Kapitel 2

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"Raven, steh auf! Es ist bereits acht Uhr!", rief meine Mutter, während sie die Vorhänge in meinem Zimmer auf zog. Ich grummekte bloß und vergrub mein Gesicht in meinem Kissen.
"Ich sag es nicht noch einmal! Steh auf!", forderte sie mich erneut auf, trat an mein Bett und zog mir das Kissen vom Gesicht weg. Verschlafenen schaute ich zu ihr hoch, direkt in ihre haselnussbraunen Augen. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und wollte gerade etwas sagen, als es mir selber wieder einfiel.
"Oh... Das habe ich völlig vergessen...", murmelte ich im Halbschlaf.
"Spruce kommt auch bald, also beeile dich!", sagte sie noch und verließ dann mein Zimmer. Doch sie ließ meine Tür einen Spalt offen, was ich gar nicht leiden konnte!
Ich fragte mich,  wo meine Zofe blieb und warum sie mich nicht geweckt hatte. Es war nämlich ungewöhnlich, dass es meine Mutter tat.
Gereizt stand ich auf und ging auf meine große Flügeltür zu um sie zu schließen, als jemand anklopfte. Aus der Türspalte konnte ich erkennen, dass es meine Zofe war. Ich bat sie herein. Sie verneigte sich schnell vor mir.
"Eure Kleider", sagte sie hastig und legte die Klamotten auf den Schminksessel, neben der Tür.
"Du bist spät", sagte ich trocken. Ich konnte es nicht leiden,  wenn man mich warten ließ.
"D...das tut mir leid. Ich habe eben...", stammelte sie, doch ich hob meine Hand und sie schwieg.
"Die vor dir, hat mich auch warten lassen. Jetzt verrottet sie unten in den Verließen."
Sie schaute mich mit aufgerissenen, blauen Augen an.
"Sieh zu, dass das nicht noch einmal geschieht, denn sonst kannst du deiner Vorgängerin Gesellschaft leisten", drohte ich ihr und sie nickte eifrig. Mit einer Handbewegung, deutete ich auf die Tür, das sie mir aus den Augen treten sollte, was sie auch schnell tat.
Sie hieß Menie oder so und war im Gegensatz zu den anderen Zofen, die ich bisher hatte... besser. Sie war nicht perfekt, aber das verlangte ich auch nicht... noch nicht. Sie war erst seit knapp einer Woche eingestellt und machte sich überraschenderweise nicht ganz so schlecht. Das war bis jetzt ihr erster Fehler gewesen. Mich warten zu lassen. Wie schwer konnte es schon sein, sofort nachdem ich aufstand, mir meine Sachen zu bringen?! Aber da ich jetzt keine Lust hatte mir eine neue Zofe suchen zu müssen,  gewährte ich ihr eine zweite Chance. Und auch, weil sie Kerker jetzt schon recht überfüllt waren und heute eine weitere Ladung kommen sollte.
Langsam trottete ich zu dem Stuhl mit meinen Klamotten und zog mir die schwarze Hose und das schwarze T-Shirt an, als es dann auch erneut an meiner Tür klopfte. Herein. Ein Mann trat ein und verneigte sich vor mir. Dann schlug er sein braunes Notizbuch auf und rückte die silberne Brille auf seiner Nase zurecht.
"Eure Majestät, wenn Ihr gestattet, dann würde ich Ihnen gerne ihren Terminplan für heute vorlesen."
Ich nickte und setzte mich an meinen Schminktisch.
"In ungefähr drei Minuten kommt Eure Haarstylistin und wird Euch zurechtmachen. Um zehn Uhr gibt es Frühstück und um halb elf kommt Euer Hauslehrer Spruce um Euch auf morgen vorzubereiten. Später, um eins gibt es Mittagessen und um halb zwei geht es für Euch in die königliche Schneiderei, um die in Auftrag gegebenen Kleider an zu probieren. Und um drei Uhr sollten die Soldaten mit dem Gefangenen eintreffen", teilte mir Craig meinen Tagesablauf mit. Auch wenn er viel Wert auf seine ausgearbeiteten Pläne legte und manchmal sehr hartnäckig sein konnte, mochte ich ihn. Immerhin kannte ich ihn seit meiner Geburt und wusste, dass er ein sehr guter und treuer Freund meiner Familie war. Vom Spiegel aus, beobachtete ich ihn dabei, wie er zur Sicherheit noch einmal seine Notizen durch ging. Dabei fiel mir auf, dass seine eigentlich schwarzen Haare von Tag zu Tag immer weißer wurden.
Jetzt klopfte es erneut an der Tür und ein Rollwagen, gefolgt von einer zierlichen Frau, trat ein. Auch sie verneigte sich vor mir und trat dann hinter mich.
Craig verließ mein Zimmer.
"Was wünscht Ihr Euch heute?", fragte mich meine Haarstylistin mit einer übertrieben freundlichen Stimme. Im Spiegel sah ich, wie sie übers ganze Gesicht strahlte. Wie konnte man am frühen Morgen nur so gut gelaunt sein? So was war doch krank! Solche Leute waren richtige Psychopathen...
"Weiß nicht. Schlag was vor." Eigentlich war das meine alltägliche Antwort. Normalerweise hatte sie dann auch ein eine gute Idee und meine Haare sahen am Ende perfekt aus. Nur aus diesem Grund ertrug ich ihre gespielte Fröhlichkeit... Rein theoretisch hätte ich ihr auch befehlen können aufzuhören, so gut gelaunt zu sein... aber ich wollte nicht, dass ihre Arbeit darunter leidete. Immerhin war sie sehr gut in ihrem Job. Sie kannte immer die neuesten Haartrends und arbeitete schnell und nicht so wie die alten Haarstylistin meiner Mutter (wenn man sie überhaupt als welche bezeichnen konnte), die ihr jeden Tag die gleiche langweilige Frisur verpasste. Einen Dutt konnte ich schließlich auch selber machen.
"Ich schlage vor, ich mache Euch mit dem Lockenstab leichte Locken rein", schlug sie mir vor und begann bereits meine Haare zu kämmen.
"Ich habe von Natur aus leichte Locken. Was soll mir das jetzt bringen?!", fragte ich genervt.
"Ja das habt Ihr! Ich dachte nur, dass ich Eure wunderschönen Locken nur etwas mehr... betone..."
Ich verdrehte meine Augen. Das was sie sagte klang dämlich.
"Dann mach", war schließlich meine Antwort. Immerhin grinste sie nicht mehr so bescheuert...
Während sie drauf wartete, dass der Lockenstab heiß genug war, bestaunte ich wieder einmal meinen Schminktisch, welchen ich im Ausland von einem begabten Tischler anfertigen ließ. Ein Unikat!
Der Tisch war aus hochwertigen, schwarzen Marnorplatten zusammen gesetzt und glänzten schön. Meine Parfümfläschchen und Nagellacke spiegelten sich sogar auf der Tischplatte. Aber das absolute Highlight war immer noch der große Spiegel an dem Tisch, mit einer Diamantenbesetzten Fassung. Schwarzen Diamanten! Einfach traumhaft! Ich hatte mir den Tisch vor ein paar Tagen kaufen lassen und bekam immer noch nicht genug. Und das beste war, dass es zu meinen restlichen schwarzen Möbeln, sowie zum Schwarzen Marmorboden passte.
"Ihr habt so wunderschönes Haar. So seidig und gepflegt", schwärmte meine Stylistin von meinen Haaren und riss mich aus den Gedanken. Ihr Name war mir entfallen, aber ehrlich gesagt, war es mir egal.
"Dieses wunderschöne braun... so schön dunkel und glänzend... Einfach traumhaft!", fuhr sie fort, während sie Strähne für Strähne um den heißen Lockenstab wickelte. "Ich wünschte, ich hätte annähernd so schönes Haar wie Ihr. Seht Euch doch mal meine an. Sie sind zu kurz, sind eine ekelige Mischung aus braun und blond und einfach nur platt!", jammerte sie. Ich verdrehte meine Augen und seufzte genervt. Dieses endlose Geschleime... ich war es nicht unbedingt anders gewohnt, als das sich die Leute um mich herum rund um die Uhr bei mir einschleimten, dennoch nervte es nach einer gewissen Zeit.
Und blöd war ich sicherlich nicht! Schließlich wusste ich, dass man sich bei mir nur einschleimte, weil ich bald über meine Welt regierten würde. Und wer wollte mich schon als Feindin?!
"Euer Haar ist so...", setzte sie wieder an, doch ich war nicht mehr in der Lage irgendwelche Schleimsprüche aufzunehmen. Ich fragte ernsthaft, ob sie sich ein Tag vorher immer Stichpunkte machte, oder wie sie sonst so viel schleimen konnte...
"Das reicht! Weniger reden, mehr arbeiten! Ich habe einen Zeitplan einzuhalten!", platze es aus mir raus. Glücklicherweise schwieg sie dann auch...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 05, 2018 ⏰

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