II. Dienstag, 22.11.2014

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Angst...

...

Erschöpfung...

...

Verloren.


2:11 Uhr - Schafzimmer 

Schweißgebadet schreckte ich aus meinem Traum auf. Mein keuchender Atem beruhigte sich erst, als ich mich wieder zu orientieren wusste. Ich bin in meinem Schlafzimmer und alles ist gut. Mit meiner Hand wischte ich über meine Augen. Das war nun schon das vierte Mal seit Donnerstag. Ich stand auf. Langsam tastete ich mich an der Wand entlang zur Tür und betrat den Flur. Ich schlüpfte ins Badezimmer nebenan, wusch mir das Gesicht und sah in den Spiegel. Goldene, mit Augenringen umrahmte Augen auf blasser Haut starrten mir entgegen, die dünnen, violetten Haare hingen knapp über den knochigen Schultern. Nur mein Labret-Piercing glänzte leicht im Licht der Badezimmerbeleuchtung. Müde schlurfte ich wieder in mein Zimmer und kroch unter die warme Decke. Meine Lider wurden schwerer und ich schloss die Augen. Für eine Weile verharrte ich so, wälzte mich anschließend noch ewig hin und her, doch ich konnte keinen Schlaf finden. Die Bilder waren zu präsent, schienen sich vor meinem inneren Auge immer und immer wieder lebendig neu zu formen und wieder zu erlöschen. Sie ließen mir keine Ruhe. Sie ließ mir keine Ruhe.

Am Morgen erwachte ich dann von den angenehmen Geräuschen meines Weckers und reckte die steifen Glieder. Erschöpft richtete ich mich und trank meinen morgendlichen Kaffee in der Küche.  Anschließend machte ich mich auf zur Arbeit. Gerade schloss ich die Tür auf, als Ajisai hinter mir die Treppe emporstieg. "Guten morgen Konan-sama" Ich ließ sie zuerst in den warmen Empfangsbereich schlüpfen, bevor ich sie ebenfalls begrüßte. Gemeinsam kochten wir Tee und empfingen die eintreffenden Kinder und ihre Eltern. Ich ging für einen Moment in die Küche, um das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen, als Ajisai den Raum  betrat, um ihre Tasse aufzuräumen. "Meine Güte. Kenta und Daiki hatten sich gerade wieder in den Haaren. Ich habe sie jetzt bestmöglichst getrennt. Wenn das so weitergeht, müssen wir den Eltern bescheid geben." murmelte sie halb vor sich hin und wuselte wieder hinaus. Nachdem ich die Spülmaschine angeschaltet hatte sah ich, dass Amaru vor mir stand. Langsam kniete ich mich hin und strich ihr über Haar. "Was machst du denn hier? Du weißt, dass du hier nicht hineindarfst." Sie sah mich weiterhin etwas verunsichert an, versteckte sich halb hinter ihrem Kuschelhasen. Mit meiner Hand auf ihrer Schulter führte ich sie sanft in den Aufenthaltsraum zurück. "Geh spielen." sagte ich lächelnd und ging zurück zum Empfangstisch, von wo aus man den Besten Überblick über die Kinder hatte.

18:08 Uhr - Wohnzimmer

Erschöpft ließ ich mich neben Nagato aufs Sofa fallen. "Wie war die Arbeit?" fragte ich ihn und legte meine Beine auf seinen Schoß. "Oh, ganz okay, nichts besonderes. Hab heute morgen einen Stalker verurteilt. Mann, war der sauer." antwortete er und biss in einen Schokoriegel. "Und wieviel Kinderkotze musstest du heute aufwischen? - Au!" Ich hatte ihm seinen Riegel aus der Hand getreten. "Naja, wenn nicht Kotze, dann Schokolade. Du schuldest mir was." Er runzelte ernst die Stirn. Yahiko stolperte mit zwei Tellern voll Pfannkuchen ins Wohnzimmer. "Schon wieder Pfannkuchen. Langsam müsste meine Stempelkarte ja voll sein." Nachdem er die Teller abgestellt hatte, schlug er ihm auf den Hinterkopf. "Tut mir leid, Sternekoch. Mehr gibt's heute nicht." Grinsend rieb sich Nagato den Hinterkopf und nahm sich seinen Teller. Yahiko holte noch seinen Teller, ich rutschte auf und er setzte sich neben mich. Ich schaltete den Fernseher an. "...wird vermisst. Die junge Kaori Kizuato wurde heute Nachmittag am Bahnhof in Amegakure zuletzt gesehen. Wenn sie etwas wissen oder sie sehen sollten, melden sie dies bitte unverzüglich der örtlichen Polizei. Und nun zum Wetter..." Ich erstarrte. Das dunkle Haar, die Porzellanhaut, die dunklen Augen. Es bestand kein Zweifel: Das Bild der Vermissten zeigte genau die junge Frau aus meinen Träumen!

Nachdem ich Ewigkeiten schlaflos in meinem Bett gekauert hatte stand ich auf und schlich auf den Flur. Zielstrebig tapste ich auf die gegenüberliegende Tür zu und klopfte leise. Es war still, also schlüpfte ich hinein. Nagato döste in seinem Bett, sein Fernseher lief noch. "Nagato?" flüsterte ich. Er brummte und ich setzte mich auf sein Bett. Verschlafen setzte er sich auf und sah mich an. "Was gibt's?" "Ich habe wieder geträumt. Das vierte Mal schon. Es wird wieder geschehen." flüsterte ich und sah ins Leere. Nagato wusste, was gemeint war. Er wusste bescheid über meine Gabe. "Und wer ist es?" Auf einmal wirkte er wieder gefasst. "Es ist diese Frau aus den Nachrichten. Kaori Kizuato. Aber ich kenne sie nicht." Nagato schwieg. Er schien für einen kurzen Moment zu überlegen. Dann sah er auf. "Das macht die Sache schwieriger... Zudem wird sie vermisst." "Sie wird ertrinken. In einem Meer, ich weiss nicht, wo..." Hilflos lies ich die Schultern hängen und suchte nach der Erleuchtung in seinen Augen, fast so als könnte er eine Lösung aus dem Ärmel schütteln. Etwas, das darauf verwies, dass er eine Idee hatte. "Yahiko wird morgen eine Anzeige in der Zeitung schreiben und sie drucken lassen. Jeder Polizist wird nach ihr suchen, mehr können wir nicht tun, Konan-chan." Da Yahiko bei der Zeitung arbeitete, konnte er bestimmt etwas ausrichten. Mit diesem Gedanken versuchte ich mir Hoffnung zu machen, doch etwas in mir sträubte sich gegen den Schein. Meine Vision war nicht einfach nur eine Vision. Sie würde sich verwirklichen wie sie es immer tat und es lag in meiner Hand, etwas dagegen zu tun. Diese Gabe hatte mich zum Propheten gemacht.

VISIONS (Slow Updates)Where stories live. Discover now