Müde öffne ich meine Augen. In der Nacht habe ich kaum ein Auge zu bekommen. Diese Matratze ist einfach zu dünn, denn ich kann jede Bettgestelllatte durch sie hindurch spüren. Außerdem hat das Pärchen nebenan eine verdammt gute Ausdauer, fast schon filmreif. Blindlings greife ich zum Nachttisch und versuche mein Handy zu erwischen. Als ich es dann irgendwann in den Händen halte, blicke ich auf die Uhr.
"Shit!", fluche ich und springe aus dem Bett. Pompidou sieht mich mit einen fragenden Blick an.
"Schau mich nicht so an!", motze ich ihn an und ziehe schnell meine Schlafsachen aus, die ich in meinen Rucksack stopfe. Meine Alltagskleidung ist fast so schnell angezogen wie ich sie gestern ausgezogen habe. Für Zähne putzen bleibt keine Zeit, was ebenso für das Haare bürsten und Schminken gilt.
Ich stürme mit Pompidou aus dem Zimmer, der die Eile wohl als lustiges Spiel interpretiert und bellt freudig vor sich hin. Dabei rennt er beinahe ein altes Pärchen über den Haufen. Warte... ist das nicht das Pärchen von nebenan?
Ungläubig starre ich beim rennen nach hinten und stolpere daraufhin die Treppe hinunter. Nur das Gälender kann mich vor einen fatalen Sturz mit fünfzigtausend Prellungen retten, doch zum Ausruhen ist keine Zeit und Pompidou zieht mich in die Eingangshalle, wo ich den Schlüssel beim hinaus rennen den Rezeptionisten in die Hand werfe. Gut, vielleicht habe ich ihn den Schlüssel auch nur vor die Füße geworfen.
In der Stadt sind bereits alle Einwohner auf den Beinen und versperren mir den Weg zum Flughafen. Mühsam quetsche ich mich hindurch, flitze über die Straße und kletter über die Yaks hinüber, um dann endlich den Flughafen zu sehen. In der Eingangshalle stelle ich mich zum Informationstand.
"Namaste!", presse ich außer Atem aus.
Verwirrt schaut mich die Angestellte an. Wieso auch nicht? Zersaustes Haar, ungeschminktes Gesicht und keuchend. Welche Beschreibung trifft besser als die einer Vogelscheuche?
"Namaste...", grüßt sie vorsichtig, während ich aus meinen Rucksack die Tickets raus krame, die ich ihr dann triumphierend auf die Theke lege.
Zaghaft lächelnd schaut sie sich die Tickets an und nickt. Dann zeigt sie mir in eine Richtung.
"Tyahām̐ yō prakṣēpaṇa pyāḍa garna sātha jāncha. (Dort entlang geht es zum Landeplatz.)"
Leider habe ich keine Ahnung, was sie mir sagen möchte, aber ich nicke einfach und laufe in die gezeigte Richtung.
Ich trete hinaus auf die Landebahn und blicke mich um. Gerade startet ein Flugzeug und hebt ab. Als es hoch oben ist wird es still. Hier ist es definitiv anders als am Fraport. Immerhin landen oder starten Flugzeuge alle drei Sekunden. Hier ist es vielleicht jede halbe Stunde.
"Namaste." Hinter mir begrüßt mich ein dunkelhaariger Mann, der Ohrschützer auf den Schultern trägt.
Während ich ihn begrüße, reiche ich ihn meine Tickets, die er sich genau ansieht und mich anlächelt. Mit einen Kopfnicken weist er mich an ihn zu folgen. Nur wenige Meter weiter steht ein riesiger Helikopter auf seinen Landeplatz. Innen sitzt bereits der Pilot, der seinen Co-Piloten winkt, als er uns bemerkt. Während ich Pompidou in den Passagierbereich hebe, stölpt mir der Co-Pilot Ohrschützer auf und weist mich an, mich anzuschnallen. Danach schließt er die Türen und der Motor wird gestartet. Die Rotorblätter beginnen sich zu drehen und mit jeder Runde werden sie immer schneller bis sie kaum zu sehen sind.
Langsam hebt der Helikopter ab und gewinnt an Höhe. Als er die richtige Höhe erreicht fliegt er in Richtung Osten. Unter uns erstreckt sich eine atemberaubende Landschaft. Mal ist die Landschaft grün bestückt und dann auch mal kahl mit wenigen Nadelbäumen. Immer auf unserer linken Seite: der großartige Himalaya mit seinen puderweißen Gipfeln. So herrlich und schön, es verschlägt mir komplett die Sprache.
Nach einer guten halben Stunde verliert der Helikopter an Höhe. Ich blicke aus dem Fenster und staune nicht schlecht als ich den Airport sehe. Nein, das ist kein Airport, sondern ein Altiport. Denn die Landebahn hat gerade mal eine Länge von etwas mehr als 500m. Hab ich auch erwähnt, dass die Bahn mit einen 600m tiefen Abgrund endet? Panisch ziehe ich den Gurt enger, während meine Finger anfangen zu zittern. Habe ich vergessen zu erwähnen, dass der Lukla Flugplatz einer der gefährlichsten Flugplätze der Welt ist?
Vor mir plaudern die Piloten angeregt, als ob nichts wäre. Müssen die sich nicht konzentrieren, anstatt das letzte Fußballergebnis zu diskutieren? Krampfhaft umfasse ich den Gurt noch fester. Langsam, immer langsamer nähern wir uns den Boden bis wir sicher auf dem Grund landen. Gott sei Dank fliege ich mit einen Heli und nicht mit einen Flugzeug, sonst hätte ich einen Herzinfakt bekommen.
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Time to Travel
AdventureMelina Devillers hat ihren Job verloren, reicht die Scheidung ein und verliert ihren Sinn im Leben. Zusammen mit ihren Hund Pompidou packt sie ihre Koffer und macht sich auf die Reise. Dabei lernt sie neue Menschen kennen und das Leben lehrt ihr neu...