3, Freunde und Feinde

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Es war still im Auto. Naja, eigentlich redeten der Lila-haarige und der Victor bisher unbekannte Fahrer miteinander, aber sie taten es nicht sehr laut und die Fahrgeräusche übertönten die Worte, kaum das sie den Mund verließen. Ihre Mitfahrgelegenheit hatte an einem etwas entfernten Treffpunkt auf sie gewartet, es war ein kleiner Wagen, trotzdem aber ein Stilvoller. Er war matt-schwarz und hatte leicht getönte Scheiben, nicht so, dass es sofort auffiel, aber so stark, dass die Personen im Inneren verschwammen.
"Bist du okay?" Das die Frage an ihn ging, fiel Victor erst nach einigen Sekunden auf.
"Mir ist schwindlig und das Atmen ist nicht gerade einfach. Ansonsten passt es."
"Kann gut sein. Kommt vom Gas. Sobald wir da sind, kümmern wir uns drum."
Nun wandte der Mann auf dem Beifahrersitz den Kopf und sah ihn direkt an, dabei fielen ihm einige lila Strähnen vor die Augen.
"Ich bin übrigens Nia. Nia Cavaon. Du sagst, du kennst Toni?"
Victor nickte kurz.
"Wir sind uns gestern begegnet... es war ein wenig seltsam. Aber er hat mit über die FaM erzählt und gemeint, ich wäre ein... So jemand, den sie als gefährlich einstufen..."
"Ein Target. Ja, bist du definitiv, sonst hätten sie nicht soviel daran gesetzt, dich zu vergasen. Er hatte etwas von einem Target erzählt, das er auf der Straße aufgelesen hat, Ironie, dass das genau du bist. Ähm, Victor, oder?"
Wieder nickte er.
"Ich bin übrigens Patrick. Die meisten nennen mich aber Palle, also wenn dir das lieber ist, nur zu. Du gehörst ja jetzt sozusagen zum Team."
Der recht kleine Mann, der sich soeben vorgestellt hatte, lachte leicht und verlagerte sein Gewicht. So klein Patrik auch war, er war durchtrainierter als so manches Model aus Zeitschriften.
"Was meinst du mit 'zum Team'? Und wo fahren wir überhaupt hin?" Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: "Und waren diese Leute und der Mann mit der Fliege von der FaM?"
Nia war derjenige, der antwortete.
"Ja, das war ein kleiner Teil der Spezialeinheit. Der Typ mit der Fliege war der Trupp-Leiter, Lucas. Und wir fahren zu unserer Unterkunft. Oder zu unserem Headquarter. Oder zur Basis. Was dir am liebsten ist."
"Ist Toni dort?"
"Ja, genau so wie alle anderen aus dem Team."
"Gut. Er muss mir ein Paar Sachen erklären."

Die Basis - Victor fand, dass diese Bezeichnung am besten passte - war ein altes Fabrikgebäude ein wenig außerhalb der Stadt. Es sah baufällig und einsturzgefährdet aus, Graffiti zierte die Beton Wände und die Scheiben waren eingeschlagen. Das Gebäude war unheimlich hoch, mindestens 7 Stöcke, schätzte Victor. Sie traten durch ein großes, nicht verschließbares Tor ein.
Der Innenraum unterschied sich vom Erscheinungsbild nicht wirklich von dem Äußeren, doch Nia lotste ihn durch die Trümmer bis zu einer offenstehenden Treppe. Sie stiegen einige Stockwerke hinauf, nach und nach schien es belebter zu wirken. Letztendlich standen sie vor einer schweren Tür. Palle grub in seinen Taschen, bis er eine Karte fand, die er in einen Schlitz steckte und auf einem staubigen Zahlen Feld eine Nummer eingab. Mit einem lauten Klacken ging die Tür auf, er zog sie gänzlich zurück und ließ Nia und Victor hinein, bevor er selbst eintrat. Es lagen nur noch wenige Stufen vor ihnen, Trümmer und Müll gab es hier nicht mehr und alles wirkte sauberer. Als sie das Stockwerk gänzlich betraten, erkannte Victor, dass die komplette, riesige Fläche aufgeräumt und sauber war. Die Fenster waren immer noch hin, Moos und kleine Pflanzen überwachsen die Fläche und Graffiti war auch überall, aber an sich sah es aus, wie eine normale Etage. In einer Ecke standen Tische, einige Stühle und dazugehörige Computer, großteils sahen sie selbst gebaut aus. Es waren mindestens 10, dazu ein Haufen Bildschirme, oft mehrere an einen Platz gerichtet. Da die Tische verschieden hoch waren, verschachtelten sich die Arbeitsflächen und grenzten jeden Platz genügend ab. Fast hätte Victor die Person die ganz in der Ecke hinter den Rechnern versteckt saß übersehen. Nia winkte ihn hinüber, bevor er selbst zu dem unbekannten lief.
"Man sieht sich dann später", verabschiedete sich Patrik lächelnd und lief weiter hinauf in die nächste Etage. Er folgte hingegen Nia und ließ sich zu der Person führen.
"Hey! Kedos, lass dir unser neues Target vorstellen."
Der Mann - ungefähr in Victors Alter - sah auf und schubste sich mitsamt seinem Drehstuhl vom Tisch weg, um beide im Blick zu haben.
"Ah, hi. Endlich mal jemand Neues. Ich bin Kedos."
Er hielt ihm die Hand hin, er schlug ein.
"Victor. Dafür, was hier läuft, seid ihr hier alle ziemlich gut gelaunt."
"Naja, man gewöhnt sich mit der Zeit daran, dass n Haufen Menschen einen tot sehen wollen. Aber hey, du siehst nicht gut aus. Du solltest dich von Ty oder mir mal durchchecken lassen. Tot kämpft es sich nicht gut gegen psychopathische Firmenbesitzer."
"Eines nach dem anderen. Ist noch wegen dem Gas.", warf Nia ein und grinste.
Kurz darauf verließen sie das Stockwerk und wechselten in die nächste Etage.
Hier standen einige Couchen, teilweise auf- teilweise nebeneinander. Es lagen auch Matratzen herum, genauso wie Kissen, hie und da stand ein Sessel. In der einen Ecke des riesigen Raumes standen Regale, in zwei anderen befaneden sich sogar einigermaßen abgegrenzte Räume. Sprich, eingefallene Wände. Auf dem Couchen-Berg saßen 5 Leute, jeder von ihnen sah in Victors Richtung. Zum Glück ergriff Nia sofort das Wort.
"Hey, lasst euch Victor vorstellen. Wir - also ich und Sev - haben ihm vorhin das Leben gerettet. Stellt euch vor, ihr macht ihn nervös."
Einer der fünf stand auf und kam zu ihnen, worauf ihm ein anderer folgte. Der erste hatte kurze schwarze Haare und hatte ein sympathisches Gesicht, der andere hatte - ebenfalls kurze - knallrote Haare, deren Seiten abrasiert waren.
"Hey, ich bin Tyler, genauer gesagt Tyler Joseph. Nenn' mich aber ruhig Ty." Er hatte einen leichten Amerikanischen Akzent, der aber kaum auffiel.
"Und ich bin Joshua Dun. Du darfst mich Josh nennen."
Ebenfalls der Akzent.
Beide hielten auf Brusthöhe die Hand hoch, Victor schlug bei beiden ein.
Begleitet von den beiden liefen sie zu den anderen dreien, die sich nicht groß bewegt hatten.
"So, dir hat Nia also das Leben gerettet?"
Der der zuerst sprach, war ziemlich groß - man sah es schon im Sitzen. Braune Wuschelfrisur, leicht verträumter Blick, sehr großer - und vor allem breiter Mund. Junge, konnte dieser Mann grinsen!
"Ich bin Tim, Tim Bergmann. Nett, dich kennen zu lernen."
"Dario, freut mich, dass du noch lebst."
Er war genauso groß wie Bergmann, wenn auch er etwas gestriegelter wirkte. Man sah ihm jedoch sofort an, wie viel Sarkasmus und schwarzer Humor hinter diesem Lächelnden Gesicht lauerte.
"Jo, ich bin Max." "Etwas mehr Begeisterung, wenn ich bitten darf." "Dario, wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen."
Der letzte hatte etwas dunklere Haut und trug eine Cap, der Haaransatz ließ auf eine 5 Millimeter Frisur tippen.
"Freut mich auch", grinste Victor. Sie liefen weiter, auf dem Weg kam ihnen ein Mann entgegen. Er trug aus Victor unerfindlichen Gründen eine weiße Maske und lief ohne ein Wort an beiden vorbei.
"Das ist Manu. Er braucht immer ein bisschen um mit neuen Leuten in Kontakt zu treten."
Sie liefen zu dem abgegrenzten Raum in der Ecke der Halle, Nia öffnete die morsche Tür und beide traten ein. Im Inneren lagen fünf Matratzen, hie und da lagen Klamotten, Taschen und... Waffen? Ja, in diesem Zimmer lagen Pistolen herum. Nia setzte sich auf eine der Matten und wies Victor, sich auch zu setzen.
"Weißt du, Victor, wir müssen reden."
"Da hast du aber sowas von recht."
"Zuerst einmal: Du wirst nicht mehr zuhause wohnen können."
Es versetzte seinem Herz einen kleinen Stich, doch er hatte schon damit gerechnet. Von der FaM entführt zu werden brachte offensichtlich einige unerfreuliche Nebenwirkungen mit sich.
"Wir können morgen zu dir fahren und das nötigste holen, aber es wäre das beste, wenn du vorerst hier bleibst. Du stehst verdammt weit oben auf der Abschussliste der einflussreichsten Vereinigung des Landes, das heißt, du kannst dich nicht mehr überall sicher fühlen. Sollte eigentlich klar sein. Und ich will dir ein Angebot machen: Du kannst - bis das ganze vorbei ist - bei uns bleiben. Wir sind alle auf unserem Gebiet nicht unbegabt, und, naja, hier bist du auf jeden Fall nicht in Gefahr, und es könnte schwer werden, einen anderen Ort zu finden, wo das auch der Fall ist."
Victor nickte kurz angebunden.
"Dann... wäre da noch die Talentfrage. Hast du irgendwelche außerordentlichen Fähigkeiten, nen Waffenschein, Kampfsporterfahrung, sowas in der Richtung?"
"Super Smash Bros Champion?"
"Ich Werte das als Nein. Na gut, dann werden wir rausfinden, was du gut kannst. Hier sollte jeder in der Lage sein, seinen Teil beizutragen, also auch du."
"Also... um mal diese ganze verrückte Situation auf den Punkt zu bringen... ihr seid eine Gruppe von der FaM gejagter Talente. Wie nennt ihr euch? Targets?"
"Ja, das ist die Abschussliste."
"Schön und gut. Und ihr wollt mir erklären, das aus irgendwelchen Gründen die FaM es auf mich abgesehen hat und ich mit zu den größten Zielen gehöre."
"Du wurdest fast von Lucas persönlich vergast. Und wie du zu den großen Fischen gehörst."
"Und ich soll mich euch anschließen und mit euch versuchen, irgendwie alles wieder in Ordnung zu bringen?"
"Wenn du das willst? Wir nehmen dich gern. Jetzt nach Hause zu gehen, wäre Selbstmord."
Victor atmete durch, stützte den Kopf in die Hände und sah dann wieder auf.
"Naja, dann klingt es ja nur logisch hier zu bleiben."

Nach einigen weiteren Erklärungen von Nia gingen sie ein Stockwerk nach oben, er meinte, dass nun Essenszeit wäre. Victor bemerkte jetzt erst, was er für einen Hunger hatte.
Dort oben standen einige quadratische, rechteckige oder kreisförmige Tische, darum immer bis zu 6 Stühle, manchmal auch Bänke oder Sessel. An einer Tisch Gruppe erkannte er Tim Bergmann, Kedos, Dario und Max, bei ihnen saß noch ein anderer, den Victor nicht kannte. Klein, flauschiger Bart, mittellange Haare mit einer Mütze darüber. Sie schienen Spaß an ihrer unterhaltung zu haben, das sah man ihnen definitiv an.
Weiter hinten saßen Josh und Tyler, sie wirkten entspannt, aber aufgeweckt.
In der Mitte der Halle entdeckte er Toni. Intuitiv lächelte er, der sah ihn ebenfalls und grinste ihn mit einem Pizzastück in der Hand an, dann klopfte er auffordernd auf den Stuhl neben sich.
"Hey, Palle hat mich schon aufgeklärt, dass du jetzt dabei bist. Der Zettel hat doch hoffentlich geholfen, oder?"
Victor nickte und zog die Mundwinkel hoch.
"Wie man's nimmt. Dadurch wusste ich wenigstens, was gespielt wurde. Auch, wenn sie mir kein Wort geglaubt haben. Aber irgendwie hab ich den Lügendetektor überstanden. Wie auch immer..."
Fragend sah Toni zu Nia, der hob abwährend die Hände.
"Ich hab nicht an dem Detektor rumgepfuscht. Sevi auch nicht. Das hat Vic allein geschafft."
"Beieindruckend. Jetzt setzt euch endlich hin, die Pizza wird kalt. Und nach dem Essen kümmern wir uns um diese Gasverfiftung. Ich kann dich bis hier röcheln hören."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 15, 2017 ⏰

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