Alleine gegen den Untod

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Allein... Dies ist das Schicksal dem fast jeder Überlebende in das Auge blicken muss. Das, oder man findet eine gute Gruppe, in der keine Fehler erlaubt werden. Denn auch wenn man als Gruppe leichter entdeckt wird, ist man gemeinsam stärker. Wie auch immer... So etwas wie eine gute Gruppe finde ich nur in meinem Träumen. Mein Name lautet Xel und ich bin die letzte Königsgarde von Schloss Himmelsstein. Oder jedenfalls war ich mal Königsgarde... Unser Schloss... Wir hatten keine Chance. Jedes mal als einer von uns starb, kam er meistens nach kurzer Zeit als Untoter wieder auf die Beine und griff uns an. Es war schrecklich.
Unsere Mauern und Türme wurden von den massiven Wellen überrannt. Meine Kollegen starben, einer nach dem anderen, und als nicht mal eine minimale Chance auf einen Sieg mehr in Sicht war wollten ich, der König und mein Rivale Vry aus dem Schlosse fliehen. Wir waren ausgerüstet mit Silberschwert, Schild, einem Bogen und Silberpfeilen aus dem Arsenal. Was die besten Waffen gegen Untote waren. Nur mit einer göttlichen Segnung könnte eine Waffe noch effektiver gegen diese Bestien sein.
So kämpften und schossen wir den Weg des Königs frei, welcher unseren Eid hatte, dass wir ihn mit unserem Leben beschützen würden.
Wir stellten folgendes fest: Viele von denen die wir bekämpften waren trainierte mutige Krieger, welche auch noch bewaffnet waren. Kennt ihr die Sagen, dass Untote gedächtnislose Monster sind, die gerne die Zähne benutzen, öfters auch mit ihren bloßen Händen angreifen, aber zu dumm sind mit richtigen Waffen umzugehen? Alles nur Lügen um die Furcht der Menschheit einzudämmen! Untote oder auch Zombies, wie sie von einigen genannt werden, entwickeln sich nicht zurück nachdem oder während sie wiederauferstehen. Sie besitzen noch dasselbe Gehirn, den selben Körper, wie die Gefallenen. Und ihre Kleidungen und Rüstungen verschwinden auch nicht im Nichts. Sie sind fast genauso begabt im Kampf wie die Person welche sie sind mal war. Natürlich sind bestimmte Reflexe eingeschränkt, Bewegungen viel langsamer, ihre Körper verwundbarer und auch das logische Denken ist nicht mehr das Beste, aber das gleicht sich durch ihre massive Anzahl, ihre fehlende Furcht und fehlenden Schmerzen aus.
Glücklicherweise waren wir zwei speziell ausgebildet und rein theoretisch die besten Kämpfer im ganzen Königreich.
Wir konnten die Untoten sehr lange im Schach halten. Dunkelrotes Blut mit grünlichem Schimmer tropfte alle paar Sekunden von unseren Schwertern. Wir hatten keinen Ort zum zurückziehen, was uns gezwungenermaßen in eine zufällige Richtung gehen ließ. Nach einem langen Fußmarsch war der König zu erschöpft um weiterzugehen und Vry und ich waren zu erschöpft um weiter zu kämpfen. Unter Hunger leideten wir alle auch.
Zwei weitere Vorteile der Untoten: Sie wurden nie müde oder erschöpft und brauchten kein Essen. Woher ihre Energie zur Fortbewegung kommt? Das weiß ich selbst nicht.
Aber einen dieser Vorteile können die Überlebenden auch gut ausnutzen. Die Untoten benötigen keine Nahrung, was bedeutet, dass sich überall wo zuvor Nahrung war noch immer Nahrung befindet.
Mit diesem Wissen gingen wir in das nächstbeste Haus, in welchem sich zwei Untote befanden. Unsere Naivität war unser Untergang. Da wir mittelmäßig gut gerüstet waren dachten wir, dass uns einfache Untote aus der alten Mittelschicht nichts anhaben könnten. Tja... Falsch gedacht...
Wir wurden überrascht und da diese Untoten nicht mal ansatzweise belastet waren, waren sie umso schneller und genauer mit ihren Bissen. Wir könnten nicht schnell genug reagieren... Ein Untoter kam aus einem Nebenraum gesprintet, sprang auf den König und biss ihn an seiner Schulter.
Habt ihr schon mal von den Sagen gehört, dass man im Falle eines Bisses zweifellos in nächster Zeit in einen von diesen verwandeln würde? Noch eine Lüge. Oder etwas das nicht gründlich geprüft wurde. Die Wahrheit ist, dass falls es so weit kommt, dass ein Lebender von einem dieser Untoten gebissen wird, gibt es eine bestimmte Chance von einer Art Krankheit angesteckt zu werden. Falls dies der Fall ist, man schließlich krank ist und nichts dagegen unternimmt, muss die Krankheit außerdem dem Immunsystem der Person standhalten. Und falls diese Hürde umgangen wurde, spielt noch die Lebenskraft eine Rolle. Bei Wesen mit einer schwächeren Seele wie Tieren, welche normalerweise sowieso von Untoten ignoriert werden, ist diese Hürde so gut wie nicht vorhanden. Bei Menschen ist es eine größere Hürde... Manchmal eine so große, dass sie nur beim Todesfall umgangen werden kann. Naja... So viel jedenfalls zur automatischen "Verwandlung". Falls man vom Virus infiziert wurde und bald darauf stirbt, fast ganz egal wie, dann ist man beinahe sofort ein Untoter.
Vry wusste das alles offensichtlich nicht. Ach ja... Wie glaubhaft Sagen durch ihre Einfachheit manchmal sind...
Vry schrie als hätte er jetzt schon alles verloren. Schließlich war alles was er hatte und sein ganzer Stolz sein Beruf als Königsgarde. Und dies war schließlich der Fehler... Der Fehler, der unseren Untergang garantierte. So laut würde kein Untoter schreien können. Untote schrien manchmal aus Reflex, deshalb wurden die Schreie von diesen von anderen Untoten komplett ignoriert. Aber ein menschlicher Schrei mitten in einem Haus, welches wiederum in einem Dorf, das von Untoten wimmelte, welche sich sowieso zu Tode langweilten... Oder im Tode...? Im Halbtot? Wie auch immer.... Welche sich langweilten befand, war weder unauffällig noch schlau. Fast genau zeitgleich schlug ich dem einen Untoten den Kopf ab und Vry steckte seine Klinge in den Hals des anderen, bevor wir beide einen endgültigen Todesschlag durchführten.
Ja, Untote können auch einige Sekunden ohne Kopf auskommen. Ich habe absolut keine Ahnung wie das funktioniert, aber es ist so. Sie bewegen sich wirr umher und greifen das an, was ihnen vor die Arme kommt... Also sind sie nicht wirklich eine Gefahr, aber Fakt ist: sie leben irgendwie weiter... Falls man das leben nennen kann...
Beide nun doppelten Leichen fielen auf den Boden. "Du verfluchter Idiot!", sagte ich finster und wissend was auf uns zukam. Vry antwortete nicht und half dem König, der seine Schulter hielt und noch immer versuchte zu verarbeiten was in den vergangenen drei Sekunden geschehen war. Ich spannte in Eile meinen Bogen an und suchte verzweifelt einen Ausweg. Fenster waren ausgeschlossen. Viel zu klein. Falls wir zur Tür laufen würden, würden uns die Untoten liebend gerne unter sich aufnehmen. Der Keller schien mir auch nicht die schlauste Lösung, da wir dort alle nur auf unseren sicheren Tod warten könnten. Das Dach bot wahrscheinlich auch nicht die besten Fluchtmöglichkeiten, aber wir könnten wenigstens auf überhaupt eine hoffen. Ich deutete nach oben. Vry nickte und stützte und zog den König schon fast so hinter sich her, dass er selbst fiel. Es war nicht schwer zu sehen, dass es dem König nicht gut ging. Er war offensichtlich erkrankt. Stufe eins von drei.
So kamen wir oben an. Ein Stockwerk weiter unten war schon zu hören, dass die ersten paar Untoten das Haus durchsuchten. Im oberen Stockwerk befanden sich einige Zimmer, Bilder und, was das Einzige für uns nützliche zu sein schien, ein größeres Fenster. Eine ziemlich sehr gute Rettungsmöglichkeit. Für mich und Vry. Der König würde mit seiner jetzigen Verfassung sich nach dem Sprung sehr wahrscheinlich irgendetwas brechen und wir alle drei wären tot. Naja... Es würde fast genau auf das selbe hinaus kommen falls keiner springen würde.
Das schien wirklich jeder sofort begriffen zu haben. Uns blieb keine Zeit die anderen Räume zu durchsuchen und falls wir es doch taten, was sollten wir mehr erwarten?
"Ihr beide springt jetzt und lässt mich zurück! Ihr habt wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Hiermit seid ihr von eurem Eid entlassen!", sagte der König.
Zum König sollte ich vielleicht auch was sagen. Vry und ich verstanden uns eigentlich sehr gut mit ihm. Er war ein ganz netter Typ und als oberste Königsgarde kam es nicht selten vor, dass wir mal mit ihm redeten.
"Nein, nein... Das ist alles meine Schuld...", widersprach Vry. "Ich kann Sie nicht hier zurücklassen! Ich nehme meinen Eid wieder auf!", sagte er verzweifelt. Ihr wisst ja schon... Vry hatte nicht viel im Leben...
"Ein ehrenhafter Tod an Eurer Seite wäre mehr als gerecht. Und ich hätte wenigstens etwas im Leben... Ein Ding, was ich im Leben erreicht habe. Ich bleibe hier. Und wenn das auch bedeutet, dass ich mich Ihren Befehlen widersetze und mein Lebensende hier finde!"
Vry waren schon die Tränen gekommen. In einem besseren Zeitpunkt hätte ich das auch als "rührend" bezeichnet, aber... Ich meine... Da unten sind Untote die uns suchen und jeden Moment hier sein werden!
Der König nickte. "Nun gut. Ich weiß das zu schätzen. Auch wenn das weder dir noch mir etwas bringen wird!"
Als plötzlich beide mich anstarrten fühlte ich mich unwohl. War doch klar was sie jetzt sagen würden.
"Was ist?", fragte ich mit noch immer angespanntem Bogen. Ein Tipp für mich in der Zukunft: Spanne den Bogen nicht zu früh an! Das geht auf die Finger.
"Los! Spring!", sagte Vry auffordernd. "Wir wollen schließlich, dass wenigstens einer überlebt. Und... Wenn ich dich um einen Gefallen bitten könnte... Falls ich auch als Zombie ende, bitte töte mich. Ich will nicht als so etwas weiter existieren. Und wenn es auch streng genommen nur mein Körper ist! Du bist der bessere Zweikämpfer von uns. Sollte also für dich kein Problem sein."
"Und mich bitte auch!", ergänzte der König.
Wie ich bereits vorhergesagt hatte. War doch klar. Wer wollte denn als so etwas weiterleben?
Vry steckte den Großteil seiner Pfeile in meinen Köcher. "Und die kannst du haben. Ich werde sie wohl eher weniger brauchen..."
Das Letzte was ich noch von König hörte war: "Geh! Dies ist ein Befehl!"
Ich entspannte meinen Bogen und nickte. Dann sprang ich aus dem Fenster und rollte mittelmäßig gut ab. Mein Arm wurde zwar leicht verletzt und meine Kleidung riss leicht, aber wenigstens hatte ich weder Pfeile, noch meinen Bogen, noch mein Schwert und noch mein Schild verloren. Erst nachdem ich gesprungen war fiel mir auf, dass ich da gerade meine letzten Freunde auf Erden dem Tod überließ. Tja... Hatte ich schon erwähnt, dass ich auch nicht wirklich viel mehr als Vry besaß? Nein? Dann wisst ihr es jetzt. Aber ich besaß im Gegensatz zu ihm einen Willen zum Leben. Einen starken Willen zum Leben. Auch wenn dieser nach dem Leben meiner Freunde kam... Sie hatten sich selbst dazu entschieden... Und ich war ohne nachzudenken gesprungen... Und jetzt umzukehren wäre dümmer als einen Untoten zu umarmen.
Ich sah mich um. Einige Untote hatten natürlich meinen Sturz gemerkt. Ich wollte gegen keine Armee kämpfen, also lief ich erst mal weg. Aufgrund meines fast täglichen Trainings und meines unanfechtbaren Vorteils der Lebendigkeit war ich erstens schneller als alle Untoten und zweitens ausdauernd genug um aus dieser Gegend zu kommen und die Untoten abzuhängen.
Aber ich hatte meine Freunde zurückgelassen. Und bevor ich ihnen half, sollte ich wohl eher mir selbst helfen. Da wir im Haus vorhin überrascht wurden, konnten wir weder was essen, noch uns ausruhen. Also gut, dachte ich mir. Ab jetzt musste ich alleine zurecht kommen. Verlassen von jedem Freund. Umzingelt von Feinden. Ohne ein richtiges Hauptziel, bis auf das Überleben selbst. Jeder Fehler könnte mein Letzter sein.
Wenigstens war ich für keinen anderen mehr verantwortlich. Wenn mir so etwas wie Vry passieren würde und ich das überleben würde, wüsste ich nicht wie ich Nachts noch schlafen könnte... Im Hintergedanken, dass wegen mir einer sterben müsste... Grauenvoll muss dies sein...
Ich kam am nächsten Dorf an und schlich mich unauffällig in das nächste Haus. Diesmal hielt ich mein Schild und mein Schwert bereit und achtete darauf, dass mein Rücken frei war. Es stellte sich heraus, dass hier nur ein Untoter hauste, welcher schnell erledigt war. Ich nahm mir Zeit beim Essen und ruhte mich etwas auf einem der Stühle dort aus. Wie es aussah hielten die Untoten nicht viel vom Besuchen. Besser für mich.
Ab diesen Moment war ich wieder halbwegs zu Kräften gekommen und bereit mir einen Platz für die Nacht zu suchen. Die Sonne würde in den folgenden Sekunden untergehen, und soweit ich weiß sind Untote Nachts irgendwie... Stärker... Mächtiger... Naja... Das weiß ich nicht wirklich. Ich habe das nicht ausstudiert. Aber ich hatte es mal irgendwo gehört oder gelesen und ich wollte wirklich nicht noch eine Sage überprüfen. Vielleicht in ferner Zukunft einmal, falls ich mich sicherer fühlen würde, aber damals, heute und in der Zeit dazwischen nicht.
Meine Optionen für die eine Nacht waren nicht viele. Im Haus zu schlafen wäre leicht und logisch, jedoch wäre ich von Untoten umgeben und falls sich einer von diesen entschied seinen alten Freuden mal kurz hallo zu sagen, würde das... Sehr schlecht enden. Eine andere Option war die, raus zu gehen und dieses Dorf auszurotten. Das Dorf war von der Größe und wahrscheinlich auch den Einwohnern her nicht mal ein Zehntel von dem Dorf von vorhin, in welchem meine Freunde sehr wahrscheinlich gefallen waren. Es war zwar extrem viel gefährlicher als sich einfach hin zu legen und zu hoffen, dass keiner dieses Haus betrat, aber ich brauchte einen Weg meine Wut auszulassen. Bei den nur vielleicht 20 überall verteilten ehemaligen Dorfbewohnern, also gar nicht gerüsteten Untoten, könnte ich mich wagen nach draußen zu treten und mich den Monstern zu stellen. Von Pfeilen waren mehr als genügend da und meine übermotivierte und übermutige Gestalt spannte seinen Bogen ohne sich weiter Gedanken zu machen. Pfeile konnte man ja wieder einsammeln. Vor dieser Nacht würde ich den Untoten zeigen was ich mein ganzes Leben über gelernt hatte und mit dafür rächen was sie von mir genommen hatten.
Der Abend war in der Tat sehr... Blutig. Köpfe rollten, Blut spritzte, Pfeile flogen und viele bereits Tote starben zum zweiten und letzten Mal. Da immer nur einer oder zwei von denen auf einmal kamen, war es schon fast reine Routine ihre Körper von diesem Fluch zu befreien.
Trotzdem war es selbst für einen Typen wie mich nach einiger Zeit anstrengend. Ich hatte nachgezählt... 23 plus der eine im ersten Haus waren es insgesamt gewesen. So viele in weniger als einer Stunde ganz alleine zu erlegen ging sehr auf meine Muskeln, welche sowieso schon seit kurz nach dem Verlassen des Schlosses ermüdet waren, da wir da nicht gerade wenige Untote aus dem Weg des Königs und uns schaffen mussten. Ich hatte mir eine kurze Pause verdient... Keine Untoten waren mehr in der Umgebung... Sonst hätten sie sich schon lange gezeigt... So etwas wie Strategie gab es bei Untoten nicht. Entweder sie zeigten sich direkt sobald etwas auffälliges draußen vorging oder es waren keine Untoten da. Ich betrat eines der Häuser und legte mich auf ein Bett in diesem. Mein Bogen und die Pfeile legte ich auf eine Seite und mein Schwert und mein Schild auf die andere. Dann schloss ich meine Augen und dachte nach. Das war es mit diesem Tag. Ich hatte ihn überlebt. Ich hatte meine Freunde verloren und meine Zukunft auch, aber ich war am Leben als einer der wahrscheinlich nur noch sehr wenigen Menschen, die noch atmeten und sprachen. Morgen würde ich auch die Körper meiner Freunde vom Fluch befreien... Und falls ich das schaffen würde, hätte ich kein richtiges Ziel mehr... Nur noch das Überleben höchstpersönlich würde dann auf meinem Tagesplan stehen... Ich schwöre, ich werde kämpfen bis zu meinem bitteren Tod! Und falls ich sterben sollte, werde ich meinen Körper nicht den Untoten überlassen! Ich bin Xel, die letzte Königsgarde vom Schloss Himmelsstein und ich bin mir sicher die Einsamkeit wird mich loyal bis zu meinem letzten Atemzug in dieser Hölle begleiten...

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