1. Kapitel: Luna

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DÖÖT DÖÖT DÖÖT DÖÖT!!! Mein Wecker ließ mich hysterisch um mich schlagen, nur damit ich ihn eh wieder ausschaltete. Ich blinzelte, es war Mittwoch und einfach alles war eingeschneit. Nicht mal der Streuner, der immer vor meiner Haustür saß, schaffte es mehr sich einen Weg durch den Schnee zu bahnen. Er hatte es sich nun in einer lehrstehenden Garage gemütlich gemacht, von der er mich nun immer am Fenster beobachtete. Eigentlich vermisste ich den kleinen Hund sogar, obwohl er mich früher immer mit seinem Jaulen genervt hatte, wäre es jetzt schön, jemanden an meiner Seite zu haben, der mir bei meinen Albträumen beisteht. Letzte Woche hatte ich mir eine Kugel eingefangen, für eine Frau die ich nicht einmal kannte. Die Waffe wurde von einem Mädchen abgefeuert, einem Kind, vielleicht 11 oder 12 Jahre... Die Polizei erzählte mir, es wäre ein betrunkener Mann gewesen, der schon vorher geplant hatte einen Menschen zu verletzen. "Lustig, da ich ja in dieser Nacht selbst betrunken gewesen war.", dachte ich mir und würde mich am liebsten selber dafür schlagen, dass ich meine Probleme immer in Alkohol ertränken wollte. An dem Abend war ich allein unterwegs gewesen, ich war nicht mal in einen Club oder in eine Bar gegangen, ich war einfach in den Straßen der Stadt herumgeirrt, ohne Ziel und ohne Plan. So wie ich es immer tat, seitdem ich meinen Bruder hatte sterben lassen...
Jetzt viel der Schnee wie Puderzucker auf mein Fensterbrett und erinnerte mich an die Kälte, die ich gespürt hatte als die Kugel sich in meine Brust gebohrt hatte. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass der Schuss mich nicht getötet, geschweige denn dass ein Kind ihn abgefeuert haben sollte. Diese ganze Nacht allgemein kam mir wie ein Traum oder eine unvollständige Erinnerung vor, was ich allerdings auf meinen Rausch schob. Und was war danach eigentlich mit Ally passiert? Auch da stimmten die Aussagen der Polizei nicht mit meinen überein. „Es gibt keine weiteren Zeugen! Oder was meinst du hmm? Sei froh das ich dich nicht einsperre weil du überhaupt noch unterwegs warst!", hatte der meiner Meinung nach zu dicke Wachtmeister zu mir gesagt, war in seinen Wagen gestiegen und mit sonst was um die Ecke gefahren. Ich stellte ihn mir immer vor, wie er schön nach dem Klischee ein paar Donuts verdrückte. Aber ich wusste nicht was er im Dienst tat. Er kannte mich einfach schon, deshalb konnte ich ihn nicht leiden.
Trotzdessen... war mir da etwas aufgefallen, das unüblich für ihn schien. Zu dem Zeitpunkt als er mir beschrieben hatte, was geschehen war, war sein Blick kühl geworden. Nicht wie wenn man gestresst, verletzt oder traurig ist. Auf eine Weise, als hätte er nicht selbst bestimmt was er dort redete. Mich schauderte es, als ich erneut an das Mädchen denken musste... und in diesem Moment viel es mir auf.
In der Nacht, als Ally fast gestorben wäre, hatte das Mädchen etwas gesagt: „ ... , schau mir einfach in die Augen und wir kommen der Sache schon näher."
Nachdenklich runzelte ich die Stirn... Was hatte sie wohl damit gemeint? Verblüfft von einem seltsamen Gefühl das in mir aufstieg, schüttelte ich den Kopf. Nein, das kann nicht sein, dachte ich mir und stand endlich auf. Ich hatte ganz vergessen dass da noch ein ganzer Tag auf mich wartete. Ich schaute auf die Uhr und bekam beinahe einen Herzimpfakt. WAS?! SCHON 20? Schnell huschte ich ins Bad, zog mir danach einen Pulli, dann eine meiner gemusterten Hosen an. Ich hatte keine Zeit mehr für irgendetwas anderes. Ein kurzer Blick in den Spiegel genügte schon um zu wissen, das heute nicht mein Tag war. Das merkte man auch schon daran, dass ich den Bus nur knapp schaffte.
Der Schnee lag so hoch, dass es mir schwerviel einen Schritt zu tun. Ich war nicht einmal sonderlich klein, dass meine Knie im weißen versinken konnten, dennoch auch nicht sonderlich groß, so wie Kennen.
Erst als ich durchnässt in den Bus stieg und Gott sei Dank einen Sitzplatz ergattert hatte, schaffte ich es mich zu beruhigen. Ich habe Stress schon immer gehasst, so auch diejenigen die ihn verursachten. Wieso wunderte ich mich nochmal dass meine Lehrer mich nie bevorzugten oder lobten? „Hmpf!", jemand tippte mir auf die Schulter.
Als ich mich launisch zur Seite drehte sah ich Marley- meine beste Freundin die mich angrinste wie ein Honigkuchenpferd.
Ich hatte mit meinem Kopf an der Scheibe gelehnt und mir so wie ich es immer tat die Landschaft angesehen. Weil ich schon auf ihre Predigt über Bakterien und Krankheiten wartete (Marley hatte nämlich einen Putzfimmel) presste ich mich noch enger an die Wand. Stattdessen tat sie etwas was ich nicht erwartet hatte- sie umarmte mich. „Wieso hast du dich nicht bei mir gemeldet?! Ich hab mir doch Sorgen gemacht!", sie drückte mich so fest das ich Probleme hatte zu atmen. „Mann Luna, du kannst doch so nen Scheiß nicht machen! Wir müssen doch noch so viel zusammen unternehmen und erleben!", meine Freundin schien es wenig zu stören das sie nun die Aufmerksamkeit des ganzen Busses auf sich gezogen hatte. So war sie eben, meine Marley. Ich lächelte sie an „Tut mir leid das ich dich nicht zurückgerufen habe, mir ging viel Zuviel durch den Kopf."
„Dummkopf!" lachte sie, sichtlich froh mich wiederzusehen, jetzt musste ich auch grinsen.

Der Tag verlief wie gewohnt, weder fragten mich die Leute wo ich gewesen war, noch wie es mir jetzt ging. Eigentlich fragten mich die Leute niemals etwas. Ich war eine Aussenseiterin, nun, mit Marley an meiner Seite. Meine Marley. Wir waren Freundinnen seit der Kinderzeit und hatten uns noch kein einziges mal gestritten. Manchmal fragte ich mich wie wir dass schafften, denn wir waren komplett verschieden. Sie war ein freundliches, aufgeschlossenes und ehrliches Mädchen, und während sie mit jedem Menschen sofort zurecht zu kommen schien, hatte ich dort meine Probleme. Man hätte meinen können, sie wäre beliebt gewesen oder hätte viele Freunde gehabt, aber sie hielt sich zurück, auch wenn ich nicht wusste wieso. Marley hatte lange Blonde Haare, trug eine Brille und war nicht sonderlich groß. Von weitem sah sie aus wie 12 oder 13. Man hätte sie leicht verwechseln können. Sie besuchte mit mir das letzte Jahr der Highschool, doch sie beteiligte sich nicht immer an der Arbeit. Sie hatte ihrer Meinung nach besseres zu tun, zum Beispiel in ihrem Keller Chemische Experimente oder Reaktionen auszutesten. Während Marley nunmal das tat, hatte mein anderer Freund ein sehr bescheuertes Hobby. Und wenn ich bescheuert sage dann meine ich auch bescheuert. Kennen Huxley schrieb ein Buch über Aliens und Außerirdische Phänomene. Ich wusste nicht ganz was ich davon halten sollte. Auch wenn ich ihn nicht für einen kompletten Vollidioten erklärt hatte, wurde mir nicht bewusst, was er damit erreichen wollte. Die Hälfte hatte er jetzt fertig und verbrachte die meiste Zeit seiner Freizeit mit dem schreiben dieses Buches. "Mein Erlebnis" hieß es und er hatte sich fest vorgenommen es noch nächstes Jahr zu veröffentlichen. Mit einem Grinsen hatte ich ihm viel Glück gewünscht. Er hatte verlegen zur Seite geschaut, sich umgedreht und war gegangen.
Er benahm sich schüchtern und zurückhaltend, wenn er etwas sagen wollte kam es kaum aus seinem Mund. Jedoch.. wenn ich sein Buch las, sprudelte die Inspiration selbst aus ihm heraus. Man könnte meinen er wäre völlig in seinem Element. Gelegentlich... nur gelegentlich erlaubte ich mir ihm Fragen zu stellen. Woher er meinte dass diese Aliens kamen. Was für Beweise es gab, alles in der Richtung eben. Er freute sich dann kurz, wies auf eine Stelle in seinem Buch hin und platzte mit Informationen heraus. Dann bemerkte er dass Zeit vergangen war, entschuldigte sich und wendete sich ab. Er war ein sehr guter Freund, auch wenn ich ihn erst seit 2 Jahren kannte. Mit diesen Gedanken machte ich mich auf den Weg nach Hause.
Ich saß jetzt an meinem Schreibtisch. Die dunkelblaue Lampe flackerte, weil mein Onkel es nicht ganz geschafft hatte die Leitung zu reparieren. Vor mir ausgebreitet hatte ich Bilder von dem angeblichen Täter. Der Täter, der auf mich geschossen haben sollte. Stur wie ich war, fand ich mich mit der Aussage des Polizisten nicht ab. Ich wusste was ich gesehen hatte, was passiert war und ich konnte sogar Namen nennen. Lilith, sie hatten von einer Lilith gesprochen. Als ich den Beamten davon erzählt hatte hatten sie mich nur schief angeschaut und gelacht "Sieh an, jetzt sind es schon Dämonen von denen du erzählst! Wie absurd soll die Geschichte denn noch werden? Willst du noch Einhörner hinzufügen?!" Ich hatte nicht einmal im Ansatz an Lilith, die Dämonenkönigin gedacht. Hätte ich mich nicht informiert, würde ich nicht einmal wissen das es so eine überhaupt gibt. Später jedoch war mir aufgefallen, das noch ein anderes Wort gefallen war: Legion. Auch darüber hatte ich mich schlau gemacht, und tatsächlich... Dämonen. Es schien mir keinen Sinn zu ergeben, das Verhalten der Polizei, dieses Mädchen, Lilith und dieser Legion. Ich glaubte eher daran, dass das Mädchen so eine Art Freak gewesen war, und sich nur in ihrer Fantasie verloren hatte. Ally hatte weiß Gott wieso einfach mitgespielt oder? Etwas anderes kam auch gar nicht in Frage, nicht wahr? Verwirrte Mädchen, die ein Rollenspiel zu weit getrieben hatten. Verloren in ihrer Realität, das musste es sein.

Dreamcatcher (Demons)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt