Kapitel 3

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"Elea?", hörte ich Dini fragen.

Inzwischen hatte ich doch einen Fehler an unserem Zimmer gefunden. Die Wand, die das Badezimmer vom Rest des Raumes abtrennte. Sie war nicht schallisoliert. Das hieß: Man hörte alles, was im Badezimmer geschah.

"Ja, was ist?!", rief ich zurück, während ich versuchte, meine Mähne zu bändigen. Nicht, dass meine Haare sonderlich lockig waren, aber sie waren ziemlich dick und vor allem dicht.

"In zehn Minuten ist das Essen und ich will davor auch noch ins Bad!", fügte sie noch mit erhobener Stimme hinzu.

"Ich brauche noch zwei Minuten, dann kannst du rein!", antwortete ich, bevor ich schmerzerfüllt aufschrie. Aua! Knoten. In meinen Haaren. Ich zog die Bürste sehr langsam raus und beschloss, mir lieber einen Zopf zu machen. Das würde schon passen. Ich tuschte noch schnell meine Wimpern, trug ein wenig Puder auf und zog meinen Lippenstift nach, der das einzige auffallende Make-up Produkt war, das ich besaß.

Einigermaßen zufrieden mit meinem Ergebnis, schloss ich die Badezimmertür auf und trat in den Flur.

"Du kannst rein", informierte ich Dini und nahm mein Handy in die Hand.

140 Nachrichten aus fünf Chats. Ich öffnete den Messenger und antwortete, so gut es ging, auf die Nachrichten. Meine Mutter hatte gefragt, ob ich heil angekommen wäre und ich sendete ihr als Antwort ein Bild von einem der nächstgelegenen Wolkenkratzer. Nicht mal mehr ein Jahr und ich würde aus der Schule raus sein. Ich selbst hatte gar nicht bemerkt, dass die Jahre so schnell vorbeigegangen waren. Zehn Jahre - mehr als die Hälfte meines Lebens - war ich schon in der Schule. Ziemlich lange, wenn man bedachte, dass ich bald achtzehn werden würde.

Gedankenversunken starrte ich auf die S-Bahnbrücke, unter der allerlei Menschen hindurchgingen. Es gab so viele Menschen, die man nur einmal im Leben sah und danach nie wieder. Das durfte mir nicht mit Frau Lindner passieren. Niemals! Sie war einfach zu besonders, als dass ich sie einfach gehen lassen konnte.

"Elea? Elea. Elea!", rief Dini nach mir. "Kommst du jetzt?!"

Ach ja Abendessen. Ich verdrehte meine Augen.

"Ja, warte noch kurz", sagte ich, während ich konzentriert in meine Schuhe stieg, ohne umzufallen.

Wir ließen die schwere, graue Tür hinter uns zufallen und meine Gedanken waren schon ganz beim Essen. Was es wohl gab? Aber ich entschied, dass ich nur einen Salat essen würde.

Wir gingen gerade durch eine Glastür, als wir jemanden sahen, der auf den Fahrstuhl wartete. Sie. Mein Puls stieg merklich an und ich bekam Gänsehaut am ganzen Körper. Alles prickelte und ich presste nervös meine Lippen zusammen. Es war anders, in sie verliebt zu sein. Bei den Frauen davor war es nie so intensiv und wunderschön gewesen. Womit hatte ich nur dieses Glück verdient, zwei Wochen lang in ihrer unmittelbaren Nähe zu leben? Wenn mir so etwas passierte, wuchs mein Glaube daran, dass es wohl doch so etwas wie Karma gab und diesmal hatte Karma es verdammt gut mit mir gemeint.

"Warten Sie schon lange?" Manuela brach mit ihrer Frage die Stille zwischen uns.

Meine Lehrerin sah zu ihr und dann zu mir, bevor sie die Frage beantwortete. Ihre kastanienbraunen Augen sahen in meine stahlblauen. Und da war es. Ein Glitzern in ihren Augen. Diesen Ausdruck hatte ich bei ihr noch nie zuvor gesehen. Oder bildete ich mir das gerade nur ein? Vielleicht spielten mir meine Sinne auch einfach nur einen Streich, damit es mir gut ging? Bevor ich jedoch im Strudel meiner Gedanken gefangen werden konnte, fing sie an zu sprechen.

"Noch nicht so lange, aber der kommt sicher gleich", versicherte sie uns und wandte ihren Blick der Aufzugtür zu. Wie sollte ich in diesem kleinen Raum mit ihr zusammen überleben?!

Berlin love [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt