Kapitel 2

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Wir saßen auf unserem üblichen Platz, um dort unsere Pausenbrote zu verdrücken. Mein Blick schweifte über den großen Pausenhof und blieb an fünf Jungs meiner Klasse hängen. Ich beobachtete, wie sie zu Viktor rüber marschierten und dabei dieses, für sie typische, schelmische Lachen aufgesetzt hatten, ich mochte diese Lache nicht, denn das verhieß nie etwas Gutes.

„Susi" Klara schnipste vor meinem Gesicht herum und holte mich somit aus meinen Gedanken.

Ich sah sie fragend an „was ist?"

„Keine Ahnung, du bist so abwesend, stimmt etwas nicht" hakte sie besorgt bei mir nach.

„Doch, doch alles bestens" ich richtete meinen Blick wieder auf die Jungs, was Klara nun zu bemerken schien.

„Na Süße, welcher von denen gefällt dir am besten" sie grinste mich frech von der Seite an, worauf ich nur meine Augen verdrehte. Will sie darauf jetzt wirklich eine Antwort haben, dachte ich mir. „Komm sag schon, bitte Susi, ich werde es dir dann auch sagen."

Das konnte sie sich sparen, denn jeder wusste auf wen Klara stand, das war mittlerweile wirklich kein Geheimnis mehr.

Sie konnte stundenlang über diesen Louis reden, er war bereits eine Stufe über uns und ging in die zehnte Klasse unserer Realschule.

Louis war der typische Player und machte viele Mädchen mit seinem ober-coolen Auftreten verrückt. Die Mädels musste allerdings vorsichtig sein, denn so schnell wie er sich eine angelte, lies er sie auch schon wieder fallen und dann gab es wieder ein großes Drama. Die meisten waren allerdings zu naiv um das zu checken, so auch meine liebe Freundin Klara, aber dafür war ich ja da, um sie vor diesem 'Unglück' zu bewahren.

Mich interessierte der Typ nicht, ich hatte bis jetzt nur einen einzigen Freund gehabt und dank meiner Schüchternheit, war ich auch ziemlich bald wieder alleine.

Jedenfalls bekam sie keine Antwort von mir, auf ihre Frage, da sie genau wusste dass ich mich für keinen einzigen von diesen Raudi's interessierte.

Die fünf Jungs hatten sich um Viktor, der auf einer niedrigen Steinmauer saß versammelt. Wir saßen nur etwa fünfzehn Meter von ihnen entfernt, auf unserer Bank, weshalb wir jedes einzelne Wort mithören konnten.

„Hey Kackbratze, was geht ab" lachte ihn Jacob schadenfroh an.

Dieser blöde Idiot, am liebsten würde ich ihn..., ich hielt meinen Gedankengang selbst an, denn ich wusste, dass ich es ja sowieso nicht tun würde.

Viktor nuschelte irgendwas vor sich hin, was ich leider nicht verstand, da seine Worte zu leise waren.

Sachen wie: „Oh muss der kleine Krüppel jetzt heulen" oder „hör auf mit deinen Fingern in Mamis Schlitz herum zu fummeln, sonst fallen die anderen Finger auch noch ab" gaben diese Volldeppen von sich, einer von ihnen Schlug ihm sogar gegen sein Kinn.

Bei diesem Anblick drehte sich mir der Magen um, wie konnte man nur so grausam sein. Viktor war mit Sicherheit schon seelisch am Ende, durch die Strapazen, die sie ihm täglich zufügten.

Ich stand auf und rannte auf die Toilette, um dort in Tränen auszubrechen. Klara folgte mir und nahm mich sogleich in den Arm.

„Süße, was ist denn los, kann ich dir irgendwie helfen."

„Diese ekelhaften Typen, ich kann das einfach nicht mehr mitansehen. Warum bin ich nur so scheiße schüchtern, ich würde Viktor so gerne helfen" jammerte ich in ihre Schulter hinein.

Klara drückte mich noch etwas fester an sich ran „ich verstehe dich Susi, mir tut er ja auch leid. Viktor muss die Jungs einfach ignorieren, irgendwann wird es ihnen zu langweilig und dann lassen sie ihn in ruhe."

„Ja, wahrscheinlich hast du recht Klara" ich versuchte mich wieder ein wenig zu beruhigen.

Ich glaubte ihren Worten, weil ich diese Erfahrung selbst einmal durch gemacht habe. Es gab nämlich eine Zeit, in der ich als Opfer meiner Klasse herhalten musste. Da ich aber nie etwas darauf sagte, geschweige denn versuchte, mich dagegen zu wehren, verloren sie sehr schnell das Interesse und ließen mich in Frieden.

Jetzt war ich nur noch für sie das stumme Mädchen, das nie ihren Mund aufbrachte. Aber lieber so als anders.


Halt dich an mir festWo Geschichten leben. Entdecke jetzt