Prolog

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Tosender Applaus drang zu mir durch. Ich streckte trotz brennender Muskeln und verschwitztem Kostüm meinen Rücken vor Stolz durch. Denn dieser Applaus war für uns bestimmt, für Prinz Siegfried und Odette, für Alexander und mich. Ein letztes Mal verbeugten wir uns und als der Vorhang zuging, liefen wir hinter die Bühne. Die jüngeren Tänzer, die erst mit Ballett begonnen hatten, durften uns schon zusehen und strahlten. Es war schön, dass wir Vorbilder für sie sein konnten. Von allen Seiten bekam man Glückwünsche zu hören, mir wurde auf die Schulter geklopft oder anerkennend zugenickt, sogar von Madame Clarice.

Sobald ich in  der Garderobe ankam, die mir allein gehörte, war das Gefühl der Euphorie verschwunden. Hatte ich alles richtig gemacht? Hatte mein Partner Alexander alles richtig gemacht? Mein Blick schweifte umher und blieb an meinem Spiegelbild hängen. Trotz der Erschöpfung saß mein Make-Up makellos.

Ich bemerkte ein Geräusch und sah zur Tür. Tante Tessa aus Neuseeland war hereingekommen. Meine Freude war groß, denn ich hatte sie schon 2 Jahre nicht gesehen. "Darling! Wie wundervoll du dich entwickelt hast, seit ich dich zuletzt gesehen habe! Lass dich ansehen!" Sie war eine genaue Beobachterin und vernahm jedes noch so kleine Detail und jede Veränderung meines Körpers, wie Modedesigner das eben so konnten. Dann umarmte sie mich und ich atmete den bekannten Geruch aus meiner Kindheit ein. Sie roch immer nach Vanille, Zirbe und leicht nach Zigarettenrauch. So standen wir eine Weile da, bis sie sich löste und zur Tür ging. Dort hatte sie ihre Handtasche und eine Papiertüte abgestellt. Sie schnappte sich zweites und überreichte sie mir, mit einem leicht freudigem und nostalgischen Blick. Sie hatte mir früher oft Geschenke gemacht und hatte sich jedes Mal selbst übertroffen.

"Ich werde jetzt meinen Mann suchen. Dein Bruder hat mir mitgeteilt, dass wir zur Feier des Tages alle bei euch essen würden. Dein Partner wird wohl auch dabei sein. Also zieh die Sachen, die in der Tüte sind, an und mach dich schick." Als sie meinen Blick bemerkte, fügte sie zwinkernd hinzu: "Keine Sorge, wir werden noch genug Zeit zum Reden haben." Das hellte meine Stimmung auf, und obwohl ich am liebsten sofort schlafen würde, riss ich mich am Riemen und schminkte mich zuerst ab. Ich sah in die große Tüte hinein.

Mein Schwanenkostüm konnte ich endlich loswerden und legte es auf den Sessel. In der Papiertüte befand wunderschöne, glänzende Unterwäsche und ein Kleid. Als ich die Inschrift las, erschrak ich. Es war die eines früheren Lieblingsdesigners von mir. In letzter Zeit hörte man aber nichts von ihm und konnte nicht einmal Sachen, die von ihm designed wurden, kaufen. Ich befürchte, dass er in den Ruhestand gegangen war.

Erneut ging die Tür auf und ich drehte mich erschrocken um. Alexander schloss die Tür ab und kam grinsend auf mich zu. "Oh Odette, was für ein wahrlich reizender Anblick du bist!" Blut schoss mir in die Wangen. Ich stützte mich am Schminktisch ab und er schob die Tüte vor meinen Beinen zur Seite, um mir näher zu sein. In seinem schwarzen Anzug sah er aus, als würde er die perfekte, vollkommene Erscheinung eines Menschen verkörpern. "Du bist wunderschön", sagte er, während er meine Hand in seine nahm und mich an sich zog. Es entstand ein kleiner Tanz zwischen uns. Mir war, als würden wir nie etwas anderes gemeinsam tun und als wären wir im Ballett in unserer natürlichsten Erscheinungsform. In unseren Tanz vertieft, hörten wir, wie die Tür aufgebrochen wurde und ein Leibwächter, bereit zum Kampf, hineinstürmte. Peinlich berührt entfernte ich mich von Alex, welcher fragte, ob es ein Problem gäbe. "Viktoria hat nicht reagiert auf unsere Rufe und es war abgeschlossen. Wir befürchten immer das Schlimmste", sagte er und entspannte sich. Wie höflich es von ihm war, mich nicht anzusehen, während ich halbnackt, nur spärlich mit Unterwäsche bekleidet, dastand.

Alex meinte, er würde vor der Tür auf mich warten. Oder was davon noch übrig war. Ich zog das Kleid an. Es lag eng an und hatte lange Ärmel. Meine Haare fielen bis zur Taille, als ich sie aus dem Chignon löste. Ich kämmte sie durch, schnappte mir meinen Mantel und vergewisserte mich, dass mein Handy noch da war und ging so durch die kaputte Tür. Es war schon jemand gerufen worden, um sie zu reparieren und Alex stand an die Wand gelehnt da. Er drehte mich um meine eigene Achse, ließ mich wieder vor Komplimenten rot werden und gab mir einen Kuss auf meine roten Lippen.

Bevor uns Bodyguards nach draußen begleiteten, setzten wir unser Bühnenlächeln auf, da draußen Journalisten und Fotografen sein würden. Die Tür ging auf und ein Blitzlichtgewitter umgab uns. Man hielt uns Mikrophone nahe ans Gesicht, dass ich dachte, irgendwann würde eines in meinem Mund stecken. Fragen über Fragen und alle blieben unbeantwortet.

Wir fuhren alle mit einer Limousine zu uns nach Hause. Diese war natürlich aus schussfestem Material gemacht, welches jede Kugel abwehren sollte. Mein Bruder Adam wuschelte mir durch die Haare und meinte: "Ich wäre Stolz auf dich, wenn ich dann nicht zugeben müsste, dass meine kleine Schwester was richtig gemacht hat." Er lachte und ich wusste, dass er es nicht so meinte. Mein Vater klopfte mir anerkennend auf die Schulter und meine Mutter... fehlte. "Wo ist Mom?, fragte ich Adam. Er zuckte grinsend seine Schultern.

Alex gab mir die Hand, während ich ausstieg und wir gingen zum Zaun des Hauses, wo uns Leibwächter durchließen, als sie uns erkannten. An der Haustür hatte ich die üblichen Sicherheitsvorkehrungen erwartet, wie es sich eben für das Haus eines Präsidenten gehörte, aber dort stand meine Mutter und umarmte uns beide. Unsere Familie kannte Alex schon ewig, seine Eltern waren wichtige Leute und deshalb war er immer willkommen und alle Leibwächter kannten ihn. Meine Tante kam mir entgegen und sah, dass Alexander den Arm um meine Taille gelegt hatte. Sie schien überrascht zu sein, da sie noch nicht wusste, dass wir zusammen waren. Es war bereits Ewigkeiten her, dass sie das letzte Mal da war.

Wir machten und auf den Weg zum Esszimmer, welches man schon fast als Saal bezeichnen konnte. Ich kannte den Raum zwar schon seit meiner Geburt, aber weshalb man so riesige Zimmer brauchte, war mir nie gänzlich klar. "Großartige Menschen brauchen eben große Häuser, mein Schatz", hatte mein Vater früher immer gesagt. An einem langen Esstisch aus Mahagoni, gedeckt mit Tafelsilber und Stoffservietten, saßen bereits alle Anwesenden, außer Alex und ich. Wir suchten uns zwei gegenüberstehende Lederstühle aus und gesellten uns zu den anderen.

Bevor wir zu essen begannen, sprach mein Vater einen Trost aus. Auf Alex und mich und unsere glänzende Zukunft. Wir tranken Champagner, der von einem Mitarbeiter eingeschenkt wurde. Ich starb vor Hunger, aber anscheinend hatten heute alle etwas besonderes hinzuzufügen. "Auf unsere Kinder, die talentiertesten des Landes, die es, wenn wir nicht mehr sind, mit der selben Leichtigkeit, wie sie mit ihrem Tanz das Publikum fesseln, in eine wunderbare Zukunft lenken werden." Ich lächelte, während Alex den Blick ernst an meinen Vater gewendet hat. Wir stießen an und tranken unseren Champagner.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 11, 2018 ⏰

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