Nach diesem Tag fühlten sich Sekunden wie Minuten und Minuten wie Stunden an, weil alles wie in Zeitlupe ablief. Ich sah Grams seit dem nicht mehr. Hatte ich sie wirklich gesehen? Oder war es nur eine Einbildung. Es wirkte zu real.
Sie hatte ihre grüne Strumpfhose an, die sie selber immer als verrückt bezeichnete, weil niemand sonst, den sie kannte, eine grasgrüne Strumpfhose besaß. Darunter trug sie schwarze Lackschuhe und um ihre Schultern hatte sie sich eine Wolljacke gelegt, ebenfalls grasgrün. Sie wollte nicht die Art von Großmutter sein, die zu Hause sitzt und häkelt, während eine Kochshow im Hintergrund läuft und man sich gegebenfalls nachmittags zum Tee trifft. Sie hasste Klischees. Doch liebte Shakespeare. Das nennt man wohl Ironie des Schicksals.
Grams hatte quasi alles gelesen, was Shakespeare einst zu Papier brachte. Natürlich war Romeo und Julia ihr Favorit. Niemals hätte sie es sich gewagt den Film dazu zu sehen. Das würde ihre Fantasie zu allem zerstören, hieß es dann immer. Sie behielt lieber ihre Bilder und die Welten für sich, die sie durch die ganzen Bücher in ihrem Kopf aufgebaut hatte.
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Der Junge unterm Sternenhimmel
Short Story"Ich habe mir immer vorgestellt, dass alle Seelen der verstorbenen Menschen, bald als weitere Sterne am Himmelszelt erleuchten. Das macht es einfacher, von geliebten Menschen Abschied zu nehmen." evraise © 2016 / 25 / Nov