2. Momentaufnahme

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Ich habe immer gedacht, dass mein Herz Roy gehören wird – irgendwann, wenn ich mich denn in ihn verliebt hätte. 

Roy. Er war der erste Mann in meinem Leben gewesen. Einer, den ich irgendwann zur Schulzeit kennenlernte, der sich irgendwann in mich verliebte und den ich irgendwann ehelichte. Aber von Liebe konnte nie die Rede sein – nicht einmal Leidenschaft prägte unsere Bindung. Dennoch trug ich seinen Ehering, auch als Roy ins Gefängnis ging. Und auch als ich Clyde das erste Mal sah.

Ich trug den Ring nicht, weil ich Roy so wahnsinnig liebte oder gar vermisste. Ich trug diesen Ring, weil er mich daran erinnerte wer ich mal war.

Dieses Stück Silber, ließ all die Momente aufblitzen, in denen an meinen Händen kein Blut klebte, ich nicht wusste, wie man eine Waffe bediente und man mir die Unschuld von den Augen ablesen konnte.

Clyde hasste diesen Ring – wer konnte es ihm auch verübeln? Schließlich war ich jetzt sein Mädchen, und sein Mädchen durfte keinen Ring tragen, der die Initialen eines anderen hatte. Deswegen griff er nie nach meiner linken Hand, weil er dann zwischen seinen Fingern das Silber spüren würde, das er mir nicht geschenkt hatte.

Es erinnerte ihn daran wo ich stand und vielleicht erinnerte es ihn auch daran, was er mir bereits genommen hatte.

Clyde Barrow hatte mir geholfen meine Hände in Blut zu tauchen und danach mit Geld zu waschen. Und diese Erkenntnis, die keine Schuldzuweisung darstellen sollte – lediglich eine Tatsache, die kam mir jedes Mal wenn ich mir die Finger wusch, dabei den blutverschmierten Ring auf dem Waschbeckenrand ablegte und versuchte das Zittern unter Kontrolle zu behalten.

„Ganz ruhig", flüsterte Clyde zärtlich und legte seine nach Schusspulver riechenden Hände auf meine Schultern, fuhr die Arme hinab zu meinen Fingern und umklammerte sie mit seinen. Ich schloss die Augen, lehnte mich gegen ihn. „Du verlangst viel von mir", hauchte ich. Ich konnte hören wie er schmunzelte und spürte wie er mein Schulterblatt küsste. „Nein, ich weiß nur zu was du fähig bist", gab er dann zurück.

Das war er, mein Clyde.

Das war der Clyde, den ich lieben konnte und für den ich die Leidenschaft empfinden konnte, die mir bei Roy verwehrt geblieben war.

Nur der Geruch von Blut, Schweiß und Schusspulver erinnerte mich daran wer er wirklich war.

Ich wünschte, er hätte nicht danach gerochen.

Vielleicht hätte ich ihn dann geliebt.

Vielleicht wäre ich dann wirklich sein Mädchen gewesen.

Bonnie liebte - Clyde nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt