Hope.

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Voller Wut schmiss ich meine Zimmertür zu, wie konnte ich nur so dumm gewesen sein? Hatte ich grade wirklich geglaubt, dass mein Krebs nur eine falsche Diagnose gewesen war? Ja. Mal wieder. Und mal wieder würde ich es verleugnen und allen sagen und zeigen, dass ich eine starke, selbstbewusste und eingebildete Tusse war, der ihr Aussehen und ihr Ruf wichtiger war als ihre Noten und ihre Zukunft. Wieder einmal würde ich vortäuschen ich würde Grace und ihre Clique mögen und ich würde so tun, als wären ihre Witze lustig, ihre Gespräche interessant und ihr Leben spannend und aufregend. Nach der Schule würde ich dann wieder mit Avely abhängen und mich bei ihr ausheulen, ihr von meiner Therapie erzählen und dass ich sie wieder geschwänzt hatte. Sie war die einzige die mich verstand, die verstand, dass mein Ruf das einzige war, was mir noch blieb. Würde heraus kommen, dass ich Krebs habe und dass mich all diese Beliebtheitsdinge nicht im geringsten interessieren, wäre mein Leben vermutlich vorbei. Eine kleine Lüge damals, als ich neu an die Schule kam, und schon war alles anders. Eine kleine Lüge, in der Hoffnung mich integrieren zu können. Eine kleine Lüge aus der eine riesige und dann ganz viele wurden, die mein Leben echt zum verkorktesten der ganzen Welt machten. Zu einem Leben, dass immer nur aus Fassade bestand und bestehen würde. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, das wusste ich. Und genauso wussten es meine Eltern und schickten mich in alle möglichen Therapien und Anstalten. Der Kampf gegen den Krebs. Ich hatte ihn doch schon verloren. Innerlich hatte ich nie dagegen angekämpft. Warum denn auch, nur damit ich mich erst 30 Jahre lang in Therapien schleppe um dann alt und zerbrechlich weiterzuleben oder gleich zu sterben? Nein. Ich würde mein Leben geniessen und wenn es vorbei war, dann war es das eben. Ich war 17 geworden und das einzige was ich bisher in meinem Leben gesehen hatte waren Krankenhäuser, Schulen, Phsychologen und der kleine von Mauern umgebene Innenhof unseres Altbauhauses. Also war mein Leben ja auch nicht wirklich lebenswert gewesen, aber ich würde alles dafür tun um mein restliches Leben, die Zeit die mir noch auf dieser Erde blieb, so angenehm und erlebnisreich wie möglich zu gestalten. Hätte ich damals nicht gelogen, wäre es vielleicht nicht besser gewesen, aber es würden mich dann heute viel mehr Menschen unterstützen. Menschen die von meiner Diagnose wussten. Ändern konnte ich es allerdings nicht mehr und so gerne ich es auch wollte, ich konnte mein Leben auch nicht gegen das eintauschen, was ich die ganze Zeit vorgab zu leben. Denn wenn ich das könnte, dann wäre ich wirklich beliebt, alle würde meine Persönlichkeit mögen. Doch so mochten sie nur mein aufgesetztes Gesicht, ohne irgendwelche Macken oder Fehler. Es schien alles perfekt. Ich log jedoch nicht nur hinsichtlich meines Lebens gegenüber meiner Klassenkameraden oder der gesammten Schule, sondern ich log auch wenn es um meine Gesundheit ging. Allerdings log ich nicht irgendwen an, ich log meine Eltern an. Mein eigen Fleisch und Blut. Diejenigen, die sich immer um mich gekümmert hatten. Die die sich nichts sehnlicher wünschten, als mein Wohl und meinen Sieg gegen den Krebs. Gegen diese Krankheit die bereits meine Oma meine Tante und meine beiden Brüder in den Tod gerissen hatte. Es lag einfach in der Familie und deshalb hatte ich auch nicht vor mich später fortzupflanzen. Ich würde ein Kind ohne jegliche Krankheiten in der Familie adoptieren, in der Hoffnung seine Kinder hätten ein besseres Leben und meine Familie würde sich später nicht mehr mit Krebs herumschlagen müssen. Wenn es überhaupt so weit kommen würde. Eher nicht, vorraussichtlich würde ich kurz vor meinem zwanzigsten Geburtags sterben und alle um mich herum würden trauern. Dann würde ich zusammen mit all meinen Lügen begraben werden und bei meiner Beerdigung würden alle herausfinden, dass ich ihnen mein Leben lang etwas vorgemacht hatte und niemand würde mich mehr in guter Erinnerung behalten. Sie würden mein Grab auslachen und darauf herumtrampeln und meine Mutter würde weinen und sich fragen was sie falsch gemacht hat. Ich könnte ihr es jedoch nicht mehr sagen, aber ich würde ihr einen Brief hinterlassen auf dem steht: Es ist nicht deine Schuld! Du warst eine tolle Mutter! Ich habe mich selbst zerstört.
Ja und so dramatisch wie es klingt würde es auch sein. Traurig, grauenvoll und verlogen, so würde ich Abscheiden. Die einzige, die mein Grab besuchen würde wäre Avely. Sie würde mich immer in Erinnerung behalten und zu vielen Orten auf der Welt reisen. Zu Orten und Ländern in die ich immer gerne gereist wäre. Avely würde eine Familie gründen und glücklich sterben. Das war es auch, was ich mir um alles in der Welt für sie wünschte. Ich wünschte ihr das Leben, was ich nie führen durfte.

Ich bin Ananda, 17 Jahre Alt und das ist meine Geschichte.

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