Historische Geschichte

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Wie sie da so saß, schaute sie aus wie eine Puppe. Liebreizend, hübsch, starr, unecht. Sie hatte ein verspieltes Kleid mit kleinen Perlen an und wirkte trotzdem dezent und war hochgeschlossen. So wie es sich gehörte. Doch das alles wollte einfach nicht zu ihr passen, das Kleid war bestimmt hübsch und entsprach der neuesten Mode, doch an ihr wirkte es lächerlich, wie ein Cowboy in Prinzessinnenkleid. Das Make-up das sie eigentlich schöner machen sollte, klebte an ihrem Gesicht wie Tinte. Natürlich, wenn man sie nur kurz ansah wirkte ihr Gesicht ebenmäßig, ihre Wangen rosig und ihre Augen groß. Doch sah man etwas genauer hin, bemerkte man, dass die Wimpertusche ihre Wimpern verklebte und ihre Augen zum Tränen brachte. Und an ihrem Hals hatte sich ein Ausschlag, wahrscheinlich von den starken Parfums, gebildet und den sie mit Puder verdecken versucht hatte. Unter ihren Augen waren dunkle Ringe zu sehen und in ihre Stirn hatten sich schon jetzt tiefe Falten eingegraben, obwohl sie erst 20 Jahre alt sein konnte.

Auf dem ersten Blick schaute sie aus wie jedes andere Mädchen in diesem Saal, doch bei genaueren Betrachten, sah man das sie eine gebrochen Frau war.

Er fuhr sich durchs Haar und überlegte sich wie es dazu kam das eine so junge Frau die ihr ganzes Leben hier im Schloss verbracht hatte nur schon so alt und erschöpft wirken konnte. Vielleicht zermürbte einen nicht nur die Gewalt und Armut die außerhalb des Schlossgeländes herrschten, sondern auch die tägliche Eintönigkeit, sich andauernd von anderen sagen zu lassen was man anzuziehen, wie man redet, wie man denkt soll und die ständige Angst nicht schön genug zu sein, nicht genug zu sein.

Mit einem leisen Seufzer, ließ er die Luft aus seinen Lungen entwichen. Gab es das eigentlich überhaupt. Eine Weg ein glückliches, freies Leben zu leben. Bis jetzt hatte er es noch nicht gefunden, aber das musste doch noch lange nicht bedeuten, dass es nicht existierte.

Sie schob sich verstohlen einen Bissen des Auflaufes in den Mund, was sogleich mit einem strengen Blich ihrer Tischnachbarin, anscheinend ihre Schwester, quittiert wurde. Sofort legte sie die Gabel wider auf den Teller und senkte schuldbewusst ihre Augen. Sie war bei weiten nicht dick, aber man sag, dass sie das Essen genoss. Sie blickte immer wieder verstohlen zu ihrer Schwester und dem Essen, als sie bemerkte, dass er sie schon die ganze Zeit ansah. Wäre ihr Gesicht nicht mit einer dicken Schicht Schminke abgedeckt, würde man wahrscheinlich sehen wie ihre Wangen sich rot verfärben. Er lächelte ihr zu und ihre Mundwinkel hoben sich leicht. Das Lächeln stand ihr, doch als sich ihre Schwester umdrehte setzte sie wieder die ausdruckslose Maske von vorhin auf.

Die Stunden vergingen schleppend. Es wurden immer wieder neue Gänge aufgetischt, Politiker und Könige hielten Reden, eine so langweilig wie die andere. Nichts bei dem seine Aufmerksamkeit erforderlich wäre. Nach der zehnten Ansprache in der es um das kommende Herbstfest ging, schweiften seine Gedanken ab. Er stellte sich vor wie die junge Frau wohl in Hosen und Hemd auf einem Pferd aussehen würde, ihre Haare zu einem dicken Zopf geflochten, aus dem sich schon ein paar Strähnen lösen. Ihr braun gebranntes Gesicht das ihn anlachte. Er schüttelte den Kopf, wo war er nur mit seinen Gedanken, er hatte einen Auftrag zu erfüllen und jetzt wurde es Zeit ihn zu Ende zu führen.

Er würde nun aufstehen, zur Tür gehen und dabei ausversehen stolpern. Dabei würde er eine kleine, aber sehr wirkungsvolle Bombe unter den Tisch rollen lassen. Sie war zwar nicht tödlich, damit würden sie sich nur auf dieselbe Stufe wie die Herrscher dieses Landes stellen, doch es würde trotzdem viele Verletzet geben, einen Sachschaden in Milliarden Höhe und ,das wichtigste, es würde die Menschen verunsichern, ihnen den Glauben ihrer sicheren und perfekten Welt nehmen.

Er erhob sich und ging langsam auf die Tür zu. Seine Gedanken wanderten wieder zu dem Mädchen. Was wäre wenn sie auch verletzt werden würden? Wenn sie schmerzen hatte? Sie saß nahe der Tür, er könnte sie einfach mit sich ziehen. Stopp, befahl er sich selbst. Sie war wie alle anderen, saß ihr in der Wärme, mit genügend Essen und unternahm nichts gegen die ganzen Hungernöte und Krankheiten die außerhalb des Schlosses herrschten. Sie war arrogant und grausam und hatte deswegen keine Gnade zu erwarten. Verdammt er fand sie doch nicht ein hübsch, mit ihren Make-up und dem Kleid. Außerdem würde er es mit ihr sicher nicht unbemerkt aus dem Gebäude schaffen. Er schüttelte den Kopf um auch ja die letzten Gedanken an sie zu vertreiben und marschierte entschlossen zur Tür. Doch als er bei ihrem Stuhl vorbeikam, ließ er sich zu Boden fallen und riss ihren Stuhl mit. Verdammt, wie was das denn passiert! Schnell sog er die Bombe aus seiner Tasche. Sie war nicht größer als eine Kinderfaust und doch so zerstörerisch. Er aktivierte sie und ließ die Kugel unbemerkt unter den Tisch rollen.

Die Frau lag noch immer benommen am Boden, die anderen Gäste starrten sie stumm an, als könnten sie es nicht glauben, dass wirklich jemand so ungeschickt sein konnte. Er überlegte, so ungeschickt konnte wirklich niemand sein, denn die Stühle waren schwer. Man müsste schon viel Kraft aufbringen um sie umzuwerfen, das ging nicht einfach man gegen einen lief. Aber er wollte, das doch nicht oder?


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