Ich beobachte Jenna, wie sie nachdenklich aus dem Fenster starrt. Draußen regnet es. Ich weiß nicht wie lange wir hier schon sitzen. Schon seit Minuten sagt keiner von uns ein Wort.Ich wusste von Anfang an, dass es eine dumme Idee war. Wahrscheinlich habe ich zu viel hinein interpretiert, dass sie in der Schule immer so nett war und die einzige war, die mich nicht als Freak bezeichnet hat.
Jetzt wo wir beide in diesem kleinen Cafe sitzen, weiß keiner von uns beiden, was er sagen soll. Ob Jenna in diesem Treffen überhaupt dasselbe sieht, wie ich? Ich bezweifele es. Ich beobachte sie weiter, wie sie ihre Tasse gefüllt mit heißer Schokolade in der Hand hält, als wäre ihr kalt und sie müsste sich daran wärmen. Ich lasse meinen Blick weiter wandern. Ihre leicht rötlichen Haare reichen ihr bis knapp an die Schultern und sind heute leicht gewellt. Ihre Lippen sind wie immer rot und sie trägt den grauen Pullover, den ich so gerne an ihr mag.
In der Schule sprechen wir meist über die Lehrer oder den Unterricht, aber das hier scheint nicht der richtige Zeitpunkt oder richtige Ort zu sein, um über die Schule zu reden. Wenn ich darüber nachdenke, wird mir klar, dass ich Jenna noch nie außerhalb der Schule getroffen habe.
Es hat mich ganze drei Wochen gekostet bis ich mich dazu überwinden konnte sie zu fragen, ob sie Lust hat auch mal etwas außerhalb der Schule zu machen. Damals habe ich mich riesig gefreut, als sie ja gesagt hat und mich angegrinst hat, aber gerade bezweifele ich ob es so eine gute Idee war.
Vor einer Stunde wusste ich noch genau, was ich sagen wollte und habe mir Gespräche in meinem Kopf ausgemalt, aber da war ich auch noch zuhause. Außerdem ist in meinem Kopf alles möglich gewesen. In meinem Kopf würde Jenna mich niemals zurückweisen. In der Realität könnte es aber ganz anders sein. Ich kann nicht wissen was Jenna tun oder sagen wird und das macht mir etwas Angst. Komm schon reiß dich zusammen, Nele. Ich weiß, ich sollte lieber mit Jenna reden, als mit mir selbst, aber mir fällt schier nichts ein. Ich habe einfach keine Ahnung, was ich sagen soll oder wie ich es sagen soll.
Jenna stellt ihre Tasse ab und unsere Blicke begegnen sich. Ihre Augen sind brau. Ich lächele sie an, bevor ich mich dem Muffin auf meinem Teller widme und mich frage, wie es wäre, wenn ich einfach mit der Wahrheit heraus hauen würde. Aber kann ich dass denn so einfach tun? Ich habe Angst, dass Jenna sich dann wieder von mir distanziert und das möchte ich nicht. Ich bin gerne mit ihr zusammen und sie tut mir gut. Dank ihr schaffe ich es wieder jeden Tag in der Schule zu erscheinen. Der Schule ein Ort, der für mich der reinste Horrorfilm ist, aber das ist eine andere Geschichte, die viel zu lange ist, um sie zu erzählen. Wenn sie nicht wäre, dann würde ich glaube ich einfach wieder in mein Loch fallen. Egal wie mies es mir geht, wenn ich sie sehe und ihr Lächeln, dann vergesse ich all meine Probleme für einen Augenblick. Dann existiert nur noch sie in meiner Welt. Wie sie lacht, wie sie spricht und wie sie sich ihre Haare immer wieder hinters Ohr streicht. Ich beiße mir auf die Unterlippe und schüttele kaum merklich den Kopf.
"Irgendwie komisch das hier alles, hm?", bricht Jenna die endlose Stimme.
Sie sieht mich fragend an und ich kann ihr nur zustimmen. Das ist meine Chance ihr zu sagen, wieso ich sie eingeladen habe. Ich muss es einfach riskieren. Ich kann nicht bloß weiter so tun, als wären wir bloß Freunde. Freunde bekommen kein Herzklopfen, wenn der andere in der Nähe ist. Freunde grinsen nicht wie ein Idiot, bei dem Gedanken daran den anderen zu sehen. Freunde denken nicht darüber nach, wie es sich anfühlen würde den anderen zu küssen. Das musste ich letztendlich erkennen. Das -was auch immer es sein mag- was ich für Jenna empfinden geht weit über normale Freundschaft hinaus. Leider habe ich keine Ahnung, ob sie das auch so sieht.
"Schon, aber es gibt einen Grund, wieso ich dich hier treffen wollte", beginne ich. Meine Stimme ist ein wenig leiser als sonst. Verdammt. Ich glaube zwar nicht, dass Jenna das irgendwie erkennen wird, aber ich bin total nervös.
"Die guten Muffins?", scherzt sie und bringt mich zum Lachen. Ich mag es, dass sie es immer wieder schafft mich zum Lachen zu bringen.
"Naja, die sind auch ein Grund, aber nicht der Hauptgrund", sage ich und muss immer noch ein wenig grinsen.
"Und der wäre?", möchte sie wissen und zieht eine Augenbraue in die Höhe.
Ich zögere meine Antwort ein wenig hinaus in dem ich noch einen Schluck von meinem Kaffee nehme. Wie soll ich die Worte in meinem Kopf bloß ordnen, damit sie halbwegs Sinn ergeben?
"Ich weiß nicht wie ich es sagen soll, aber ich...naja", na super, jetzt wird es peinlich Amelie. "Ich mag dich echt gerne."
Irgendwie habe ich mir das in meinem Kopf nicht so vorgestellt. Am liebsten würde ich mir jetzt selbst eine Ohrfeige verpassen, weil ich es nicht geschafft habe meine Worte so auszudrücken, dass es klar und deutlich wird was ich für sie empfinden. Ich mag dich? Habe ich das gerade wirklich gesagt?
"Ich mag dich auch. Du bist cool und auf jeden Fall kein Freak."
Ich muss das jetzt klar stellen, sonst wird das nie mehr was.
"Danke, aber ich mag dich mehr als...naja...mögen unter Freunden denke ich", stammele ich und kann mir vorstellen, dass ich dabei ganz rot werde. In meiner Vorstellung war das alles nicht so peinlich.
Jenna sieht mich für einen Augenblick überrascht an.
„Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Damit habe ich echt nicht gerechnet", murmelt sie und sieht in ihre Tasse.
Ich nicke und schweige. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie dasselbe empfindet. Ich wollte es nur endlich gesagt haben.