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Jim schloss seine Wohnungstür drei mal ab und klemmte einen Stuhl unter die Türklinke. Erst dann gestattete er sich eine kurze Pause und fiel erschöpft aufs Sofa.

Was für ein Tag. Ein Scheiß Tag. Ein Scheiß Leben.

Sein Handy piepte und er zuckte erschrocken zusammen. Gott, er musste wenigstens versuchen, sich zusammenzunehmen!

Wie so oft schwor er sich, abzuhauen. Einfach weg zu fahren. Weit weg. Ins Ausland. Nach Paris vielleicht. In irgendeine große Stadt. Er würde einen neuen Namen annehmen und ein anderes Leben anfangen. Ein besseres.

Aber es waren nur irgendwelche Hirngespinste. Gedanken, die er niemals umsetzten würde. Geld besaß er zwar. Aber keinen Mut.

Seine Beine zitterten. Sein Herz zitterte.

Was für ein Tag.

Freitag, also. Freitag um zwei. Noch drei Tage. Er schluckte. Weniger als drei Tage.

Er wusste wirklich nicht, was sein Vater plante. Sein Vater. Ha, und was für ein Vater.

Er kannte weder genaue Details noch den Sinn dieser Aktion. Aber er wusste, dass es etwas mit dem Freitagszug zu tun haben würde.

Irgendwas am Bahnhof. Und Fred machte ebenfalls mit.

Er hatte ein Telefongespräch belauscht. Zwischen ihm und dem Alten. Dem Meister unter seinesgleichen. Jim gehörte eindeutig nicht dazu.
Jeder wusste das. Sogar Fred.

„Dann am Freitag um zwei?", hatte Fred gefragt und seltsam gegrinst. „Und du sprichst mit Jim? Bist dir wirklich sicher, dass er dabei sein soll? Ich meine... im Ernst?!"

Jims Magen hatte einen Satz gemacht und ihm war speiübel geworden. Die meinten ihn. Fred sprach von ihm. Kein Zweifel. Und der Alte würde anrufen, das war sicher.

Und er schwor sich nicht ran zu gehen. Sein Handy nicht einmal an zu fassen.

Aber er hatte seinen Schwur gebrochen. Er war ans Telefon gegangen, er hatte mit dem Alten gesprochen und er hatte auch noch eingewilligt, bei irgendeinem gefährlichen Mist mit zu machen.

Er überstand die drei Tage mit Mühe und Not.

Nachts lag er stundenlang wach und malte sich irgendwelche Horrorszenarien aus in denen er bei jemandem einbrechen und wildfremde Leute bedrohen musste. Dann sprang er auf einmal auf, mit klopfendem Herzen, weil es in seinem Zimmer knackte, raschelte. Und er schlich im Dunkeln zur Wohnungstür um den Stuhl gerade zu rücken.

Morgens dröhnte ihm der Kopf und er schluckte eine Tablette nach der anderen. Dann machte er sich wiederum Sorgen, ob er zu viele Tabletten zu sich genommen hatte und suchte in der Gebrauchsanleitung wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass er bleibende Schäden bekommen würde.

Wenn er in den Spiegel sah, erschrak er. Sein Gesicht war käsig und er hatte tiefe Schatten unter den Augen.

Auf den Straßen wichen ihm die Leute aus oder sahen ihn mitleidig an. Jim fühlte sich, als sei er tatsächlich totkrank.

In der Nacht zwischen Donnerstag und Freitag schlief er um fünf Uhr morgens ein und wachte beim ersten Sonnenstrahl auf.

Mittlerweile freute er sich schon fast auf zwei Uhr. Weil er es dann hinter sich bringen und alles wieder vergessen könnte.

Weil ich Jim liebe.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt