III

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Zwei Monate später

Harry

Ich wartete in meinem Gemach auf ihn. Louis. Den Diener. Meinen besten Freund. Als sich Schritte näherten, hörte ich, wie mein Leibwächter direkt verschwand. Das hatte sich so eingespielt. Louis klopfte gegen die Tür und ich öffnete. "Harry! Wo warst du heute?", fragte er direkt besorgt und fiel in meine Arme. Ich schmunzelte und schloss die Tür. "Ich hatte eine Verabredung mit dem Abgeordneten des Adelshauses Swift aus Amerika." Er ließ mich los und sah mich bedrückt an. "Oh. Wegen deiner Hochzeit..." Ich nickte ebenso bedrückt und ging zu meinem Bett, um mich darauf zu setzen. "Ja... Die Familie wird nächste Woche anreisen, damit Taylor und ich uns kennenlernen.", sagte ich leise. Louis vermied den Blickkontakt. Aber ich wusste schon lange, dass da irgendwas war. Ich bemerkte seine Blicke, sein Herzrasen, wenn ich ihm nahe war und die Gänsehaut, sobald ich ihn berührte. Es ging mir nicht anders. Irgendwann hatte ich es nicht mehr ausgehalten und ihn zu mir holen lassen. Jetzt kam er jeden Abend und ging erst gegen Mitternacht wieder, und diese Zeit war immer die schönste des Tages. Ich seufzte und stand auf, um ihn zu mir zu ziehen. "Lou... bitte...", flüsterte ich.

Plötzlich hob er den Kopf. Er sah mir in die Augen, dann sprang sein Blick tiefer auf meine Lippen. Ich schluckte, als ich bemerkte, dass sein Atem meinen streifte und wir uns so nah standen, dass ich Angst haben musste, er könnte mein schlagendes Herz spüren. Ich hielt ihn immernoch an den Oberarmen fest, aber mein Griff wurde plötzlich um einiges lockerer. Die Zeit blieb stehen, nichts bewegte sich mehr, kein Geräusch unterbrach die Stille. Außer unser Atem, den ich so deutlich hörte, wie noch nie zuvor. Louis war das einzige, das sich bewegte. Er bewegte sich auf mich zu, langsam, nervös. Ich merkte, wie ich ihm entgegen kam. Als seine Lippen meine berührten, verlor ich meinen Verstand. Meine ganze Wahrnehmung beschränkte sich auf dieses unbeschreibliche Gefühl, das von unseren Lippen aus ging. Ganz vorsichtig begann er, seine Lippen gegen meine zu bewegen und ich stieg, kopflos wie ich war, darauf ein. Er küsste mich. Wir küssten uns. Ich hatte meine Augen geschlossen und er legte seine kleinen Hände auf meine Taille, um mich näher zu ziehen. Nach Luft schnappend setzten wir immer wieder ab, fanden einander aber sofort wieder und setzten den Kuss fort, um nochmal in den berauschten Zustand zu verfallen, in den uns diese Zärtlichkeit versetzte. Dann lösten wir uns langsam, aber ich traute mich nicht, ihn anzuschauen.

Mein Hirn kam zurück und damit die Erkenntnis. Das Herzrasen, das Kribbeln im Bauch, die Faszination für ihn. Das Gefühl. Ich hatte mich Hals über Kopf in Louis verliebt. Als ich meine Augen aufschlug, sah ich, wie er mich mit Tränen in den Augen ansah und stammelte: "Oh mein... H-Harry, ich... Also... Nein, ich... Harry..." Er wich zurück und eine Träne rollte über seine Wange. Schnell schnappte ich sein Handgelenk. "Louis!" Ich zog ihn in meine Arme. "Alles ist gut.", flüsterte ich, auch wenn mich gerade ebenfalls die Angst packte. Was wir gerade taten war Wahnsinn. Aber es fühlte sich mehr als richtig an. "H-Harry, ich hätte nicht...", stammelte er und wollte sich von mir lösen, doch ich schüttelte den Kopf. "Nein, alles ist gut. Ich... ich bin froh, dass du's getan hast." Louis löste sich nun doch von mir und sah mich überrascht an. Seine Atmung ging immernoch so schnell, dass ich sie hören konnte. "Du bist froh darüber?", fragte er mit leise Stimme, als traute er mir nicht. Ich sah ihn ängstlich an. "Ja. Aber ich habe Angst." Meine Hände zitterten. Wenn das jemand heraus fand, endeten wir beide im Kerker, oder sogar am Galgen. Ich ertrug den Gedanken nicht, dass Louis sterben könnte.

Louis sah mich lange an, dann sah er auf meine Hände, die heftig zu zittern begonnen hatten, und biss auf seine Lippe. Er setzte sich auf mein Bett und ich mit etwas Abstand neben ihn. Mein Kopf drehte sich und fühlte sich dennoch leer an. "Harry... Ich-" "Ich weiß.", sage ich schnell und sah zu ihm, nur um festzustellen, dass er mich ebenfalls ansah. "Ich auch.", antwortete ich dann und sah wieder auf den Boden. Louis hatte seine Ellbogen auf seinen Knien abgestützt und legte den Kopf auf seine Handflächen. Ich verschränkte meine Hände in meinem Schoß, um sie am Zittern zu hindern. "Aber... Jetzt...", begann er wieder, seufzte dann und setzte sich wieder aufrecht hin. Ich sah zu ihm. "Ich will nicht, dass das einmalig war! Ich weiß, es ist verrückt, aber... Ich will dich nicht an irgendeine Frau verlieren, ich will, dass du dich an mir verlierst!" Ich lächelte sanft. "Das habe ich schon längst. Schon von Anfang an. Und Louis, ich habe keine Angst davor, und auch nicht, dass es jemand erfährt. Ich habe Angst, dich sterben zu sehen. Ist das das Risiko wert?"

Er küsste mich, ohne noch ein weiteres überflüssiges Wort zu sagen, und zog mich näher zu sich. Ich atmete auf. "Das ist es.", antwortete Louis und blieb mir so nah, während er durch meine Locken strich und mich dabei immer wieder kurz küsste. Wir legten uns auf das Bett und sahen uns an, fasziniert von dem anderen, und verlangend nach den Lippen, die uns in ein Paradies schickten. Mein Herz leistete noch immer Höchstleistungen und auch mein Atem beruhigte sich nicht mehr. Meine Gedanken drehten sich. Ich hatte mich wirklich auf eine Beziehung eingelassen. Mit Louis. Meinem Diener. Einem Mann. Und das verrückteste: Ich verspürte keinerlei Reue.

Als gegen Mitternacht die Wache gegen meine Tür klopfte, ging Louis nicht wie sonst sofort, um zu öffnen, sondern sah mich erst besorgt an. "Bist du dir sicher, dass du das willst?", fragte er dann und strich mir Locken hinter mein Ohr. Ich wurde rot, woraufhin er schmunzelte. "Ja. Ich liebe dich.", antwortete ich leise und küsste ihn kurz. Dann öffnete er die Tür, nickte der Wache zu, drehte sich um, sagte "Bis Morgen, Sir." und ging. Als seine Schritte schon fast verklungen waren, antwortete ich leise: "Bis Morgen, Louis." Dann schloss ich meine Tür und legte meine Kleidung ab. Fast komplett ausgezogen betrachtete ich mich im Spiegel. Nein, ich war definitiv ein Junge. Ich sollte mich auf meine Heirat konzentrieren, auf die Zukunft des Landes und auf meine zukünftige Gattin. Doch stattdessen brach ich das Gesetz mit Louis, der mich um den Verstand brachte und mich um den Verstand küsste. Ich lächelte. Mutter hatte Gemma und mir früher über die wahre Liebe erzählt, und wie selten sie heutzutage ist. Mit Louis hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, diese Liebe gefunden zu haben.

My Prince(ss) ~LarryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt