8:17 Uhr - Kindergarten
Kaori Kizuato.
Der Name wollte nicht aus meinem Gedächtnis verschwinden. Er verfolgte mich wie ein Schatten. Schloss ich die Augen, sah ich ihn vor mir. Wenn ich sie öffnete, verfolgte er mich durch die Straßen und Gassen Amegakures bis in jeden noch so unscheinbaren Winkel der verregneten Großstadt. Es gab kein Entkommen. Weder vor ihm, noch vor mir selbst. Mir und meinen Träumen.
Ich versuchte mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Misaki, Megumi und Sora spielten ausgelassen in ihrer eigenen Welt, Daiki und Kenta wurden gerade von Ajisai auseinander gehalten, als sie sich um ein Spielzeug stritten, von allen anderen hörte man Worte und Gekicher aus allen Richtungen. Nur nicht aus einer. Durch das Gartenfenster meinte ich für einen Moment, braune Augen aufblitzen zu sehen. Müde rieb ich mir die Augen und als ich sie öffnete, waren sie verschwunden. Für einen Moment zögerte ich, bevor ich aufstand und zur Hintertür ging. Mein Blick huschte durch den Garten, wo ich Amaru hinter ein paar niedrigen Büschen erblickte. Sie klammerte sich an den hölzernen Zaun und sah auf den Bach, der vor dem Grundstück entlang floss. "Amaru, du weißt, dass du nicht allein nach draußen darfst!" rief ich ihr entgegen und ging in ihre Richtung. Sie bewegte sich nicht. Als ich sie erreichte, legte ich meine Hand auf ihre Schulter. Sie fixierte einen Stofffetzen, der sich im Gestein des Baches verfangen hatte. Bei näherem Hinsehen erkannte ich die löffelartigen Ohren ihres Stoffhasen und verstand. Ich kniete mich in den Schlamm und griff durch die Zaunpfähle. Mein Arm reckte nach dem karierten Stoffkleid und nach einigen Versuchen bekam ich es zu fassen. Etwas ungeschickt zog ich es hindurch und stand auf. "Komm, wir gehen rein."
Drinnen angekommen setzte ich das Stofftier auf die Heizung. "Du bekommst es nachher wieder, versprochen? Lass ihn erstmal trocken werden, sonst erkältet er sich noch." Keine Reaktion. Ihre ruhigen Augen starrten zu mir hinauf. Sie faltete ihre Hände hinter ihrem Rücken und wippte beständig von ihren Zehenspitzen auf ihre Fersen. Seufzend lehnte ich mich hinunter und legte meine Hände auf ihre Schultern. "Das ist kein Spaß, okay? Wir sind hier für dich verantwortlich. Du hättest dich da draußen erkälten können. Oder verletzen. Verstehst du mich?" Amaru nickte und ließ ihren Blick am Boden entlang wandern. Mit einer Handgeste entließ ich sie und erhob mich. Ich ging ins Badezimmer um mir den Bach-Geruch von den Händen zu waschen und mich grob zu säubern. Doch egal wie sehr ich es versuchte, der Geruch schien meine Nase nicht zu verlassen.
...Kein Entkommen...
18:14 Uhr - Küche
"Konan... Du bist die Beste!" Yahikos Augen funkelten, als er die Puten-Tempura zu Gesicht bekam. Bedächtig ließ ich meinen Blick zuwischen meinen besten Freunden schweifen. Nagato bedankte sich, aß still und bedächtig. Er war für sein ruhiges und überlegtes Wesen bekannt, leider auch für seinen dezenten Hang zum Pessimismus. Ganz im Gegensatz zu Yahiko. Dieser war von heiterer und offener Natur. Durch seine überzeugende Art war er wie für seinen Beruf geboren, ganz zu schweigen von seiner sturen Beharrlichkeit. Wir hatten uns damals in Amegakures Waisenhaus kennengelernt. An meine Ankunft dort konnte ich mich nicht mehr erinnern. Ich erinnerte mich nur noch an Yahiko, wie er mir die Hand reichte und mir aufhalf. Immer und immer wieder. Wenn ich fiel, war er da gewesen. Irgendwann später kam Nagato dazu. Er hatte besonders gelitten. Er musste mit ansehen, wie seine Eltern vor seinen Augen niedergemetzelt wurden. Im Waisenhaus wurde er gemieden durch seine sonderbar gemusterten Augen. Sie waren den meisten Kindern unheimlich, jedoch weder mir noch Yahiko.
Sie waren meine Familie, alles was ich hatte.
"Wie wär's, Leute: Freitag Abend könnten wir was trinken gehen. Vielleicht trifft Nagato ja dort seine 'Traumfrau'." Sein sarkastischer Unterton trieb Nagato die Röte ins Gesicht. "Ach, halt die Klappe." Beleidigt erhob er sich und ging in die Küche. "Yahiko..." zischte ich. Er lachte nur und erhob sich ebenfalls. Er nahm die Teller und Reste und folgte ihm verstohlen. Unauffällig lugte ich um durch den Türspalt und sah, wie Yahiko Nagato freundschaftlich eine Faust in seinen Oberarm stieß. Nagatos Mundwinkel zuckten für einen Moment und deuteten ein Lächeln an. Reflexartig tat ich dasselbe und wandte mich ab.
18:47 Uhr- Schlafzimmer
Die Tür fiel ins Schloss und Stille überkam mich, wohl wissend, was noch folgen würde. Zumindest später. Diesmal beschloss ich, auf alt bewehrte Mittel zurückzugreifen. Unter meinem Bett tastete ich nach dem grauen Karton und zog ihn schließlich hervor. Als ich den Deckel abnahm umspielte eine feine Vanille-Zimt-Note meine Nase. Ich verteilte die drei Duftkerzen im Raum und zündete sie an. Anschließend legte ich eine CD mit Cello-Melodien ein und legte mich auf mein Bett. Beinahe mechanisch fielen meine Augenlider zu und ich gab mich vollends den symphonischen Melodien hin. Der süßliche Geruch machte mich müde, und so fiel ich nach einiger Zeit in den Schlaf.
...Das wird mein sicherer Tod...
...mein...
Tod.
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VISIONS (Slow Updates)
FanfictionKonan hat eine übernatürliche Gabe, die sie die letzten Bilder und Momente von sterbenden Menschen in Form eines Traumes sehen lässt. Dadurch sieht sie Dinge, bevor diese geschehen. Eine neue Vision scheint sie jedoch nächtelang zu verfolgen: Wer is...