Prolog

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Der Nebel des Halbschlafs aus dem meine Mutter mich vor gut einer viertel Stunde gerissen hat ist wie weggeblasen. Inzwischen bin ich hellwach. Zum einen, weil ich die Minusgrade die draußen herrschen durch die Karosserie des Autos hindurch spüren kann, zum anderen weil ich mehr als nur verwirrt bin. Ich habe immer noch nicht ganz realisiert was eben passiert ist.

Wie aus dem nichts stand meine Mom in meinem Zimmer, mit 2 vollbepackten Reisetaschen ausgestattet und in voller Montur gekleidet. Mehr als ein "Sei leise und Steig ins Auto", hatte ich von ihr nicht bekommen, bevor sie auf Zehenspitzen die Treppe herunterging und den Schlüssel der Haustür leise und bedächtig im Schloss umdrehte.

Und nun sitzen wir hier. Die Reisetaschen im Kofferraum, Meine Mom hinterm Lenkrad, und ich hinten auf der Rücksitzbank zwischen ein paar beschrifteten Kartons und der Hundebox eingequetscht. Ich hatte nicht einmal mehr die Zeit dazu gehabt mich umzuziehen, so eilig hatte Mom es. Ich konnte gerade eben so mein Handy und meine Fotobox aus dem Nachtschränkchen retten.

Nach einer langen Zeit des Schweigens, in der man nur den Regen an der Fensterscheibe prasseln hört, kann ich meine Neugier und Verwirrung nicht mehr zurückhalten, und die Fragen sprudeln nur so aus mir heraus.

Was ist passiert? Warum gehen wir von Zuhause weg? Wohin fahren wir?

Doch Mom hält sich mit ihren Antworten auf mein nerviges Gefrage sehr knapp. Dad und sie haben sich voneinander getrennt. Warum will sie mir anscheinend vorerst noch nicht verraten. Sie und ich sind auf dem Weg in eine andere Stadt, in der sie ein Haus für uns gemietet hat.

Meine Fragerei verstummt und ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich dazu sagen soll.

Ihr Plan klingt für mich nicht nach einer spontanen Idee, sondern eher nach etwas, was sie schon längere Zeit geplant hat. Wut steigt in mir auf. Sie hatte so wie es aussieht schon länger vor von Zuhause weg zu gehen, und niemand hatte es für nötig gehalten mich in irgendwas einzuweihen. Nein, ich wurde lieber ins eiskalte Wasser geschmissen und muss es mir gefallen lassen, dass meine Mutter und ich um halb zwei in einer Nacht und Nebel Aktion von Zuhause abhauen.

Leise höre ich den Hund neben mir jaulen, und werfe einen Blick in die kleine graue Box. Vorsichtig und mit beiden Händen hebe ich den kleinen Yorkshire Terrier heraus und setze ihn auf meinen Schoß.

"Alles wird gut, Estrella. Mach dir keine Sorgen.", streichle ich unserer Hündin über das Grau-goldene Fell.

Ich frage mich wie Mom es überhaupt geschafft hat Estrella aus dem Haus zu bekommen, ohne das sie die ganze Nachbarschaft zusammen gebellt hat. Sie ist die wasserscheuste Hündin die ich jemals gesehen habe und geht nichtmal freiwillig Gassi wenn es regnet.

"Siehst du. Hab ich doch auch gesagt.", gibt Mom vom Vordersitz von sich.

Für einen Moment treffen sich unsere Blicke im Rückspiegel. Ich weiß, dass es vielleicht nicht unbedingt richtig ist, aber die einzige, der ich im Moment die Schuld für diese ganze Situation gebe, ist Mom. Nach ein paar Sekunden wende ich meinen mit Zorn erfüllt Blick wieder ab, und schaue aus dem Fenster.

"Oh, du hast nicht mit mir geredet.", sagt sie monoton, nachdem sie bemerkt hat das der Hund auf meinem Schoß sitzt. Nein, das habe ich nicht und das habe ich auch erstmal nicht vor.

Von meinen unsortierten Gedanken überfordert schaue ich ein letztes Mal auf das Display meines Handys, bevor mich der Schlaf erneut überkommt, und ich erst wieder aufwache, als wir schon in unserem neuen Zuhause angekommen sind.

Gefährliche Mischung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt