Ein Angriff und ein verwirrtes Herz

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Im Tattoostudio angekommen entdeckte ich hinten in einer Ecke Tori, die gerade irgendeinen Ferox-Jungen tätowierte. Ich glaube sein Name war Jase. ,,Man, ich kann mich einfach nicht entscheiden!", jammerte Jo. ,,Wir können doch auch alle das gleiche nehmen!", schlug Rina vor, nach dem sie entdeckt hatte, dass Four was cooles gefunden hatte: Die fünf Fraktionen und noch irgendwie etwas, was aussah, wie ein Baum , der sich zu allen Seiten erstreckte. Also ließen wir uns alle das selbe Tattoo machen. Ich nahm allerdings noch ein kleineres dazu. Ein winziger Vogel für die Unterseite meines Handgelenks. 

Als wir alle fertig waren und beim Essen saßen, kam Chriz auf mich zu und sagte: ,,Freya, ich würde dich gerne mal sprechen." Ich zog zwar eine Augenbraue hoch, doch ich folgte ihm. Er führte mich durch scheinbar endlose Gänge und ich fragte mich langsam wirklich, wo er mich hin bringen würde. Schließlich kamen wir auf dem Dach raus. Da stand meine Mutter. ,,Mum!", rief ich ihr entgegen und rannte auf sie zu. Sie nahm mich in den Arm und drückte mich herzlich. Doch etwas stimmte nicht, dass merkte ich sofort. Ich löste mich von ihr und fragte: ,,Ist alles in Ordnung?" ,,Ja", antwortete sie und ich wusste schon, dass sie ausweichen würde, ,,Wie geht es Corinna?" ,,Sie nennt sich jetzt nur noch Rina und ihr geht es bestens, aber mum, ich merk doch, dass etwas nicht stimmt!", antwortete ich schnell. Sie lächelte und wirkte dabei traurig, dann flüsterte sie fast: ,,Du hast es ja schon immer gemerkt, wenn irgendwas nicht stimmt. Es ist wegen deinem Vater. Es ist wieder schlimmer geworden, doch diesmal... konnten... sie... Er..." Mit einem Schlag wurde es mir bewusst. Er war tot. Jahre lang hatte er immer wieder Anfälle von Leuchämie gehabt, mal war es schlimmer und mal war es extrem schlimm, doch er hatte sich immer wieder durchgekämpft. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Ich zog mum in meine Arme und drückte sie ganz fest. Mum drückte mich ebenso fest und murmelte: ,,Das letzte, was er gesagt hat ist: Gib unseren Genies die Twins-Prozessoren." Ich konnte nicht mehr. Die Tränen flossen mir in Wasserfällen übers Gesicht. Ich war vielleicht eine Ferox, aber mein Herz war immer noch wie das von dad: So weich wie Butter. Er war geborener Altruan, doch der Eignungstest hatte Ken ergeben. Ich hatte allerdings keine Ahnung, in welche Fraktion meine Mutter geboren worden war. ,,Ich bin auf Platz eins der Rankingtafel, mit Four, aber Rina ist noch unter der roten Linie", murmelte ich. Mum gab mich wieder frei, wischte sich kurz über die Augen und meinte dann: ,,Dann bring sie über die Linie." Sie drückte mir noch einen Rucksack in die Hand, dann sprang sie plötzlich vom Dach auf den Rand der Bahngleise und als der Zug kam, sprang sie einfach rein. In diesem Moment hatte ich einen Verdacht, in welche Fraktion sie geboren wurde. Ich wischte mir die Tränen aus meinen Augen, drehte mich um und rannte zurück nach drinnen und zu meiner Schwester. Zumindest wollte ich zurück zu ihr, aber sie war nicht mehr beim Essen. Ich ging zu Four rüber und fragte: ,,Hey, hast du Rina gesehen?" ,,Wenn du damit deinen Zwilling meinst", antwortete er, ,,Die wollte zurück in den Schlafraum." Ich drehte mich wieder um und machte mich schnell auf den Weg zum Schlafraum, bis ich den alten Ring von unserer Oma fand. Ich hob ihn auf und entdeckte den Weg zur Grube. Schnell rannte ich zur Grube weiter und auf der anderen Seite am Abgrund entdeckte ich meine Schwester, die angegriffen wurde. Ich rannte um die Grube herum auf die andere Seite, schlug einem der maskierten von hinten auf den Kopf und brüllte fast: ,,Hände weg von meiner Schwester!" ,,Wir haben den falschen Zwilling gehabt!", rief einer der Typen erschrocken. Ich schlug diesem Typen voll auf die Fresse und wurde plötzlich von hinten gepackt. Ich wollte nach hinten zu schlagen, doch ich wurde von drei weiteren maskierten gepackt und an der Kehle auf den Boden, direkt neben den Abgrund, gedrückt. Ich versuchte mich zu wehren, aber ich spürte meine Kraft schon schwinden, genauso wie meine Luft. Bis ich auf einmal wieder frei atmen konnte. Ich sah nur verschwommen, doch ich erkannte die Umrisse von einem Bekannten. Ich konnte den Umriss nur noch nicht zuordnen. Dann wurde ich auf die Füße gehoben und eine sehr bekannte Stimme fragte mich: ,,Hey, alles okay bei dir Freya?" Mir war noch etwas schwindelig, aber ich murmelte: ,,Ja alles bestens, aber..." ,,Rina geht's gut, sie hat mir bescheid gesagt, dass du in Schwierigkeiten bist", antwortete er und mit einem Schlag wurde mir bewusst, wer mir gerade das Leben gerettet hatte: Chriz.

Ich fühlte mich nicht unbedingt wohl in meiner geretteten Haut, denn es war mir schrecklich peinlich, dass er mir mein Leben retten musste. Ich spürte sogar, wie mir ein Bisschen Röte ins Gesicht schoss, die ich allerdings zu unterdrücken versuchte. Der Boden war auf einmal so wackelig unter meinen Füßen. Chriz bedeutete mir, ihm zu folgen, doch schon beim ersten Schritt kippte ich fast um. Er sah mich besorgt an, kam schließlich wieder zu mir zurück, hob mich trotz meiner Proteste einfach hoch und trug mich irgendwelche Gänge entlang. Als er mich auf etwas weichem ablegte, vermutete ich, dass wir in seiner Bude waren. Er ging kurz in eine Art Küche und kam mit einem Glas Wasser wieder zurück, welches er mir schön unter die Nase hielt. Ich nahm es dankbar entgegen und kippte es in einem Zug runter. ,,Ich hab dir übrigens auch den kleinen blauen Rucksack mitgenommen, den du fallen gelassen hattest", murmelte er und legte das kleine blaue Teil neben dem Bett ab, auf dem ich saß, ,,Geht es wieder?" Ich konnte auf einmal nichts mehr sagen, deshalb nickte ich nur. Er warf mir erst noch einen schwarzen Pullover hin, dann meinte er: ,,Du solltest jetzt etwas schlafen. Ich schlafe auf dem Fußboden." Ich wollte schon protestieren, aber an seinem Ton erkannte ich schon, dass Widerstand zwecklos sein würde.

Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, ging draußen eine wunderschöne und rote Sonne auf. ,,Gut geschlafen?", hörte ich Chriz fragen und plötzlich wurde mir wieder klar, was am Vortag passiert war: Er hatte akzeptiert, dass ich mit mum sprach und er hatte mir das Leben gerettet. Ich konnte wieder nichts sagen, deshalb nickte ich einfach nur. Ich hatte echt keine Ahnung, warum meine Stimme schon wieder versagte. ,,Und du?", zwang ich dann meinen Mund, diese kleine Frage zu stellen. ,,Hab noch nie so gut auf einem Fußboden geschlafen", antwortete er grinsend. Er hatte noch nie in meiner Gegenwart gegrinst oder auch nur den Ansatz eines Lächelns gezeigt. Irgendwas lief in meiner Welt definitiv verkehrt. Ich musste nur noch heraus finden, was...

Die Bestimmung Wer bin ich wirklich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt