Der Händler

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"Kyra! Du kleine Göre! Wenn du schon die Pferde hungern lässt, dann geh rüber in die Scheune und frag Frau Tysann was du als nächstes machen kannst", schrie mich der fleißige, ältere Junge an. Sie merkte sich keine Namen, weil alle für sie unbedeutend waren. Kyra rollte bloß ihre Augen und verkniff sich eine freche Antwort. Sie blieb still und ging rüber zur Scheune. "Da wartet sie schon, die griesgrämige alte Hexe, die mich immer am meisten schuften lässt", dachte sich Kyra.

"Fräulein, Fräulein. Wie ich höre bist du schon wieder am Faulenzen gewesen. Nun, du weißt ganz genau was das heißt, nicht wahr?", sagte Frau Tysann und blickte von oben herab auf das junge Mädchen. "Ja, Extraarbeit."
"Genau, Extraarbeit. Also..."

Sie zählte eine langweilige Arbeit nach der anderen auf. Kyra hörte gar nicht zu. Vertieft in ihren Gedanken, wie sie denn endlich aus dieser Hölle entkommen könnte, hörte sie bloß ein dumpfes Geräusch, das in ihre Richtung hallte. "Wann hört sie endlich auf zu reden und lässt mich in Ruhe?", fragte sie sich.

Nach einigen Minuten der unnützen Belehrung, fing Kyra an die Scheune auszuräumen. Als sie lustlos das alte, verdreckte Heu aus der Scheune brachte, sah sie jemanden, der ihr fremd war.

Er trug eine große, klimpernde Halskette in der Farbe Rot. Auf einem Pferd sitzend ritt er durch die Straße. Kyra beobachtete, wie die anderen Dorfbewohner genauso wie sie aufhörten zu arbeiten. Sie sahen den Mann an, denn es war das erste mal seit vielen Jahren, dass jemand hierher kam. "Hört ihr einfachen Leute, hört. Ich komme zu euch, um euch Dinge aus dem Süden zu bringen", sagte er und stieg mit einem lächeln von seinem Pferd runter.

Kyra war positiv erstaunt von dem Mann. Sie starrte noch einige Sekunden länger als die anderen Dorfbewohner auf ihn, bis ein anderes Waisenmädchen sie mit geballter Faust von hinten schubste. "Hey kleiner Faulpelz. Du sollst weitermachen und nicht geistlos durch die Gegend glotzen", schimpfte sie.

Ein Moment der Stille wünschte sie sich und der wurde ihr verweigert. Beäugt von Frau Tysann musste Kyra zügig weiterarbeiten, um dann später Brot von gestern zu bekommen; und dann schließlich völlig ausgelaugt in das knatternde Bett eine ungemütliche Nacht zu haben.

Das unglückliche Mädchen #abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt