Kapitel 4

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Am Abend saß ich am Küchentisch und dachte verzweifelt über eine vernünftige Erklärung, die Gabi, die zweifellos ein schlaues Kind war, als glaubwürdig erscheinen könnte. Während ich mir die sechste Zigarette in den Mundwinkel klemmte und anzündete, betrat meine Mitbewohnerin Alison den Raum. Ihre geröteten Augen und ihr verträumtes Lächeln zeigten mir, dass sie wohl ebenfalls Gras geraucht hatte. Langsam ließ sie sich neben mich auf einen der Stühle, die rund um den Küchentisch standen, sinken und sah mich mit glasigen, etwas leer wirkenden Augen an. „Sag ihr doch einfach, du hast dich geirrt und es war doch nicht Gabi!", schlug sie vor. Ich drehte mich genervt zu ihr um. „Und du glaubst wirklich, dass sie oder der Direktor mir das auch nur für einen Moment glauben?!" Sie zuckte die Schultern. „Was anderes fällt mir aber auch nicht ein... Du kannst ihr ja schlecht sagen, dass wir beide uns zu Hause die Seele aus dem Leib Kiffen und du es in der Schule keinen ganzen Tag ohne aushältst..." „Erstens kiffst DU dir die Seele aus dem Leib, ich mache das bloß ab und zu zur Entspannung und in der Schule lediglich, um die Stunden mit diesen entsetzlichen Schülern zu überstehen... Und zweitens ist das gar keine so schlechte Idee..." Ali sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Hast du jetzt etwa doch auf härtere Drogen zurückgegriffen oder wieso hast du so unfassbar dumme Ideen?", fragte sie mich und tippte sich mit ihrem Zeigefinger an die Stirn. Ich winkte ab und begann mit einem siegessicheren Lächeln, die Schularbeiten der Schüler zu kontrollieren. Vielleicht schaffte ich es ja zum ersten Mal in meiner Laufbahn als Lehrerin, die Schularbeiten pünktlich zum Rückgabetermin zurückzugeben. Als ich bei Gabis Arbeit angekommen war, verzog ich angewidert das Gesicht. „Sinnvoll mit einem n?! Großer Gott, mein Duden weint!", murmelte ich, versah das Blatt mit drei roten Rufzeichen und schrieb groß „Herzinfarkt" an den Rand des Blattes.

Am nächsten Tag beschloss ich, noch vor der ersten Stunde mit Gabi zu sprechen. Ich bat Lea, bei der Gabi in der ersten Stunde Englisch gehabt hätte, sie für diese Stunde zu entschuldigen, da sie einiges mit ihr zu besprechen hätte, und, wie zu erwarten, willigte Lea sofort ein und versprach sogar, Gabi zu mir hinunterzuschicken, damit ich nicht extra hinaufgehen müsse, um sie zu holen. Als, gute zehn Minuten später, Gabi vor mir stand, sperrte ich eine der Klassen im ersten Stock, die im Moment leer stand, auf und hielt ihr die Tür auf. Zögerlich trat sie ein und setzte sich auf einen der Stühle, ich lies mich neben ihr auf einen Sessel sinken. „Ich weiß, dass du dich ungerecht behandelt fühlst und ich weiß, dass du glaubst, ich habe dir das nur angehängt, weil ich dich nicht ausstehen kann. Aber das stimmt nicht. Ich halte dich für ein äußerst liebes und verständnisvolles Mädchen und genau aus diesem Grund habe ich das Ganze genau dir in die Schuhe geschoben. Ich glaube, ich sollte dir einiges erklären, ich... Meine Mitbewohnerin und beste Freundin Alison hat seit einigen Monaten ein großes Problem... Sie... Sie nimmt ständig Drogen und kommt aus dieser Sucht nicht mehr heraus... Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre... Hat jetzt auch noch unsere Vermieterin Wind davon bekommen und jetzt droht sie uns mit dem Rausschmiss, wenn sie auch nur eine Cannabis Zigarette in unseren Mülltonnen findet... Also habe ich begonnen, die Stummel der Zigaretten hierher mitzunehmen, um sie auf der Straße in den Müll zu werfen...", ich machte eine kleine Pause und schniefte. „In den Pausen gehe ich gerne auf diesen kleinen Hof, um zu weinen, das ist der einzige Ort, an dem ich dem schrecklichen Kummer über meine Freundin Luft machen kann und dabei... Dabei müssen mir einige Male welche von den Stummeln aus der Tasche gefallen sein... Aber das konnte ich dem Direktor doch nicht erzählen, der würde mich doch sofort feuern, wenn er von der Sucht meiner Freundin wüsste... Aber ich kann doch nicht auch noch meinen Job verlieren, das ist doch das Einzige, was uns über Wasser hält..." Ich stütze meinen Kopf in meine Hand und wischte mir mit der anderen über die Augen. „Es tut mir sehr leid, dass ich dich beschuldigt habe, ich werde sofort zum Direktor gehen und ihm alles gestehen..." Ich seufzte lange und laut und wischte mir noch einmal über die Augen. Ich musste keine zehn Sekunden warten, schon öffnete sich Gabis Mund und heraus kam die heiß ersehnte Antwort. „Nein, das müssen Sie nicht! Ich hatte ja keine Ahnung, dass... Dass es Ihnen so schlecht geht ich... Es tut mir leid, ich werde zugeben, dass ich die Zigaretten geraucht habe, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, ich..." Ich sie mit meinen blauen Augen erleichtert an. „Das würdest du wirklich für mich tun?" Ich schniefte gerührt und lächelte sie dankend an. Gabi lächelte ebenfalls, dann meinte sie, nach einem flüchtigen Blick auf die Uhr, dass sie jetzt nach oben in ihre Klasse gehen müsse, da ihre Mathestunde in einigen Minuten beginnen würde. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. „Das hätten wir auch geschafft...", murmelte ich. „Sie ist viel zu lieb und naiv...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 06, 2017 ⏰

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