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Eine Schule in einer Großstadt mitten im Sommer. Es war brütend heiß und die Schüler schwitzten. Der Klang der Schulklingel erweckte die Lebensgeister in manchen Schülern wieder. Doch noch bevor die Schüler das Klassenzimmer verlassen konnten, erinnerte sie die Lehrerin zur nächsten Stunde das Buch mitzubringen, welches sie dann im Unterricht behandeln würden. "Ich hab dieses Buch aber nicht", beschwerten sich manche der Schüler. Doch das ließ die Lehrerin nicht gelten. "Dann besorgt es euch, ihr habt ja bis zur nächsten Stunde genug Zeit, in die Buchhandlung zu gehen, oder leiht es euch von den älteren Schülern. Wir werden dieses Buch ohnehin maximal bis zu den Ferien behandeln", entgegnete sie. Helen musste schmunzeln. Zwar hatte sie besagtes Buch ebenfalls noch nicht besorgt, jedoch wusste sie zum einen, dass es bis zu den Ferien lediglich 7 Wochen waren, zum anderen hatte sie sich bereits nach diesem Buch in der örtlichen Bibliothek erkundet.

Eine knappe halbe Stunde später kam sie bei sich zu Hause an. Sie war völlig außer Atem nach ihrer Fahrradfahrt. Heute morgen jedoch hatte sie sich geschworen, nicht mit dem Bus in die Schule zu fahren, da diese besonders im Sommer heiß und stickig waren, worauf Helen überhaupt keine Lust hatte.
Als sie die Tür zur Wohnung öffnete hörte sie bereits das Gekreische ihrer kleinen Schwester Lillian, die von allen aber nur Lilly genannt wurde. Im Hintergrund hörte sie das Radio in der Küche spielen. Sie brachte ihre Sachen in ihr Zimmer und lief dann in die Küche, wo sie auf ihre Mutter traf, die gerade versuchte, die wütende Lilly zu beruhigen, die keinen Fisch essen wollte, sondern unbedingt Nudeln haben wollte. Als ihre Mutter Helen bemerkte, begrüßte sie sie mit einem Lächeln und zeigte kurz auf den Herd, auf welchem eine Schüssel mit Kartoffelbrei und ein Teller mit gebratenem Fisch standen. Dann wandte sie sich wieder dem schreienden Kind zu, welches zwischenzeitlich den Fisch vom Teller gefegt und sich den Kartoffelbrei im Gesicht verteilt hatte. Helen nahm sich einen Teller und legte sich einen der Fische drauf und packte sich daneben etwas Kartoffelbrei und setzte sich mit zu ihrer Schwester und ihrer Mutter an den Esstisch. "Ich gehe dann nachher nochmal weg", verkündete Helen. "Wohin geht's denn", wollte ihre Mutter wissen. "Ich muss noch was für die Schule besorgen", entgegnete Helen. Ihre Mutter nickte kurz. Lilly schaute ihre Mutter missmutig an und verweigerte jegliches Essen. Ihre Mutter nahm den Teller und fing bereits an, den Tisch abzuräumen. Helen aß noch ihr Mittagessen und verschwand danach in ihrem Zimmer, wo sie nochmal nachschaute, welches Buch sie holen muss. Dann nahm sie sich ihren Schlüssel und ihre Geldbörse und verließ die Wohnung. "Bis später", rief sie ihrer Mutter zu, welche jedoch entgegnete: "Warte noch bitte kurz." Helen wollte eigentlich los. Ihre Mutter kam aus der Küche mit einer gelben Tube, welche Helen sofort als Sonnencreme erkannte. "Mama, ich brauch das aber nicht", protestierte sie. Doch ehe sie es sich versah, hatte ihre Mutter bereits ihren Nacken, ihre Arme und ihr Gesicht mit der Sonnencreme versehen und verschmierte diese sorgfältig. "Zum Abendessen bist du bitte wieder zu Hause", sagte sie in einem Ton, den nur Eltern bringen können, wie Helen den Ton nannte. "Ich glänze ja jetzt wie eine Speckschwarte", grummelte Helen. Ihre Mutter antwortete jedoch nur mit "Du wirst mir noch dafür danken", und verschwand wieder mitsamt der Sonnencremetube. Dann öffnete Helen die Wohnungstür und ging raus ins Treppenhaus, wo sie auf ihren Nachbarn traf. Ohne ihm in die Augen zu schauen, grüßte sie ihn kurz und lief geschwind die Treppe herunter in den Keller. Dort holte sie sich ihr Fahrrad und fuhr los.

Der Atem des EisesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt