S T E L L A

drunken Stella

Meine Eltern hielten nie viel von Alkohol - Das war auch einer der Gründe, warum mich die Einweihungsparty von Stellas Eltern sehr verwundert hat. 

Schon als wir ankamen wurden wir mit Sekt begrüßt, den meine Eltern breit grinsend entgegennahmen.

"Es freut uns wirklich riesig, dass sie uns eingeladen haben", säuselte meine Mum als sie Stellas Mutter, eine kleine dunkelhaarige Frau, die Nudelsalatschüssel überreichte.

Nur wenige Augenblicke später stand auch schon Stella neben uns. Auch sie hielt ein Sektglas in der Hand und es sollte bei weitem nicht ihr letztes für den heutigen Abend sein. 

Hier sollte ich vielleicht anmerken, dass ich Stella in den darauffolgenden Jahren weitaus betrunkener erlebt hatte. Doch an diesem Abend, diesem warmen Spätsommerabend, verzerrte sie das gesamte Bild, das ich bis jetzt von Mädchen in meinem Alter gewonnen hatte. Sie sprang einfach komplett aus dem Rahmen. Und zu meiner großen Verwunderung sprachen meine Eltern kein schlechtes Wort über sie. Nicht etwa "In diesem Alter schon dem Alkohol verfallen? Oh nein, so etwas hätte ich meinen Kindern nie erlaubt. Niemals" , nein. Meine Eltern sprachen nur gut über Stella, wie gebildet sie doch sei und wie selbstsicher. 

Der Abend wurde erst nach dem Abendessen für mich so wirklich spannend. Bis dahin musste ich mir die Zeit mit all den Nachbarn, denen ich normalerweise aus dem Weg ging vertreiben. 

"Komm mit", flüsterte plötzlich eine Stimme in mein Ohr als ich mir gerade zum zweiten Mal etwas vom Pudding, den Misses Mayers gemacht hatte nehmen wollte. Unentschlossen sah ich zwischen der köstlichen Nachspeise uns Stella hin und her. Sie begann zu lachen. "Du kannst den blöden Pudding auch mitnehmen" Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.

Beschämt füllte ich meine Schüssel mit drei großen Kellen Pudding und folgte Stella. Ich sah mich immer wieder nach meinen Eltern um, die jedoch lachend in Gespräche vertieft waren.

"Wo gehen wir hin?", fragte ich Stella als sie plötzlich im Haus verschwand. "Komm einfach mit, du kleiner Schisser. Uns vermisst schon keiner. Die haben alle viel besseres zu tun." Sie hatte sich noch nicht einmal zu mir umgedreht, als sie dies gesagt hatte. Etwas unsicher folgte ich ihr.

"Ist das nicht cool hier oben?" Stella hatte das Fenster in ihrem Zimmer geöffnet und war hinaus geklettert. Das Dach hier oben war flach genug, umbequem drauf sitzen zu können und es bot sich ein wunderbarer Blick über den Garten bis hin zum Kirchturm in der Stadtmitte. 

"Wow", war alles, was ich hervorbrachte. Vorsichtig ließ ich mich neben ihr nieder und schob mir erst einmal einen großen Löffel Pudding in den Mund. Stella öffnete derweilen das erste Bier für diesen Abend und reichte es mir. Obwohl ich fest entschlossen war abzulehnen, riff ich sofort danach und spülte mit einem großen Schluck den Pudding hinunter. 

"Weißt du was, Stella? Du bist nicht wie die anderen Mädchen. Du bist so ganz anders. Du trinkst Bier und du sagst Schimpfwörter. Du bist wahrscheinlich eine, die später mal ganz viele Tattoos hat und auf Roadtrips geht, richtig?"

Sie hatte nur gelacht und gesagt: "Na das will ich doch hoffen"

Aus wirklich unerklärlichen Gründen ist dies die letzte Erinnerung, die ich an den Abend dieser Gartenparty habe. Stella versicherte mir oftmals , dass wir viel geredet hätten und ich viel getrunken hätte, doch alles was ich noch weiß ist, dass ich am nächsten Morgen in meinem Bett wach wurde und meine Eltern überhaupt nicht böse waren. Stella hatte mir in den darauffolgenden Tagen irgendwann gesagt, sie hätte ihnen erzählt ich sei wegen Kopfschmerzen nach Hause gegangen. Sie waren wahrscheinlich einfach nur froh gewesen den schönen Abend nicht wegen mir unterbrechen zu müssen und ich war Stella auf ewig dankbar. 

Sonst wäre es wahrscheinlich das letzte Mal gewesen, dass ich einen Abend mit Stella hätte verbringen dürfen.