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Eliza

»Himmelherrgot nochmal!«, schimpfte sie, »Erschreck mich doch nicht so.«

Sie lies ihr Glas fallen. Mit einem lauten Knall zersplitterte es auf dem Küchenboden. Sie beugte sich über die Ablage und griff nach einer Schublade auf der anderen Seite der inselförmigen Einbauküche.

»Hilf mir mal, los!«

Ich öffnete die Schublade. Meine Mum schnappte nach einem Lappen. Sie wischte den Saft amateurhaft vom Boden, die Glasscherben ließ sie liegen.

»Kümmer du dich um den Rest, Eliza. Ohne dich wär das schließlich nicht passiert!«

Sie war wütend. Kein gutes Zeichen. Aber auch nicht mein Problem. Ich stampfte provokant durch die Scherben und knallte die Tür hinter mir zu. Von oben hörte man sie energisch aufschreien.

»Du kannst mich mal«, flüsterte ich zu mir selbst, als ich die Haustür leise hinter mir zuzog.

Ich setzte mich auf die Treppe vor unserem Haus, zog eine Schachtel Marlboros aus meiner Jackentasche und zündete mir eine Zigarette an. Der Qualm zog sicher zu ihrem Fenster hoch und bestimmt konnte sie es auch riechen, aber das war mir in dem Moment verdammt egal. Ich wollte einfach nur mal meine Ruhe, kurz verschnaufen, bevor der Terror weitergeht.

»Elizaaaaa!!«, hörte ich sie schreien. »Elizaaa! Komm sofort wieder rein und mach die Sauerrei weg!«

Früher bin ich in solchen Situationen manchmal einfach abgehauen, sie sucht mich dann nicht und die meisten meiner Freunde kennt sie sowieso nicht, geschweige denn deren Telefonnummern und für eine Vermisstenanzeige ist sie nicht manns genug. Aber wenn ich wieder zurückkam ignorierte sie mich einfach, tat so als wäre ich gar nicht da, gab mir tagelang nichts zu essen und sperrte meine Zimmertür ab. Und auf Dauer abhauen war keine Option. Verwandte haben wir hier keine und beziehungsmäßig bin ich eine Niete.

Ich ging zurück in die Küche. Kaum hatte ich angefangen die Scherben auf einen Haufen zu fegen, kam meine Mutter nach unten und verteilte die Scherben mit ihrem Schuh quer im ganzen Raum.

»Und jetzt noch mal ordentlich!«, sagte sie und schlug mir von oben mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.

»Aua.«

Ich kerrte alles zusammen und wischte die klebrigen Reste des Saftes vom Boden auf. Dann klopfe es an der Haustür. Es musste Eddie sein, mein kleiner Bruder. Um die Zeit kommt er normal immer von der Schule. Das bedeutete, dass ich jetzt schleunigst kochen musste, denn er hatte bestimmt einen mordsmäßigen Kohldampf.

Ich öffnete die Tür, doch ganz zu meinem Ernstauen stand da nicht Eddie, sondern Crook, der Ex-Freund von meiner Mum. Eigentlich dachte ich, dass er für einen Raubüberfall auf einen Kiosk im Knast säße, zumindest hatte Mum uns das damals erzählt, als er sie verlassen hatte.

Er räusperte sich. »Ehm, ist deine Mum da?« Seine Stimme klang nach Alkohol und Zigaretten. Tief und rau, fast schon leicht heiser.

Seine Oberarme waren von unzähligen Tattoos bedeckt. Und irgendwie hatte er ein, zwei Zähne weniger als damals.

»Eh, warte.«

Doch ehe ich sie rufen konnte, schrie sie schon aus dem Fenster zu ihm runter: »Croooook...«

Ich wusste nicht mal, ob das sein echter Name war oder nur irgendsoein cooler Bikergang-Name.

»Maggyyyy« Er sagte ihren Namen so wie in diesen schnulzigen Liebesfilmen, in denen der Protagonist nach etlichen Jahren der Suche seine alte Jugendliebe wiedefindet und sie dann glücklich heiraten und zwölf Kinder bekommen und dann alle zusammen ein großes Familienrestaurant aufmachen.

Zuhause ist gar kein OrtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt