Zweites.

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"So I learned two things that night, and the next day, from him:                                                              the perfection of a moment, and the fleeting nature of it."

                             by Margaret George, The Memoirs of Cleopatra

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Montag, der 1. September 1975

Die alte scharlachrote Lok stand auf den Gleisen von 9 ¾ und dampfte vor sich hin. In ihrer vollen Pracht stand sie dort und wartete, während die vielen Schüler sich von ihren Familien und Verwandten verabschiedeten. Der Dampf verbreitete sich über den Köpfen der Menschen, die sich umarmten, mit ihren Koffern und Besen herumliefen und den Eltern, die ab und an eine Träne vergossen. Trotz alldem herrschte eine fröhliche Stimmung, denn es war Zeit um in die Schule für Hexerei und Zauberei zurückzukehren.

Mein Herz machte für einen Moment einen Satz, als ich kurz nachdem ich durch die Wand zwischen Gleis neun und zehn gelaufen war auf die Szene blickte, die sich vor meinen Augen abspielte.

Zaubererfamilien in langen Umhängen und Hüten schwirrten auf dem Bahnsteig herum, schubsten ihre Kinder in den Zug, bevor er ohne sie losfahren würde oder ihre Eltern sie nie gehen lassen würden.

Ein kleiner Junge, womöglich ein Erstklässler, starrte etwas verängstigt und doch beeindruckt auf die alte Lok, die anfing zu pfeifen. Seine Mutter tätschelte ihm die Schulter und sprach ihm nur Mut zu.

Ich musste lächeln. Ich wusste noch genau wie ich hier mit meinen zehn Jahren gestanden habe, genauso verängstigt wie der Junge, noch mehr durch meinen Bruder, der mir irgendwelche absurden Geschichten erzählt hatte, um mich zu necken.

Meine Mutter hatte mich beruhigt in den Arm genommen und gesagt: „Allie, du bist jetzt bereit eine richtige Hexe zu werden. Hogwarts wird dir dabei helfen und du wirst sehen, du wirst schon deinen richtigen Platz einnehmen. Dir steht die beste Zeit deines Lebens bevor, also los."

Ich hatte tatsächlich auf sie gehört, hatte meine Angst runtergeschluckt und war geradewegs in meine erste Freundschaft gelaufen. Eine kleine rothaarige Hexe hatte mich vor einer Stinkbombe eines schwarzhaarigen Jungens mit Brille gerettet. Und somit hatte meine Reise nach Hogwarts begonnen.

Das erneute Pfeifen des Zuges ließ mich zusammenfahren und riss mich aus meinen Erinnerungen wieder in die Realität. Ich hob meinen Kopf und versuchte ein bekanntes Gesicht in der Menge auszumachen.
Mein Bruder war schon zwischen den vielen Hexen und Zauberern verschwunden, weshalb ich nach meinem Koffer und meinem Nimbus griff und noch auf Mare wartete, die jeden Moment hinter mir auftauchen müsste. Wren, meine Knieseldame, folgte mir auf Schritt und Tritt und sogar sie hatte sich für einen Moment entspannt und freute sich wahrscheinlich genauso wie ich auf ein weiteres Schuljahr.

Als Mare mit einem lauten Fluchen neben mir auftauchte, konnte es losgehen. Wir hatten nur noch ein paar wenige Minuten, bevor der Zug losfuhr.

Auf dem Weg entdeckte ich Mary MacDonald, die mit ihrem Gepäck bei ihren Eltern stand und sich gerade verabschiedete. Als sie uns erblickte, winkten wir ihr schnell zu und lächelten, da wir sie bei ihrem Abschied nicht stören wollten. Wir hatten auch noch später im Zug genug Zeit uns zu begrüßen.

Ich war so mit meiner Umgebung beschäftigt, dass ich den herausragenden Besenstiel einer Zweitklässlerin nicht bemerkte und geradewegs in jemanden hineinlief. Durch die breiten Schultern erkannte ich, dass es ein Junge war, wahrscheinlich in meinem Alter. Ehe ich mich wieder richtig aufrichten und mich entschuldigen konnte, hörte ich schon sein verärgertes Fauchen: „Verdammtes Halbblut, kannst du nicht aufpassen?"

Die Spuren des Lebens [Harry Potter FF; Rumtreiberzeit]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt