2. Kapitel

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Ich war am Ende.

Komplett.

Ich hasse lernen.

Und Hausaufgaben.

Ich hätte sie doch früher machen sollen, aber leider Gottes musste ich mich ja noch mit Grace treffen. Zu 100% wette ich diese Bitch hat noch nie in ihrem Leben irgendeine Art von Hausaufgaben gesehen, geschweige denn gemacht. Sie war faul, arrogant und selbstverliebt. Da blieb nun mal keine Zeit für Hausaufgaben.

Und dann war da ich und ich musste so tun als ob ich alles hassen würde. Hausaufgaben, lernen, Schule, andere nette Leute, ich tat alles um dazu zu gehören. Völlig übertrieben ich weiß, aber ich hatte damals mit einer Lüge angefangen und aufhören kam jetzt auch nicht mehr in Frage.

Inzwischen war es 23 Uhr. Verdammt. Ich musste morgen um 6 aufstehen und hätte wirklich keinen Bock mich müde und geschafft aus dem Bett zu schleppen. Schnell schlug ich meine Bücher zu und kroch unter meine Decke.

Meine Gedanken kreisten um den gerade erlebten Tag. Um Grace und Jess und um die Clique. Würde ich es jemals schaffen mir ein eigenes Leben aufzubauen? Würden Grace und Jess wirklich zusammen kommen? Wie war er überhaupt?

Diese Frage könnte ich mir nicht beantworten. Den ganzen Tag hatte ich nur darauf geachtet Grace alles recht zu machen und versucht so wenig wie möglich zu reden, da hatte ich komplett vergessen ihn genauer zu begutachten. Vom ersten Eindruck, wenn man das so nennen konnte, fand ich ihn recht hübsch. Ein hübscher, eingebildeter Schwachkopf, der einfach nur so vor sich hinlebte und Bitches wie eine Fliegenfalle anzog.

Er war gewöhnlich. Wie jeder andere mit dem sich Grace schmückte. Jungs wie er waren ihr Status, ihr Spielzeug und ein wenig tat er mir jetzt schon leid.

Nach diesem sinnbildlichen Gespräch mit mir selbst versuchte ich mich umzudrehen und einzuschlafen. Jedoch stieß ich dabei auf etwas hartes. Meckernd griff ich unter meine linke Schulter und zog eine kleine Schatulle hervor. Ich öffnete sie und holte den winzigen Papierzettel, der sich darin befand, heraus.

Langsam faltete ich ihn auf und las meine selbstverfasste Nachricht von vor 5 Jahren:
Krebs wird dich zerstören, aber lebe dein Leben und lebe es echt!
Diesen Rat hatte ich nie befolgt. Hätte ich lieber mal auf mein früheres Ich gehört und wäre nicht so dumm gewesen alle zu leugnen.

Egal.

Nein.

Es war ganz und gar nicht egal.

Aber ich konnte nichts dagegen tun.

Es klingelte. Es war ein schrilles und eintöniges Klingeln, welches mich unsanft aus dem Schlaf riss. 06:00uhr. Während ich mich aus dem Bett schleppte versuchte ich gegen meine Müdigkeit, die mich langsam übermannte, anzukämpfen.

Inzwischen angezogen, geschminkt und an der Tür stehend überlegte ich, ob ich nicht lieber auf krank machen sollte. Heute war ein Tag, an dem ich Null Lust auf Schule und den ganzen Schlampenkram hatte.

Aber meine Neugier mehr über Jess zu erfahren war eindeutig größer.

Meine Füße trugen mich zur Schule. Gestern schien der Weg kurz und leicht doch heute schien er drückend und endlos. Ein paar mal stolperte ich und wäre sogar einmal fast hingefallen hätte mich nicht eine junge Frau aufgefangen.

Wahrlich, ich war heute in keiner guten Verfassung. Ich selbst konnte mir allerdings nicht erklären wieso. Natürlich, Montag war niemand gut drauf, aber ich würde von irgendetwas hinunter gezogen. Hinunter in die deprimierendste Welt die es gab. Meine Welt. Die wahre Welt.

Auf den Grund der Tatsache, dass ich heute wohl einen verpackten scheiß Tag hatte, zurück geholt, betrat ich das Schulgelände. Es waren schon sehr viele da und ich las in ihren Gesichtern die einzelnen Gedanken ab.

Einer war gelangweilt ein anderer unendlich traurig, versuchte es natürlich zu vertuschen und versagte dabei. Die Streberin der Schule, mit der ich nur einmal ein Wort gewechselt hatte, woraufhin ich allerdings von Grace angemeckert wurde, versank nur so in ihrer Trauer.

Wie gern wäre ich doch hinüber gegangen und hätte mit ihr geredet. Aber Grace, die mich aus dem Augenwinkel entdeckt hatte, verabschiedete sich von ihren Freunden und kam auf mich zu getorkelt. Es war ein schwankender, eleganter Zickengang und ich war die nächste, die ihn erlernen sollte.

Avely und ich hatten und schon tausende Mal über sie lustig gemacht und waren herumgehüpft wie ausgebrochene Hühner. Das waren noch bessere Zeiten gewesen.

"Na süße!" begrüßte mich Grace mit einer extra hochgestellten Stimme.
"Hey du!" antworte ich und bemerkte wie ich in die falschen Tonlagen rutschte.
"Komm doch mit zu mir und den Mädels rüber! Jess ist auch da." zwinkerte sie mir zu und deute einen Kussmund in die Richtung ihres vermeintlich neuen Traumkerls an.
Wenn er schlau genug war, was ich bezweifelte, dann würde er ihre Spielchen schnell durchschauen. Anderen falls würde er wie alle zuvor in ihre Fänge geraten.

"Jess ist echt heiß! versuchte ich so überzeugend wie möglich zu überbringen und lächelte Grace dabei an. Und schon war ich wieder komplett in meiner Rolle.

"Finger weg, der ist meiner!" zischte Grace und grinste mich danach verschmitzt an.
"So soll es sein." Ok jetzt fühlte ich mich wirklich wie eine ihrer kleinen Hofdienerinnen. Ich verdrehte genervt die Augen, bei Grace wusste man nie wie wann wo und was man sagen sollte. Alles was man sagte war nämlich entweder falsch, dumm, unangebrachr oder beleidigend Grace gegenüber. Auch bei einem einfachen Hallo konntn schon mindestens 10 Fehler passieren, wenn man Grace fragen würde.

"Hey! Du musst nicht deine kleinen runden Augen herumkullern. Ich weiß, dass es schwer ist neben mir gut auszusehen, aber ich kann ja nichts dafür. Ich bin einfach perfekt!" nachdem sie ihren Satz beendet hatte und ihr letztes Wort quasi gesungen hatte, warf  sie ihre nahezu perfekten Haare nach hinten und drehte sich schwungvoll auf ihren Pfennigabsätzen herum. Und dann stöckelte sie wackelig über den Schulhof hinüber zu ihren "Dienerinnen".

In mich hinein lachend bewegte ich mich auf den Eingang der Schule zu. Ich war total in Gedanken verloren, als ich hinter mir jemanden rufen hörte. Sofort blieb ich stehen und drehte mich herum. Achso Jess. Jess... Jess?!

"Hey?" stammelte ich leicht verwirrt. Was wollte denn dieser arrogante Schnösel hier?

"Du bist ja heute wieder sehr schick unterwegs." flirtete er und versuchte seine Hand an meine Hüfte zu legen. Schnell stieß ich ihn zurück, lächelte ihn an und sagte: "Ja ich weiß, nur du störst!" danach drehte ich mich wieder um und ging ins Klassenzimmer.

Ich muss sagen ich war nicht sehr stolz auf mich. Ich war eine richtige Grace gewesen. Aber der Typ hatte es ja schließlich auch verdient. Was denkt der sich denn? Das er jede haben kann? Naja von mir aus. Aber mich kriegt der nicht. Niemals!

Lustlos schmiss ich meinen Rucksack neben meinen Stuhl und ließ mich dann selbst nicht gerade elegant auf meinem Platz nieder. Ich war noch allein im Raum, aber da ich vom Flur her viele Stimmen hörte nahm ich an das würde sich gleich ändern. Kurz lehnte ich mich zurück und genoss den kurzen Moment Einsamkeit. Meine Güte. Hätten sich meine Eltern zusammengerissen, hätte ich jetzt ein geiles Leben als Eizelle. Aber gut. Hier saß ich. In der Hölle. Und wartete auf die Teufel.

Hope. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt