Kapitel 1

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Im Klassenzimmer war es ruhig, ich konnte nur das Kratzen der vielen Füller auf dem Papier vernehmen. Seufzend wandte ich meinen Blick dem Fenster zu und starrte hinaus auf den großen Baum vor dem Fenster. Ich genoss die Ruhe im Klassenzimmer, sie war doch so selten... Auch, wenn es etwas gehässig war, war ich fasst glücklich über die Tatsache, dass die 6C heute Deutschschularbeit schreiben musste und ich somit 2 Stunden Zeit hatte, nichts zu tun, im Klassenzimmer zu sitzen, meiner Klasse beim Schreiben zuzusehen, ab und zu Fragen zu beantworten und die Schularbeiten später zu kontrollieren. Zwar musste jeder Lehrer die Arbeiten innerhalb von einer Woche kontrolliert und mit Noten in roter Schrift versehen der Klasse zurückgeben, allerdings wusste ich jetzt schon, dass ich diese Frist nicht einhalten würde, weshalb ich mir wieder einmal eine meiner berüchtigten „Grippen" einfangen würde müssen, die allerdings eigentlich eher aus dem Essen von Unmengen von Eis vor dem Fernseher und gleichzeitigem Kontrollieren der letzten Schularbeiten bestand.

Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass bereits 1:30 Stunden der vorgegebenen Schularbeitszeit vergangen waren. Ich seufzte. „Wie weit seid ihr?", fragte ich in die Kasse, während ich mir einen weiteren Kaugummi zwischen die Zähne klemmte. Ein aufgeregtes Gemurmel brach in der Klasse los und ich nahm eiligst die Beine vom Tisch, stand auf und versuchte, für Ruhe zu sorgen. „Wie weit seid ihr denn nun?", rief ich erneut, diesmal sogar noch etwas lauter. „Bitte, ich bin noch nicht einmal bei der Hälfte!", sagte Jonas, ein rothaariger, schlaksiger Bub mit Sommersprossen und dunklen, ja, fast schwarzen Augen. Ein zustimmendes Gemurmel brach in der Klasse aus und ich seufzte resigniert. „Wir überziehen, statt der Französischstunde mit mir haben wir noch eine Stunde Deutsch, aber beeilt euch, länger kann ichs nicht mehr hinauszögern! Und nicht vergessen, was ich euch immer sage: Was im Klassenzimmer passiert, bleibt auch da. Und zwar nur da und nicht bei euren Eltern, anderen Kollegen oder dem Direktor!" Erneut nickten alle brav und beugten sich dann erneut über ihre Blätter. Ich nahm meine gewohnte Pose wieder ein, legte meine Beine auf das Lehrerpult und wendete meinen Blick zum Fenster.

Als ich nach der Stunde das Klassenzimmer verließ und wie immer die Schüler, die mir ein schönes Wochenende nachriefen, ignorierte, bemerkte ich, wie mich der Direktor der Schule mit einem eigenartigen Blick musterte, als ich an ihm vorbei ging. Ich lächelte ihn freundlich an und grüßte ihn mit einem flüchtigen Winken, nur, um sicherzugehen, dass er keinen schlechten Eindruck von mir hatte, sonst würde er irgendwann noch beginnen, sich bei den Schülern nach meinem Unterricht zu erkundigen und das könnte, ja würde sogar bestimmt übel für mich enden, wenn einer der Schüler ihm erzählte, dass mein Unterricht nicht im Geringsten dem des Lehrplans entsprach. Ich war mir zwar eigentlich sicher, dass keiner der Schüler dem Direktor einen Hinweis auf meine leicht fragwürdigen Unterrichtsmetoden geben würde, da ihre Noten, und damit ihre Chance auf den Aufstieg in die nächste Schulstufe, von meiner Wenigkeit abhingen, doch trotzdem bereitete mir der Gedanke, dass der Direktor mir und meinem Unterricht leichtes Misstrauen schenkte, Kopfzerbrechen.

Ich ging rasch die Treppe hinunter, bog in den langen Gang, der zum Lehrerzimmer führte, ein, legte dort die Deutschschularbeiten auf meinen Tisch, nahm meine Jeansjacke vom Kleiderständer und verließ eiligst das Gebäude. Allerdings benutze ich nicht den Vordereingang, durch den alle Lehrer aus und ein gingen, sondern den Hintereingang, denn der führte zu einem winzigen Hof, den kaum jemand betrat. Sobald ich den leichten Lufthauch des Windes, der auf dem Hof die Blätter durcheinander wirbelte, auf meiner Nasenspitze spürte, holte ich eine der kleinen Zigaretten aus der Dose, die sich immer in meiner Jackentasche befand, und zündete sie hastig mit meinem rosafarbenen Feuerzeug an. Schon der erste Zug versetzte mich in einen ruhigen, glücklichen Zustand, und ließ mich meine Sorgen um den Direktor vergessen. Sofort zog ich erneut an der Zigarette, immerhin musste ich mich beeilen, in spätestens zehn Minuten sollte ich wieder in meiner Klasse stehen und unterrichten. Ein nervöser Blick auf meine Armbanduhr zeigte mir, dass ich wohl keine Zeit haben würde, das Gras fertig zu rauchen. „Verflucht...", murmelte ich und drückte die Zigarette an der Hausmauer aus, schmiss sie dann in eine Ecke und kramte dann eine weitere kleine Dose, auf der ein Engel mit großen, bunten Flügeln abgebildet war, aus der Tasche, öffnete sie, holte eine kleine, kreisrunde Tablette heraus und schluckte diese hastig hinunter. „Das dürfte reichen...", murmelte ich, bevor ich zurück in das Schulgebäude ging. Sofort steckte ich mir noch einen Kaugummi zwischen die Zähne und machte tüchtigen Gebrauch von meinem Bodyspray, damit weder die Kollegen, noch die Schüler den eigentümlichen Geruch, der nach dem Kiffen überall an mir haftete, bemerkten. Als ich zehn Minuten später in meiner Klasse einen Zettel mit der Überschrift: „Rauchverbot an Schulen" austeilte, hätte ich fast gelacht, so skurril war die Tatsache, dass ausgerechnet ich dieses Thema mit ihnen behandelte.

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