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Anna|2. Kapitel

Ein weiterer Mord erschüttert ganz Großbritannien. In der Nacht vom 8. zum 9. Januar wurde eine weitere Leiche im Middleton Park, in Leeds entdeckt. Den Hinweis gab einer der Anwohner. Die Polizei geht von einem Zusammenhang zu den anderen Morden aus, die sich bereits in den letzten Monaten ereignet haben. Mittlerweile beläuft sich die Zahl der verschwundenen Mädchen auf sieben. Noch immer fehlt jede Spur zum Täter.

Ich stampfe durch den knartschenden Schnee. Die Polizei war heute morgen im Middleton Park und hat die Leiche des blonden Mädchens aufgefunden. In der Schule gab es kein anderes Thema das mich heute durch den Tag gebracht hat. Zum Glück weiß niemand das ich in der Nähe wohne. Ich will nicht darüber reden. Das Gedankenkarussell in meinem Kopf dreht sich unermüdlich. Immer wieder sehe ich das Mädchen auf dem Weg, wie ganz langsam all das Leben aus ihrem Körper rinnt. Unter all dem Schnee klebt immer noch ihr Blut auf dem dreckigen Asphalt. Die Sache ist klar, ich muss es vergessen, die Wahrscheinlichkeit ihn wieder zu sehen ist so gering, eher laufe ich einem anderen Psychopathen über den Weg.

Ich drücke die schwere Eingangstür zum Treppenhaus auf und steige die knarrenden Stufen hoch. Ich liebe den süßlich muffige Geruch des alten Hauses, es erinnert mich an all die Nachmittage, nach dem Kindergarten, mit meiner besten Freundin, Taissa. Ich drücke das Klingelschild herunter. Es sind Schritte auf den Dielen zu hören und dann wird die Tür geöffnet. "Hey", lächelt mich das blonde Mädchen an.
"Hey" Ich klopfe mir den Schnee von den Schuhen und umarme sie.
Taissa wohnt mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung in der Stadt. Ich liebe es hier zu sein, schon als Kind. Es war nie aufgeräumt, das alte Klavier und die Möbel sind ständig mit Büchern bedeckt und auch der Staub schichtet sich. Taissa's Zimmer ist gleich nach dem Bad, das kleinste in der ganzen Wohnung. Den größten Teil nimmt ihr Bett ein. An den Wänden kleben schon immer die Plakate ihrer Lieblingsbands. Und in der Ecke steht ihre über alles geliebte E-Gitarre.

"Wenn ich es heute nicht in der Schule gehört hätte, dann wüsste ich nicht warum du so ein Gesicht ziehst" Taissa krault ihre Katze Socke, am Kopf. "Hast du die Leiche gesehen?" Ich nicke mit klopfenden Herzen. Mir ist als hätte ich ihn schon jetzt verraten und er würde kommen, um mich umzubringen. "Es ist komisch", meint Taissa und ließ Socke von ihrem Schoß springen.
"In den Nachrichten sagen sie, es soll der selbe Mörder sein, der auch die anderen Morde begannen hat. Es gibt Beweise, Augenzeugen und dann wieder nicht. Es ist seltsam.
Die Mädchen sind verschwunden und entweder sind sie es für immer oder es taucht ihre Leiche auf und es fehlen Organe. Aber diesesmal hat er, wenn er es wirklich wieder war, ganz anders gemacht"

Ich sehe Socke dabei zu, wie sie sich auf eine der hohen Kommoden verzieht. Sie mochte es noch nie, berührt zu werden. Wie viele Nachmittage hatten wir damit verbracht, ihr hinterher zu rennen, bis wir es endlich verstanden hatten? Eindeutig zu viele.
"Du meinst, es war ein Plagiator?"
Sie schüttelt mit dem Kopf und fährt sich durch ihre strähnigen Haare. "Ich weiß es nicht aber wenn es so ist, dann wird er dafür sorgen das es alle Welt erfährt. Er ist viel zu stolz"
Ich ziehe eine Augenbraue zur Stirn. "Er bringt Menschen um"
Taissa nickt, "Und entfernt Organe, ehe sie irgendwo wieder auftauchen"
Die Vorstellung, eines der Mädchen zu kennen zwingt mich in einen Zwiespalt. Würde ich wollen, das ihre Leiche, ohne Organe gefunden wird und die Gewissheit wo sie ist oder eine Hoffnung, das sie irgendwo noch lebt, die langsam dafür sorgt das das Herz bricht.

"Was fängt er mit den Organen an?" Die Stimme meiner Freundin holt mich aus meinen Gedanken. Ich weiß es nicht und ich bin mir auch nicht sicher ob ich es wissen möchte. Ich will alles vergessen, den Tag aus meinem Gedächtnis löschen.
"Ich denke, er ist Mediziner" Taissa erreicht Socke und zieht sie von der Kommode herunter. "Mediziner?", fragend sehe ich ihr dabei zu, wie sie versucht die Katze auf ihrem Schoß zu behalten. "Ja, Psychopathen fühlen sich von der Chirurgie angezogen, sie verleiht ihnen Macht und setzt voraus das Entscheidungen getroffen werden, ohne dabei zu fühlen"
Socke mauzt laut. Sie kämpft sich aus Taissa's Armen und verschwindet aus dem Wohnzimmer. Die Blonde atmet hörbar aus, "Es sind organische Trophäen"

Die Vorstellung jemanden umzubringen ist undenkbar.
"Die Phantasie ist der Stuhlgang der Seele" So sagte einer meiner Lehrer immer. Über Phantasien muss man sich keine Gedanken machen, wie komisch sie auch sein mögen. Mit Phantasien kann man Hassgefühle oder Rachebedürfnisse abarbeiten, die dann keine Chance mehr haben, sich in der Realität breit zu machen. Erst wenn aus der Phantasie ein Plan wird oder eine Idee, dann wird es gefährlich. Denn das ist das Signal, das die Gefühle, die man hat, so stark sind, dass man nicht mehr alleine damit fertig wird. Es ist nicht unnormal, solche Phantasien zu haben. Jeder hat schon mal daran gedacht jemanden umzubringen, auf die eine oder andere Art, ob nun durch die eigene Hand oder durch die Hand Gottes.

Mein Handy vibriert. Ich ziehe ich es aus meiner Hosentasche und sehe auf den leuchtenden Bildschirm. Meine Mom ruft mich an.
Ich wische über den Display und halte das Telefon an mein Ohr. "Ja?"
"Anna, wo bist du?", fragt sie, mit einem gewissen harschen Ton, den ich sonst nicht bei ihr kenne.
"Bei Taissa", antworte ich vorsichtig und zog die dünne Haut, meiner Lippe, zwischen meine Zähne.
"Ich will das du nach Hause kommst, sofort und ohne Unwege!"
Jeder hat Angst und niemand, war heute morgen gerne aus dem Haus gegangen. Einige hatten heute ihr Haus auch nicht verlassen. Mal davon abgesehen, dass die Polizei heute morgen fast die ganze Straße abgesperrt hatte. Ich wusste, in welche Sorgen ich meine Mom damit brachte, jetzt nicht Zuhause zu sein.
"Ja, ich komme" Ich drücke sie weg und schiebe mein Handy zurück in die Tasche meiner Hose.
"Mögen mich deine Eltern immernoch nicht?", fragt Taissa, die das Gespräch mit angehört hat. Ich schüttele mit dem Kopf, "Nein das ist es nicht, sie machen sich nur sorgen wegen dem Mord"

"Diesesmal", murmelt das Mädchen neben mir. Meine Eltern haken andauernd auf Taissa herum. Sie können sie nicht akzeptieren und wünschen sich für mich die perfekten Freunde herbei. Jemanden wie Kacey Romero, It-Girls aus meiner Klasse, Leader der Volleyball-Mannschaft und braves Mädchen ihrer Eltern.
Taissa hat nur ihre Mutter, ihren Vater hat sie nie kennengelernt und will ihn auch nicht sehen, ihr Stiefvater ist vor einigen Jahren ausgezogen und ihre Mutter ist so gut wie nie Zuhause. Sie raucht und leidet an Depressionen. Sie scheint der Alptraum aller Eltern zu sein. Dabei ist sie das liebenswürdigste Mädchen das ich jemals kennengelernt habe.
"Ich bringe dich nach Hause, ich will mich später sowieso noch mit Cecilie treffen", meint Taissa und steht mit mir auf. Wir verlasse die Wohnung und fahren mit der Bahn bis zu meiner Haltestelle. Es ist bereits dunkel geworden und die Straßenlaternen sind angesprungen. Es schneit wieder und die letzten Anwohner decken die Windschutzscheibe ihrer Autos ab, um morgen nicht das Eis nicht kratzen zu müssen.

"Ist das der Park?", fragt Taissa aufeinmal. Ich habe mit Absicht nicht hin gesehen und mich mit allem anderen beschäftigt, nur um nicht auf die Mauern neben uns zu achten. Wir stehen vor dem Middleton Park, der seit heute morgen mit dem Flatterband der Polizei abgesperrt ist. Es ist dunkel, etwas weiter, ist schwach das Licht einer Laterne zu sehen. Ich stecke meine kalten Hände in die Jackentaschen und sehe Taissa lächelnd an. "Gehen wir", bitte ich sie.  Ich will hier weg und nicht all die Erinnerungen wieder aufleben lassen. Taissa nimmt einen letzten tiefen Zug von ihrer Zigarette und wirft den letzten Stummel zu Boden. "Nein"

broken heart | zayn malikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt