"Guten Morgen, Kinder. Begrüßt doch bitte mit mir eure neue Mitschülerin: Andy Winterfield!"
Die Frau, die sich mir als Mrs Thomson vorgestellt hatte, lächelte mir aufmunternd zu. Sie unterrichtete zwar an einer Highschool, doch schon nach den ersten zwei Minuten hatte ich festgestellt, dass sie mit ihrem Verhalten genauso gut Erzieherin im Kindergarten hätte sein können."Ähm, hi", sagte ich kurz angebunden. "Ich bin Andy, 16 Jahre alt und komme gebürtig aus einem kleinen Ort in der Nähe von Atlanta. Vor ein paar Tagen bin ich mit meiner Familie hier hingezogen."
"Okay, Andy, was machst du denn gerne in deiner Freizeit?" fragte meine neue Lehrerin. Ernsthaft? Sollte das hier ein Verhör werden?
"Naja, ich tanze gern und treffe mich mit Freunden. Und ich spiele Klavier", antwortete ich wahrheitsgemäß."Sehr schön, vielleicht hast du ja mal Lust, bei einer AG hier mir zu machen. Es gibt genug Musikbands hier an unserer Schule."
"Ja, mal sehen..." Das hieß so viel wie 'Nein, ganz sicher nicht!'."Dann setz dich doch mal... Neben Jamie ist noch ein Platz frei." Sie zeigte auf einen Tisch neben einem dunkelhaarigen Mädchen mit olivfarbener Haut. Missmutig ging ich zu meinem neuen Platz in der drittletzten Reihe, setzte mich hin und holte meine Utensilien heraus. Ein Etui und ein Collegeblock, wie das am ersten Schultag nun mal so ist.
Mrs Thomson setzte sich ebenfalls hin, richtete das Wort allerdings noch mal an mich: "Andy, wenn die anderen gleich ihre Aufgaben machen, gehen wir eben deine Bücher holen, in Ordnung?" Ich nickte.
"Mrs Thomson, ich komme mit und trage die Bücher!" meldete sich eine Stimme aus der hintersten Reihe. Doch die Lehrerin lächelte nur schmal. "Oh nein, mein lieber Oliver. Du wirst ausnahmsweise mal schön brav deine Aufgaben machen, genau wie alle anderen hier. Wir wollen schließlich einen guten ersten Eindruck auf Andy machen, nicht wahr?"
"Ach, sie hat doch bestimmt keine hohen Ansprüche, oder?" Jamie sah mich grinsend an. Ich schüttelte den Kopf. "Na dann ist doch alles paletti." Sie klatschte motiviert mit den Händen. Dieser ganze Optimismus hier würde mir noch gehörig auf die Nerven gehen, das spürte ich bereits.
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In den nächsten Minuten wurde ich erstmal mit reichlich Informationen über irgendein Gedicht überflutet, das mein ehemaliger Kurs allerdings schon vor ein paar Monaten durchgenommen hatte. Also kamen sie durch ein Ohr in meinen Kopf hinein und durch das andere direkt wieder hinaus.
Normalerweise passte ich immer gut auf, selbst bei solch langweiligen Lehrern wie dem schwerhörigen Mr Ummer aus Atlanta, doch gerade hatte ich wirklich keinen Nerv dazu. Es lag nicht an meiner neuen Klasse, es lag an dem, was hinter mir lag.
Mein bester Freund war vor knapp vier Monaten gestorben. Seit der Spielgruppe im Pfarrheim unserer katholischen Kirchengemeinde waren wir unzertrennlich gewesen. Bis sein Herz im Juni dieses Jahres plötzlich nicht mehr mitmachte.Nachdem Mrs Thomson zu Ende erklärt hatte, forderte sie mich auf, mit ihr zu kommen, um meine Bücher zu holen. "Okay, wer behält in den nächsten Minuten die Verantwortung?" fragte sie. Sofort meldete sich ein dürrer Junge mit hellblondem Haar in der ersten Reihe. "Jim. Pass doch bitte auf, dass diesmal niemand die Decke kaputt macht, okay?" Prüfend warf ich einen Blick nach oben, wo drei große Löcher in der Decke klafften. Alles klar...
Ich ging ein paar Schritte hinter Mrs Thomson, während diese durch das Schulgebäude dackelte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass in 23 Minuten die nächste Stunde begann. Für mich hieß das anscheinend einmal durch das komplette Gebäude, bis ich im Raum von Mr Clarke war, der Biologie unterrichtete.
Mrs Thomson blieb auf einmal stehen, um sich zu mir zu gesellen. "Entschuldigung, dass ich frage, aber wieso seid ihr eigentlich hierher gezogen? Ach, ich bin ja so froh, mal wieder ein wenig frischen Wind in meiner Klasse zu haben! Die meisten Schüler kenne ich schon ewig, weil sie mit meinem Sohn befreundet sind. Manchmal denke ich, er ist mit der halben Stadt befreundet," plapperte sie kichernd. "Ähm, ja, meine Eltern haben's in der Großstadt einfach nicht mehr ausgehalten. Da kam es ganz gut, dass Papa ein neuer Job hier angeboten wurde," log ich einfach drauf los. Das wir wegen mir gegangen waren würde ich ihr ganz sicher nicht auf die Nase binden!
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Im Juni
Romance"Ich hab im Juni Geburtstag, und du?" "Ich mag den Juni nicht." "Warum?" "Alles Schlimme passiert im Juni." "Hast du mich gerade gedisst oder war das ernst gemeint?" "Denk mal scharf nach." Andy Winterfield verhasst den Juni genauso sehr wie ihren v...