Kapitel I: This is how it goes

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Es war kalt im Klassenzimmer. Das Fenster stand offen und die Heizung war abgedreht. Verständlich, denn es war Hochsommer mit siebenunddreißig Grad im Schatten. Doch trotz dieser Außentemperatur, saß Damien mit Pullover neben dem offenen Fenster und fror regelrecht. Er konnte sich nur schwer auf die Worte des Geschichtsprofessors konzentrieren, der gerade über die amerikanische Situation im Zweiten Weltkrieg sprach, aber es interessierte den Jungen sowieso nicht. Viel zu sehr war er mit seinen Gedanken beschäftigt, die sich um seine Vergangenheit drehten. Er seufzte leise, legte den Kopf auf die Arme und schloss die Augen.

Sofort erschien eine alte Erinnerung in seinen Gedanken. Eine junge Frau, die auf einem alten Orientalteppich saß. Die rötlichen Haare fielen ihr in sanften Wellen über die Schulter, ihre hellbraunen Augen wirkten warm und freundlich, als ein kleiner, schwarzhaariger Wuschelkopf auf sie zugelaufen kam. Sie lachte fröhlich, als sie den Jungen, der gerade erst laufen gelernt hatte, auffing und ihn auf die Wange küsste. Der Junge grunzte vergnügt und schmiegte sich enger an die Frau, die gerade erst siebzehn Jahre alt geworden war. Plötzlich kniete sich ein Mann hinter die Frau, er lächelte ebenfalls. Der Lockenkopf quietschte auf, als der Mann ihm einen kleinen Fellball, der sich als Kätzchen entpuppte, hinhielt. Begeistert griff der Junge nach dem Tier und...

„Mr Morgan", donnerte es plötzlich vor Damiens Tisch, weswegen er langsam und verschlafen die Augen öffnete. Er musste ein paar Mal blinzeln, um erkennen zu können, dass der alte Geschichtsprofessor, Mr Hastings, vor ihm stand, mit dem Zeigestab in der Hand. „Wenn mein Unterricht Sie so sehr langweilt, dass Sie schon auf ihrem Tisch einschlafen, dann bleiben Sie doch bitte das nächste Mal zuhause. Ich brauche niemanden in meinem Unterricht, der die amerikanische Geschichte nicht zu Hundertprozent ernst nimmt. Haben Sie das verstanden, Mr Morgan?" „Wieso verlegen Sie den Unterricht nicht einfach zu sich nach Hause? Da stören Sie niemanden beim Schlafen", nuschelte Damien leise, als sein Kopf wieder langsam Richtung Tisch glitt.

Im Hintergrund war leises Lachen zu hören, doch der schwarzhaarige Junge überhörte es gekonnt. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass die anderen Schüler sich über ihn lustig machten. Vor zwei Tagen erst hatte Kendrick sich über Damien ausgelassen, weil er mit einem kaputten Pullover in die Schule gekommen war. Es war derselbe Pulli, den er auch jetzt gerade trug. Der Junge war froh darüber, dass die Sticheleien von heute Morgen wieder nachgelassen hatten, denn als Kendrick in der Früh mitbekommen hatte, dass er drei Tage in Folge denselben zerschlissenen Pullover anhatte, hatte Kendrick auch die anderen Schüler dazu aufgerufen, Damien auszulachen. Und diese hatten es sich natürlich nicht nehmen lassen, wieder über ihn herzuziehen.

„Entweder Sie bleiben jetzt bei vollem Bewusstsein und hören mir zu, oder Sie können sich gleich auf den Weg zum Direktor machen. Dorthin finden Sie ja bestimmt alleine", riss Hastings Stimme Damien wieder aus den Gedanken, woraufhin er nur müde erwiderte: „Nein, danke. Ich bleibe lieber sitzen." „Dann folgen Sie gefälligst auch dem Unterricht." Der Professor drehte sich um und Damien konnte noch ein leises ‚unhöflicher Balg' vernehmen, doch darüber konnte der Junge nur müde lächeln, als sein Kopf nun wieder auf dem Tisch landete und ihm die Augen langsam wieder zufielen.

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Damien erwachte mit einem merkwürdigen Gefühl in den Knochen und einem dumpfen Brummen in seinem Schädel. Träge hob er den Kopf und öffnete die Augen, wobei er ein paar Mal blinzeln musste, damit er sich an die tiefstehende Nachmittagssonne gewöhnte. Mit einem herzhaften Gähnen sah er sich im Klassenzimmer um. Es war niemand mehr hier, wie zu erwarten. Die anderen hatten ihn einfach schlafen lassen, wie so oft. Die Uhr neben dem White Board zeigte bereits vier Uhr an, weswegen Damien mit langsamen Handgriffen die Bücher in seinem Rucksack verschwinden ließ und mit diesem auf der Schulter danach den Raum verließ.

Silence The CityWhere stories live. Discover now