaub die haben was gegen mich!", antwortete ich kichernd. Er nahm sich die nächste und ich schmiss mich fast weg als die auch riss. ,,Das reicht!" Chris nahm alle meine Strumpfhosen und schmiss sie im hohen Bogen in den Mülleimer. Auch die, die uns noch gar nicht geärgert haben. ,,Ich hab keinen Bock mehr, du ziehst 'ne Leggins an!" Damit zog er eine schwarze Leggins aus meinem Schrank und zog sie mir anschließend an. Ich drehte mich einmal und ratsch jetzt war auch die im Eimer.
,,Ich.
Fass.
Es.
Nicht."
Chris donnerte auch die Leggins in die Tonne. ,,Hier, probier die!" Er hielt mir eine dicke Thermoleggins hin, die hielt. ,,Na also, geht doch.", sagte er zufrieden. Er hielt mir noch meinen Mantel hin und griff dann nach meiner Hand. ,,Können wir?" ,,Jap."
Wir holten seine Eltern ab und machten uns auf den Weg in die Kirche. Mit einem Kuss verabschiedete ich mich eilig von Chris und ging in die Sakrestei um mich umzuziehen. Ich war stolze Ministrantin was hieß, ich war eine dieser in weiß gekleideten Menschen die in der katholischen Kirche neben dem Pfarrer standen und ihm dienten. Zusätzlich hatten wir Heiligabend, was ein Hochfest war. Wir zogen also nicht wie normal nur mit zwei Kerzen in der Hand ein, sondern mit Kreuz, vier Fahnen und meinem Baby, dem Weihrauch. Der Sinn von Weihrauch war ja eigentlich für ein leicht berauschendes, angenehmes Gefühl sein und sollte den Gottesdienst mit einem guten Geruch unterstreichen aber mein Kumpel und ich hatten andere Pläne. ,,Wie immer?", fragte er als er kurz nach mir in der Sakrestei auftauchte. ,,Wie immer.", antwortete ich mit einem verschwörerischen Zwinkern. Wie immer hieß bei uns, versuchen so viele Leute wie möglich mit unserem geliebten Weihrauch umzuhauen. Wir hatten sogar eine Liste angefertigt auf der stand, wie viele Punkte uns ein Kirchenbesucher wert war. Ein Kind war uns zehn Punkte wert, ein erwachsener zwanzig, ein alter dreißig und der Oranganist auch. Ministranten gaben vierzig Punkte und der Pfarrer war der Highscore. Fünfzig Punkte.
Drei Minuten vor Beginn des Gottesdienstes machten wir unsere Kohle warm und zogen dann ein. Oben bekamen wir vom Pfarrer zwei Löffel Weihrauchkörner eingelegt und grinsten uns an. Wir drehten uns um und hinter dem Rücken von allen legten wir kichernd sieben Löffel nach. Augenblicklich begann es stark zu rauchen und unschuldig lächelnd setzten wir uns auf unsere Plätze.
,,Entschuldigung?" Unser Pfarrer drehte sich zu mir. ,,Könnten Sie sich bitte mit dem Weihrauch umsetzen? Ich bin allergisch dagegen." Breiter grinsend als diese Cheshired cat nickte ich und begab mich auf einen anderen Platzt. Tobias, mein Kumpel mit dem ich Weihrauch machte, sah aus als würde er sich gleich in die Hose machen vor lachen. Er grinste mich mit dem 'Runde geht an dich!'-Blick an und mein grinsen ging weiter als meine Ohren. Wir hatten vor dem Gottesdienst gewettet wie lange es dauern würde, bis ich mich umsetzten musste. Er hatte mir zehn Minuten gegeben, ich hatte geht, dass ich noch mitten im ersten Lied verscheucht werden würde. Und ich hatte recht.
Jetzt gibt's Schokolade!, dachte ich lachend. Plötzlich aber bekam ich von rechts einen Ellenbogen in die Rippen. Fragend sah ich einen meiner Ministranten an der breit grinsend auf unseren Pfarrer zeigte. Der hatte einen hochroten Kopf. Aber dann begann er langsam nach vorne und hinten zu schaukeln. Und dann passierte das, was ich mir nicht mal erträumt hätte: Es gab einen schlag und ich konnte fünfzig Punkte auf meine 'Personen die dank meinem weihrauch flachgelegt wurden'-Liste schreiben.
Jackpot!

Ich kam, sah und vergaß was ich wollteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt