22. & 23. Juli 2012

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Mein Blick streift Niall. Er hat die Augenbrauen zusammen gezogen und die Stirn gerunzelt. Der Laptop vor ihm ist geöffnet und seine Augen sind fest darauf gerichtet. Das heisst dann wohl nichts Gutes… Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und ziehe die Knie an. Die Bewegung zieht Nialls Aufmerksamkeit auf mich.

„Alles klar?“, fragt er, seine Stimme ist noch ganz rau vom Schlafen, weil wir erst vor ein paar Minuten aufgestanden sind. Gestern Abend sind wir, nachdem wir zu Hause angekommen waren, sofort ins Bett gefallen, weil ich mich so schlecht gefühlt habe. Ni hat mich fest in die Arme genommen, aber ich konnte ihn nicht anschauen. Es war meine Schuld – ich hätte wissen müssen, dass man nicht in die Stadt gehen sollte. Dass es dort Leute gibt, die Niall erkennen könnten.

„Nein“, raune ich und seufze tief. Es entsteht eine kleine Pause, ich höre das Klicken der Computermaus und spüre, wie die Wut auf den Idioten von gestern wieder aufbrodelt. „….Und, wie schlimm ist es?“, frage ich nach einer Weile und hebe endlich meinen Kopf um den Iren anzusehen. Sein Gesicht hat sich nicht verändert und sein Blick trifft meinen sehr träge.

„Sagen wir es so: das Bild ist… angekommen.“ Sein Mund ist zu einer dünnen Linie zusammen gepresst und ich sehe so viele Emotionen hinter seinen Pupillen glitzern… Er dreht den Laptop leicht, sodass ich den Bildschirm sehen kann. Ein Tweet ist geöffnet, in der Beschreibung steht irgendwas von Niall und einer Zahl, darunter ist das Foto von uns zu sehen. Nialls Profil ist vom Blitz erleuchtet, um seine Mundwinkel spielt ein Lächeln. Von mir hingegen sieht man nur die Schulter und ein meine Haare – mein Gesicht liegt ja hauptsächlich hinter dem von Niall versteckt, nur mein Ohr guckt hervor.

„Was schreiben sie“, sage ich und obwohl es eigentlich eine Frage ist, kommt es eher wie eine Aufforderung rüber. Ich muss mich zusammen reissen, dass ich nicht in Tränen ausbreche. Diese ganze Situation ist so absurd und gehört nicht in mein Leben. Aber dennoch… Ich muss es einfach wissen.

„…Es ist egal, Ella“, murmelt Niall und wendet den Laptop hastig von mir ab. Das kann ja heiter werden.

„Raus mit der Sprache!“, flüstere ich und schlinge meine Arme um meine Beine, sodass ich wie eine Kugel da sitze. Nialls Seufzen ist so tief, wie ich es noch nie gehört habe und er wirft mir einen so intensiven Blick zu, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken läuft.

„Das Internet ist voller eifersüchtiger Menschen“, entgegnet er.

„Das ist mir egal. Lies vor“, fordere ich ihn ein drittes Mal auf. „Oder ich lese es selber. Ich richte mir ein verdammtes Twitterkonto dafür ein, wenn du nicht liest.“ Mein Herz trommelt nervös gegen meine Rippen und es schmerzt beinahe, mit dem Kloss im Halse zu schlucken. Nialls Blick ist tonnenschwer und es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis er wie in Zeitlupe seine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm richtet und beginnt zu lesen…

Mit jedem Wort wird seine Stimme dunkler, ich muss die Augen fest zusammen drücken, doch einige Tränen laufen bereits über. Ein Schniefen kommt aus Nialls Richtung, doch er liest weiter. Beleidigungen, Neid, Sorge… Alles kommt vor. Auch ein oder zwei nette Tweets sind dabei, doch deren Bedeutung geht unter dem anderen hoffnungslos unter.

Schon nur nach fünf Minuten sind meine Wangen nass und ein Schluchzen entkommt mir. Ich merke gar nicht, dass Nialls Stimme verstummt ist, bis er mich in die Arme schliesst und mir übers Haar streicht.

„Die meinen das nicht ernst, Ella. Ausserdem erkennt man dich gar nicht. Und sie haben dein wunderschönes Gesicht noch nicht gesehen“, wispert er, doch ich will nicht hinhören, kralle mich in seine Brust. Es sind die schlimmsten paar Sekunden in meinem Leben, alle Worte von den Fans echoen in meinen Gedanken nach.

Track Nr. 13 || n.h.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt