Kapitel 3

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Kapitel 3

„Uuuuund fertig!" Doktor Ch. lächelt mich freudig an.

Zwar weiß ich nicht, was es da zu lächeln gibt, da mir gerade meine Fäkalien aus dem Körper geholt wurden. Ja ganz genau!

Ich muss mir einmal in der Woche von jemandem den Hintern ausleeren lassen. Denn falls ihr es noch nicht mitbekommen habt: Ich bin gelähmt und kann somit auch nicht aufs Klo!

Endlich zieht mir eine Pflegerin mit einem weißblonden Pagenkopf die Unterhose und die Hose an. Ich finde es immer noch ziemlich peinlich, nackt vor jemandem zu sein. Ich nicke schnell und versuche ein dankbares Lächeln.

Meine Mutter stellt sich neben mich und lächelt Doktor Ch. an:

„Na dann sehen wir uns am Montag wieder! Einen schönen Tag noch!"

Irgendwie kommt sie mir zu hektisch vor. Sonst plaudert sie immer noch bis über eine halbe Stunde mit dem Arzt.

„Warten sie noch einen kleinen Moment! Haben sie über die neue Therapie nachgedacht, die wir ihnen empfohlen haben?" wirft Doktor Ch. noch ein, bevor meine Mutter mich rausschieben kann. Sie bleibt abrupt stehen.

Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, dass ihre Haltung sich verändert hat und sie jetzt stocksteif dasteht.

„Doktor Chattopadhyay. Ich weiß, dass Sie es gut meinen. Aber ich denke nicht, dass diese Therapie meiner Tochter sonderlich viel helfen wird. Eher im Gegenteil."

Er stellt sich vor meine Mutter - und mich wohlbemerkt - und schaut ihr eindringlich in die Augen.

„Ich verstehe, dass Sie in Sorge um ihre Tochter sind, Frau Mühlberg, aber diese Therapie würde ihrer Tochter neue Türen öffnen! Sie sollten es wenigstens einmal ausprobieren!"

Nun reicht es mir! Ich will endlich wissen, was das für eine Therapie ist! Was kann denn so abartig schlimm sein?! Sie werden mich ja nicht genetisch modifizieren wollen oder so ähnlich!

„Um ... um was geht es denn?" entschlossen recke ich meinen Kopf hoch und schaue in die freundlichen, braunen Augen von Doktor Ch. Meine Mutter krallt ihre rechte Hand in meine Schulter - ich kann das nur denken, weil ich sie in meine Schulter gekrallt sehe und nicht weil ich es spüren könnte oder so ähnlich. Er räuspert sich. „Barbara. Vor ein paar Tagen sind ein paar Psychologen auf eine neue Therapie für Gelähmte, kranke Menschen gestoßen. Sie haben erforscht, dass viele Menschen auf nun ja soziale Berührungen eingehen."

Das Fragezeichen muss mir direkt auf der Stirn gestanden haben, denn Dr. Ch. fährt mit einem schier endlosen Monolog fort.

„Was ich damit meine ist, dass es kranken Menschen behilflich ist, Beziehungen anzuknüpfen und neuen Lebensmut gewinnen! Dass sie wieder an sich glauben!" –Aha, also bin ich mehr tot als lebendig?

„Und da diese Forschung wirklich vielen weiterhilft, hat man beschlossen, ebenfalls für Kinder und Jugendliche einzuführen.

Daher wurde ein „Sommercamp" für Kinder aller Art von Erkrankungen eröffnet. Ich würde es Befürworten, wenn du beim Sommercamp teilnehmen würdest." - Ich soll in ein Camp? Allein?

Ich bin wirklich keine Heulsuse aber das trifft mich schon hart.

Ich war noch nie allein irgendwo gewesen. Entweder war immer Mutter, Lucy oder unsere spanische Haushälterin Ruanita da. Bevor ich auch nur den geringsten Hauch einer Chance habe zu antworten, schrillt die hysterische Stimme meiner Mutter los: „Doktor Chattopadhyay! Ich muss doch wohl bitten! Wir hatten doch schon über dieses Thema gesprochen! Meine Tochter wird auf keinen Fall mit irgendwelchen fremden Kindern und Betreuern in ein sogenanntes „Sommercamp" gehen! Sie wissen doch sie ist ein zartes Mädchen! Das war sie schon von Geburt an!" Meine Mutter redet sich so in Rage, sodass sich schon nervöse Flecken auf ihrem Nacken bilden.

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