Apocalypse

Kapitel 1

Du wirst nicht infiziert." Flüsterte ihre Mutter in ihre Haare. ,,Dafür sorge ich." Sie nickte stumm und schaute zu der Prüfungsstation. ,,Luca Capret." Ertönte die blecherne Stimme aus den Lautsprechern die an der Decke hingen. Hannah war bald an der Reihe, nur noch ein paar Familien drängten sich vor ihr in der langen Schlange.

,,Dad? Hast du die Formulare?" fragte sie einen großen, braunhaarigen Mann neben sich. Er hatte hervorstehende Wangenknochen und eine kleine, gerade Nase. Seine braunen Augen blickten leicht vorwurfsvoll in Hannahs. ,,Natürlich, mein Schatz." Erwiderte er und zog einen kleinen Stapel Papier aus seiner ledernen Aktentasche.

Hannah hatte ihn jetzt sicherlich zum hundertsten Mal danach gefragt. Wenn sie durch das metallene Tor mit den roten Laserstrahlen gehen würde, die ausgefüllten Formulare zeigen würde, dann wäre sie erlöst.

Aber nur, wenn sie nicht infiziert war. Doch die Chance, infiziert zu sein, war so klein, dass Hannah keinen Gedanken daran verschwendete.

Als nach einem chemischen Versuch im Jahre 2100 eine gefährliche Seuche ausbrach, die jeden Jugendlichen befiel, begann diese ganze Tortur.

Warum die Erwachsenen nicht betroffen waren, wusste keiner, auch ein richtiges Heilmittel war nicht bekannt. Die Infizierten wurden in ein abgesichertes Gebiet gesperrt, ohne Auf Wiedersehen oder Tschüss sagen zu können. In der sogenannten Gefahrenzone versuchten die Jugendlichen um ihr Überleben und ihre Menschheit zu kämpfen. Die Organisation A.V.P. war eine Gruppe von Möchtegern-Wissenschaftlern, die vergeblich nach einem Heilmittel suchten.

Sie sah aus dem Augenwinkel etwas rot aufblinken und schaute genauer hin. Auf einer schwarzen Tafel, die an der Decke hing, stand in roten eckigen Buchstaben das Wort INFIZIERT.

Hannah hörte das Mädchen, das zuvor aufgerufen wurden war, schreien. Sie reckte den Kopf um die Szene beobachten zu können. Das Mädchen wurde von zwei Männern in schwarzen Anzügen an den Armen gepackt und weggetragen. Sie schrie und wehrte sich, aber es half nichts.

Die schwarz gekleideten Männer zerrten sie durch eine große Eisentür und mit deren Zuschlagen verstummten ihre Schreie.

Ihr wurde trotz ihrer letzten Kontrolle in ihrem Leben ein wenig mulmig zumute. ,,Hannah, alles in Ordnung?" Hörte sie die Stimme ihrer Mutter neben ihr. ,,Dir passiert schon nichts." Versprach sie. Ihr Arm lag um ihre Taille und sie drückte sie an sich. Hannah nickte und vertrieb schnell die schlechten Gedanken.

,,Hannah Davis." Ertönte die Computerstimme. Sie schaute auf. Direkt vor ihr war das Tor mit den Scannern. Langsam, einen Schritt nach dem anderen, ging Hannah auf das Tor zu.

Die roten Laserstrahlen wanderten, suchend nach ihrem nächsten Opfer, hin und her. Sie umschloss fest die Formulare mit der Hand und machte den letzten Schritt. Während die Laser schnell ihren Körper abscannten, erklangen lange Piepgeräusche. Dann folgte Stille.

Doch es war zu still. Hannah sah von ihren Füßen auf. Sie schaute ihn die ausdruckslosen Gesichter der Menschen um sie herum, in die von Tränen überströmten Gesichter ihrer Eltern, die von den Wachmännern zur Seite gezogen wurden. Dann auf das Schild. INFIZIERT.

Hannah war unfähig sich zu bewegen. Sie war wie in Stein gegossen. Ihre verkrampften Finger lösten sich und die Papiere glitten zu Boden, wo sie verstreut liegen blieben.

Hannah starrte entsetzt zu ihren Eltern, ihre Mutter schrie und wehrte sich verzweifelt, doch das alles drang wie durch eine Wand zu ihr durch.

Die Wächter packten sie unsanft an den Armen und sie wusste: ab dem Moment wo sie in die Laserstrahlen getreten war, wo das Piepen ertönt war, war ihr Leben restlos verwirkt. Sie war vogelfrei.