"Namaste!"
Freundlich begrüßt mich der Rezeptionist und ich lächle zurück. "Namaste!"
Ich lege mein Wörtebuch auf die Theke der Rezeption und blättere darin bis ich die richtige Seite finde, wo die vorgegebenen Sätze für Hotelbesuche stehen.
"Äh....Ma ēka... rātakō lāgi ēka ... kōṭhā ārakṣita garna cāhanuhuncha ...?", versuche ich ihn zu vermitteln, dass ich für eine Nacht übernachten möchte.
Er nickt langsam, aber ich habe das Gefühl, dass er mich versteht.
"Kukura (Hund)?", frage ich, "Hō (Ja)?"
Der Rezeptionist runzelt die Stirn und ich deute hinter mir, wo ein großer deutscher Schäferhund seinen Kopf schief legt, als ich ihn anblicke.
"Kukura?", versuche ich abermals und gestikuliere mit meinen Händen, ob er auch hier schlafen dürfte.
Daraufhin nickt der Rezeptionist und ich atme erleichtert auf. Endlich! Endlich habe ich ein schäbiges Hotel gefunden, dass auch Tiere aufnimmt!
"Ēka hajāra sāta saya ra sāta rupaiyām̐.", sagt er daraufhin und ich runzel die Stirn. Was? Offenbar bemerkt er meine Ahnungslosigkeit und nimmt sich einen Zettel heraus, auf dem er 1.707 schreiben. Ah!
Schnell packe ich meine Geldtasche aus dem Rucksack und zähle die Rupien ab. Ich runde auf 1.710 in der Hoffnung weiteren Komplikationen zu entgehen. Der Rezeptionist reicht mir einen riesigen fast schon mittelalterlichen Schlüssel, den ich in meine Hosentasche gleiten lasse.
Dann laufe ich zur Tür, die ich öffne, und mir entgegnet ein freudiger Hund, der an mir hoch springt.
"Ist ja gut!", freue ich mich auch ihn nach fünf Minuten wieder zu sehen. "Na komm, Pompidou!"
Ich leine ihn von der Säule los und führe ihn hinein ins Hotel, wo ich den Rezeptionisten noch einmal zulächle und laufe mit Pompidou die Treppen nach oben. Im Flur suche ich das Zimmer Nr. 19. An der Tür bin ich gefühlt fünfmal vorbeigelaufen, da das Zimmer zu einem am Arsch des Hotels liegt und die Ziffer 9 fehlt komplett an der roten, schäbigen Tür. Ich frage mich, wieso ich überhaupt den Schlüssel brauche. Die Tür geht auch so auf.
Das Zimmer ist in einen blassen Gelb gestrichen, wenn der Putz nicht gerade abblättert, und am Mobiliar wurde auch gespart. Ein Bett mit einer kläglichen Matratze, einen abgenutzten Schreibtisch und einen großen Kleiderschrank sind die einzigen Möbel in diesem Zimmer.
Neugierig beschnüffelt Pompidou die Möbel, während ich meinen Rucksack in den Schrank stelle. Danach öffne ich die Balkontür und trete hinaus. Der Balkon ist gerade mal einen Schritt breit und die Aussicht ist auch nicht gerade berauschend. Was habe ich auch erwartet? Ich bin am abgelegensten Platz in ganz Kathmandu.
"Komm, Pompidou. Wir sehen uns die Stadt an."Noch letzten Samstag habe ich im Büro gehockt, mich mit Aufputschmitteln zugedröhnt, um die Dokumente rechtzeitig fertig zu stellen, und bis in die Nacht durchgeackert. Das Schlimme ist, dass es noch nicht mal eine Ausnahme war. Jeden Tag das Selbe und dennoch war es mein Leben. Merkwürdigerweise habe ich es sogar genossen. Jeden Tag habe ich den Anreiz gehabt aufzustehen und diesen Job zu machen. Ich schätze, dass wenn man gut in etwas ist, hat man auch mehr Ausdauer. Aber da macht man einen Fehler als Investmentmanager und man ist seinen Job los. Doch das gehört der Vergangenheit an. Naja, es ist eine Woche her.
Nun schlender ich mit Pompidou auf den Wochenmarkt in Kathmandu auf der Suche nach einen neuen Sinn in meinen Leben.
Dafür, dass es schon spät ist, sind noch jede Menge Menschen auf dem Markt. Ich muss mich schon fast hindurch quetschen, damit ich überhaupt vorbei komme. Die Straße ist relativ breit und über der Straße hängen Leinen mit bunten Flaggen, die von einen Haus zum anderen Haus reichen. Außerdem muss ich auch noch darauf aufpassen, dass ich meinen Hund nicht verliere, der sich hier bei all den neuen Gerüchen nicht entscheiden kann, wo er zu erst hin rennen soll. Wohl oder Übel muss ich ihn an die kurze Leine nehmen. Dazu muss ich noch aufpassen, dass ich nicht in ein Yak hinein renne. Es ist einfach so anders hier! Die vielen kleine Stände, die hausgemachte Lebensmittel wie Brot und Käse anbieten. Aber mein persönliches Highlight ist definitiv der Yak-Parkplatz vor dem Markt. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie ist es lustig, wie die Yaks in einen großen Viereck eingeordnet sind. Nur leider haben mich die Yakhalter weggescheucht, als ich mich ihnen nähern wollte. Wahrscheinlich hätte ich sie aufgeschreckt. Also setze ich meinen Rundgang fort. Vielleicht bekomme ich morgen meine Chance ein Yak zu streicheln.Nachdem ich ein wenig die Stadt besichtigt habe und mir Brot und Käse als Proviant gekauft habe, hocke ich in einer Bar nahe des Marktplatzes. In der einen Hand ein kühles Bier und in der anderen Hand einen Stift. Ich muss noch diese hässlichen Scheidungspapiere ausfüllen.
Kopfschüttelnd lege ich den Stift zu Seite. Das kann ich nicht nüchtern machen. Aus meiner Tasche ziehe ich einige Rupie und lege diese auf den Tisch. Ich zeige auf eine Whiskeyflasche und der Barkeeper nickt, wonach er anfängt mir einen Drink zu machen. Währendessen kaut Pompidou auf einen gekauften Kuhknochen neben meinen Barhocker herum. Im Nu hat mir der Barkeeper den Drink gemixt, den ich mehr oder weniger auf ex trinke. Jetzt ist es definitiv besser und ich fülle die Lücken viel schneller aus, wenn auch schmuddeliger.
Gerade habe ich die Papiere fertig ausgefüllt, da kommen bewaffnete Polizisten in die Bar, die sich sofort zum Barkeeper drehen.
"Paṭṭī banda garnuhōs (Schließen sien den Laden)!", sagt der erste Polizist. Die anderen zwei Polizisten drehen sich zu den Gästen, bei denen es sich eigentlich nur noch um mich und einen älteren Herr in der Ecke handelt.
"Tyahām̐ bīsa-tīna AM cha. Ghara jā'ū (Es ist 23 Uhr. Gehen sie nach Hause)." Ich sehe ihn nur verwundert an. Was? Der Barkeeper tippt mir von hinten auf die Schulter. Er macht Handbewegungen als ob er ein Huhn weg scheuchen wollte. Ist es schon so spät? Ich schaue auf das Handy, welches mir anzeigt, dass es gerade mal kurz nach 23 Uhr ist. Aber ich möchte mich nicht mit ihnen anlegen, also ziehe ich meine Jacke an, setze meinen Rucksack auf und nehme Pompidou den Knochen weg, damit er auch endlich realisiert, dass wir los gehen.
Im Hotel gehe ich erstmal unter die Dusche. Entweder das Hotel hat kein warmes Wasser oder es wurde bereits abgestellt. Jedenfalls habe ich in meinen Reiseführer gelesen, dass die Regierung von Kathmandu eine Ausprägung des Nachtlebens verhindern möchte und deshalb alle Bars und Clubs um 23 Uhr dicht machen. Vielleicht gilt das auch für das warme Wasser. Länger als drei Minuten kann ich aber nicht unter der Dusche stehen, da es mir doch zu kalt wird.
Halb erfroren und vollkommen erschöpft lasse ich mich ins Bett fallen. Pompidou springt auf das Bett und legt sich zu meinen Füßen. Ich mache das Licht aus und schließe meine Augen, wobei es nicht lange dauert bis ich eindämmer. Jedoch werde ich schnell aus meinen Halbschlaf gerissen, als ich ein nerviges Gequitsche und lautes Gestöhne wahrnehme. Das kann doch nicht wahr sein!
Ich verdrehe die Augen und lege mein Kopfkissen über meinen Kopf. Kann sein, dass ich ein wenig neidisch bin. Ist bei mir schon lange her, dass ich Sex hatte.
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Time to Travel
PertualanganMelina Devillers hat ihren Job verloren, reicht die Scheidung ein und verliert ihren Sinn im Leben. Zusammen mit ihren Hund Pompidou packt sie ihre Koffer und macht sich auf die Reise. Dabei lernt sie neue Menschen kennen und das Leben lehrt ihr neu...