Last Concert

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Ich höre das Gekreische der Fans. Höre, wie sie meinen Namen rufen.
Ein wohlbekanntes Gefühl macht sich in mir breit: Nervosität, sein Name.
Es sind nur noch wenige Minuten bis zu unserem Auftritt. Dem letzten Auftritt der Black Veil Brides. Das habe ich so geplant.
Meine Freunde und gleichzeitig auch meine Bandkollegen wissen nichts davon. Sie würden mich ohnehin nicht verstehen.

Neben mir trommelt CC nervös mit seinen Schlagzeugstöcken auf der Tischplatte des niedrigen Holztischchens herum, das vor dem Sofa steht, auf dem wir gerade sitzen. Jake und Jinxx stimmen ihre Gitarren. Nur Ash steht an die Wand gelehnt da und sieht mich an.
Er spürt, dass bei mir etwas nicht stimmt. Das weiß ich, denn normalerweise regt er sich vor einem Konzert immer auf, dass ich zu viel rede. Aber heute ist das anders.
Ich habe beschlossen Schluss zu machen, und zwar mit Allem. Da ist mir jetzt gerade nicht nach reden zumute.
Und dass ich nicht rede, ist auch der Grund, warum Ash mich nachdenklich anblickt und die Stirn runzelt.

Das Alles habe ich aus den Augenwinkeln mitbekommen. Nun wende ich meinen Kopf und sehe ihn an. Ich spüre die Blicke mit denen er mich mustert auf meiner Haut brennen und sehe rasch nach unten auf meine Schuhe. Hergott, nochmal!
Ich kann Ash noch nicht einmal ansehen, ohne nicht sofort das Feuer unter meiner Haut zu spüren, das mich beinahe wahnsinnig werden lässt.

Das ist der Grund warum ich beschlossen habe dem Allen heute ein Ende zu bereiten. Ein Jahr lang geht das nun schon so. Anfangs verspürte ich nur eine leichte Nervosität, die mich befiel, sobald Ash in meiner Nähe war.
Aber irgendwann kam auch dieses Kribbeln hinzu, sobald Ash mich ansah oder berührte. Auch, wenn es nur rein zufällig war. Und vor einigen Wochen musste ich mir nun eingestehen, dass ich mich in Ash verliebt hatte.

In Ashley Purdy. Den Typen mit den braunen Augen, der mir vom ersten Blick an sympathisch gewesen war. Mitglied meiner Band und mein bester Freund.

Aber das Schlimme an der Sache ist, dass ich mich eigentlich gar nicht in ihn hätte verlieben dürfen. Ich bin ein Mann, verdammt noch mal!
Damit haue ich mit meiner Faust auf den Tisch, sodass die Gläser klirren und CC erschrocken zusammenzuckt.

"Sorry, ich...war einfach in Gedanken.", murmle ich und werfe einen raschen Blick in Richtung Ash, der langsam auf mich zukommt und sich neben mich auf die Sofalehne setzt.

"Hey,..." Besorgt beugt er sich zu mir herunter und streicht mir eine Strähne meines langen, schwarzen Haares aus der Stirn. Für diesen kurzen Moment genieße ich das süslich schmerzhafte Brennen, das seine Berührungen auf meiner Wange hinterlassen.
"Keine Angst. Du hast das doch schon hundertmal gemacht. Die Fans fressen dich nicht, das weißt du doch." Ich spüre seinen heißen Atem an meiner Wange. Das verstärkt meine Nervosität noch und jetzt mischt sich auch die Angst dazu.
Ash ist so perfekt. Er weiß auf alles die richtige Antwort. In seiner Gegenwart habe ich immer Angst mich zu verplappern oder etwas Falsches zu sagen.
Ich bin nicht perfekt, in keiner Hinsicht. Darum wende ich meinen Blick ab und beobachte stattdessen, wie Jake seine Stiefel anzieht und zubindet. Ash richtet sich auf und seufzt.
Ich kann ihn ja verstehen. Ich wurde in letzter Zeit immer abwesender ihm gegenüber.
Ich wollte nicht, dass er meinen Plan durchschaut, denn Ash kennt mich besser als sonst jemand auf dieser Welt.

Plötzlich steht Sam in der Türe. Unsere Betreuerin und Ansprechpartnerin im Backstage- Bereich.
"Es ist so weit. Ihr müsst jetzt auf die Bühne."
Sie hält uns die Türe auf, während einer nach dem anderen, CC vorne weg, die Stufen zur Bühne hochsteigt.  CC ist auch der Erste, der sie unter dem aufgeregten Gekreische der Fans betritt. Jake und Jinxx folgen ihm, dann ist Ash an der Reihe.
Ich bin der Letzte, der die Bühne betreten soll. Und während ich hier warte, bis alle ihre Position eingenommen haben, lausche ich dem Gekreische der Fans und augenblicklich wird mir speiübel. Ich habe absolut keine Lust mehr auf dieses Konzert heute.
Aber ich bin der Meinung, dass es sich irgendwie gehört, noch ein Abschlusskonzert zu geben, bevor ich für immer gehen werde. Ja, für immer.
Weil ich es nicht mehr aushalte Ash in meiner Nähe zu haben und ihn nicht so berühren zu dürfen, wie ich es gerne möchte. Weil mich alle, Ash eingeschlossen, sicherlich hassen würden, wenn sie von meinen Gefühlen für ihn wüssten. Und so kann ich einfach nicht weiterleben.
Ich verbrenne innerlich.
Da wähle ich vorher noch lieber den Freitod, als mich bis ans Ende meiner Tage quälen zu müssen, mit der Gewissheit, dasd Ash mich niemals so lieben könnte, wie ich ihn. Davon bin ich überzeugt. Doch jetzt ist ein für allemal Schluss damit.

"Andy, träumst du? Los, du musst auf die Bühne, schnell!"
Mit diesen Worten gibt mir Sam einen leichten Schubs und ich stolpere nicht gerade würdevoll zu meinem Mikrofon.

Ich sehe diese Massen von Menschen, die mich erwartungsvoll anstarren und setze mein schönstes Lächeln auf. Diesen Menschen da unten haben wir es zu verdanken jetzt hier stehen zu dürfen. Und ich bin ihnen dankbar dafür. Deshalb soll mein letzter Auftritt der Beste meines Lebens werden. Ich will,dass mich meine Fans so in Erinnerung behalten, wie ich heute auf dieser Bühne stehe.

Ich sehe zu Jake hinüber und er versteht mein wortloses Zeichen, denn sofort beginnen Jinxx und er das erste Lied des Abends anzuspielen. Und als die ersten Klänge von Saviour die Halle füllen, setzt auch zeitgleich das Gekreische der Fans wieder ein.

Der Abend wird ein voller Erfolg und ich bin gerade dabei den letzten Song anzukündigen, doch zuvor will ich noch etwas loswerden. Ich will mich bedanken, für diesen letzten Abend.
Ich nehme das Mikrofon wieder in die Hand. Augenblicklich breitet sich eine angenehme Stille aus. Alle lauschen dem, was ich zu sagen habe.
"Manchmal, ...manchmal fühlt man sich richtig einsam.
Manchmal fühle ICH mich richtig einsam.
Doch das ändert sich, wenn ich euch alle sehe.
Dann fühle ich mich richtig glücklich, weil ich weiß, dass ich etwas erreicht habe.
Dass wir etwas erreicht haben." Ich deute auf meine Freunde.
"Aber wir wären nichts ohne euch. ICH wäre nichts ohne euch.
Und darum sage ich einfach 'Danke'.
Danke, für die Treue, die ihr uns entgegenbringt.
Und danke, für die wundervolle Zeit, die ich mit euch genießen durfte.
Danke!"

Und noch im selben Atemzug spielen meine Freunde das letzte Lied für diesen Abend, das letzte Lied für immer, an.
"Die for you"

Während ich das Lied sang, kamen alle Erinnerungen an Ash wieder hoch und nun stehen mir Tränen in den Augen. Das Publikum sieht sie nicht, denn ich lächle immer noch mein falsches Lächeln, doch Ash, der, als das Lied verklingt, neben mir steht, sieht sie. Ich sehe ihm in die Augen und plötzlich beginnt meine Fassade zu bröckeln und er erkennt, was ich im Begriff bin zu tun, denn Entsetzen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Ich werfe ihm einen letzten Blick zu, lasse das Mikrofon fallen, und dann fange ich an zu rennen.

Only a forever fallen Angel [Andley]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt